25.12.42

Cat People (Jacques Tourneur, 1942)

Katzenmenschen

Der horror flick als phantastisches Melodram: B-Movie-Produzent Val Lewton und Regisseur Jacques Tourneur entwerfen die Story über die in New York lebende sensitive Serbin Irina (Simone Simon), die aus einem verfluchten Geschlecht von Katzenmenschen (genauer gesagt: Katzenfrauen) zu stammen glaubt (oder: tatsächlich stammt?) und fürchtet, sich bei aufwallenden Gefühlen von Liebe, Eifersucht oder Zorn in ein tödliches Raubtier zu verwandeln, nicht als rummelplatzhaften Monstergrusel, sondern als imaginativ-psychologisches Spiel der Schatten und Andeutungen, des Begehrens und Verdrängens, der zwischenmenschlichen Zweifel und existenziellen Verstörung. Von Nicholas Musuraca in meisterhaft gestaltete, schwarz-romantische Bilder gesetzt, nähert sich das Unheimliche nicht als Gefahr von außen – es quillt unkontrollierbar aus dem Inneren hervor und verdüstert tragisch den Alltag. PS: Vincente Minnelli wird dem Genie von Lewton und Tourneur in einer Episode der Hollywood-Hommage »The Bad and the Beautiful« mit dem fiktiven Low-Budget-Streifen »Doom of the Cat Men« seine Reverenz erweisen.

R Jacques Tourneur B DeWitt Bodeen K Nicholas Musuraca M Roy Webb A Albert S. D’Agostino S Mark Robson P Val Lewton D Simone Simon, Kent Smith, Tom Conway, Jane Randolph, Jack Holt | USA | 73 min | 1:1,37 | sw | 25. Dezember 1942

5.12.42

Les visiteurs du soir (Marcel Carné, 1942)

Die Nacht mit dem Teufel 

»Démons et merveilles …« Südfrankreich, 1485: In der Gestalt fahrender Sänger ziehen zwei Diener des Teufels durchs Land, um Kummer und Zwietracht unter die Menschen zu bringen. Im provenzalischen Palast des Baron Hugues verdreht eine(r) der beiden Satansbraten (Arletty wechselt die Geschlechter so nonchalant wie die Gewänder) dem Schloßherrn sowie dessen künftigem Schwiegersohn die Köpfe, während sich der andere Spielmann (Alain Cuny) in des Adeligen schöne Tochter (Marie Déa) verliebt, der er doch nur schöne Augen machen sollte. Der Herr der Finsternis (Jules Berry kann lachen wie der Leibhaftige) sieht sich genötigt, in Persona zu erscheinen, um diese (allzu innige) gegenseitige Affektion zu unterbinden – doch die Liebe, sie währet immerdar, und das Herz der Liebenden, es schlägt, es schlägt, es schlägt … Marcel Carné und Jacques Prévert, le couple idéal des poetischen Realismus, zelebrieren die romantisch-diabolischen Aventüren mit feierlicher Emphase und souveräner Gestaltungskraft: »Les visiteurs du soir« spielt in einer einzigartig kostbaren (dabei ganz und gar nicht konfliktfreien) Welt, im reinen Weiß sonnenüberfluteter Tage, im unergründlichen Schwarz mondloser Nächte; Bilder (Roger Hubert) und Dekors (Alexandre Trauner) nähern sich der rätselhaft-klaren Ästhetik mittelalterlicher Buchmalerei, Préverts Dialoge und Chansons sprechen von der Unverlierbarkeit des Heils (auch und gerade im Angesicht des Bösen), Carnés Inszenierung zaubert Szenen für die filmische Ewigkeit. Ein magischer Glanzpunkt des französischen Kinos.

R Marcel Carné B Jacques Prévert, Pierre Laroche K Roger Hubert M Maurice Thiriet, Joseph Kosma A Alexandre Trauner, Georges Wakhévitch S Henri Rust P André Paulvé D Arletty, Marie Déa, Jules Berry, Fernand Ledoux, Alain Cuny | F | 120 min | 1:1,37 | sw | 5. Dezember 1942

26.11.42

Casablanca (Michael Curtiz, 1942)

Casablanca

Neben dem Marxschen Gesetz des Umschlagens von Quantität in Qualität gibt es auch das kinematographische Gesetz des Umschlagens von Lüge in Wahrheit. »Casablanca« ist so durch und durch falsch, so künstlich und konstruiert, so fern von sogenanntem Realismus, daß seine Authentizität kaum in Zweifel gezogen werden kann. Das Propaganda-Märchen vom zynisch-alkoholischen Gutmenschen Rick Blaine, der in einer verrückten Welt (Krieg, Nazis, Kollaboration, Widerstand, Sehnsucht, Liebe) den Überblick behält, persönliche Belange (= Ilsa Lund) souverän (aber ohne gefühllos zu sein) hintanstellt und Entscheidungen im Hinblick auf moralische und historische Notwendigkeiten trifft, funktioniert nicht nur als perfektes, hochemotionales Melodram, es ist ein (wenn nicht das) Destillat des Golden Age of Hollywood. Die Leistungen aller Beteiligten – angefangen beim Regisseur (Michael Curtiz) über die Stars (Humphrey Bogart und Ingrid Bergman), die Autoren (Epstein, Epstein & Koch) und den Komponisten (Max Steiner) bis hin zum bewegenden Stelldichein der Emigranten (Bois, Grüning, Henreid, Lorre, Szakall, Veidt – die Vertreter der »Echtheit« in diesem Film) – sind untadelig, aber erst der aus jeder Einstellung funkelnde genius of the system macht »Casablanca« zu einem der unsterblichen Sehnsuchtsorte des Kinos.

R Michael Curtiz B Julius J. Epstein, Philip G. Epstein, Howard Koch V Murray Burnett, Joan Alison K Arthur Edeson M Max Steiner A Carl Jules Weyl S Owen Marks P Hal B. Wallis D Humphrey Bogart, Ingrid Bergman, Paul Henreid, Claude Rains, Conrad Veidt | USA | 102 min | 1:1,37 | sw | 26. November 1942

6.11.42

Dr. Crippen an Bord (Erich Engels, 1942)

Erich Engels, seines Zeichens NSDAP-Mitglied und Regisseur zahlreicher Karl-Valentin-Filme, verlegt den aufsehenerregenden Fall des Arztes Dr. Hawley Crippen – der seine Ehefrau Cora vergiftete und sich sodann mit seiner, als Mann verkleideten, jungen Geliebten per Dampfer über den Atlantik absetzte – aus dem London des Jahres 1910 an einen nicht näher definierten europäischen Ort am Ende der 1920er Jahre; das gemeine Verbrechen mag dabei symbolisch für die angebliche moralische Entartung der sogenannten »Systemzeit« stehen. Engels, der immer wieder burleske Momente ins Krimigeschehen streut, gelingt es allerdings nur unvollkommen, Spannung zu erzeugen – allzu betulich plätschert die Handlung mit ihren wenig überraschenden Wendungen aus einem Varieté in eine Villa auf ein Linienschiff in einen Gerichtssaal … So beruht der Reiz von »Dr. Crippen an Bord« vor allem auf dem Darsteller der Titelrolle: Rudolf Fernau spielt den Mörder (der sich auf seiner Flucht ausgerechnet hinter der Maske eines Missionspriesters versteckt) als berechnendes Aas mit eiskaltem Charme und tückischer Kultiviertheit.

R Erich Engels B Kurt E. Walter, Erich Engels, Georg C. Klaren K Ernst Wilhelm Fiedler M Bernhard Eichhorn A Artur Günther, Willi Eplinius S Erich Palme P Alf Teichs D Rudolf Fernau, René Deltgen, Gertrud Meyen, O. E. Hasse, Paul Dahlke | D | 86 min | 1:1,37 | sw | 6. November 1942

# 915 | 6. November 2014

30.10.42

I Married a Witch (René Clair, 1942)

Meine Frau, die Hexe
 

»Ever hear of the decline and fall of the Roman Empire? That was our crowd.« Bestrickend (über)sinnliche und angenehm kurz(weilig)e screwball fantasy über eine sexy Hexe (Vero­nica Lake), die knapp 300 Jahre, nachdem sie und ihr dämonisch-versoffener Vater von dem linientreuen Neu-England-Puritaner Jonathan Wooley (Fredric March) auf den Scheiter­haufen geschickt wurden, aus dem Reich der (Un-)Toten ins irdische Leben zurückkehrt, wo sie Rache am Nachfahren des sittenstrengen Saubermanns, dem aufstrebenden Politiker Wallace Wooley (Fredric March), nehmen will. René Clair entfacht allerhand romantischen Budenzauber und nutzt die poetische Farce, um sich über morali­sche Scheinheiligkeit sowie die absurden Mechanismen der modernen Mediendemokratie lustig zu machen. (»I Married a Witch« erklärt ganz nebenbei, aber sehr plausibel, auf welch magische Weise in den Ver­einigten Staaten (und wohl nicht nur dort) Wahlen gewonnen werden.) Wie es einer Komödie zukommt, finden sich zu guter Letzt Diesseits und Jenseits in kordialer Harmonie – denn: »Love is stronger than witchcraft.«

R René Clair B Robert Pirosh, Marc Connelly K Ted Tetzlaff M Roy Webb A Hans Dreier, Ernst Fetgé S Eda Warren P Preston Sturges, René Clair D Fredric March, Veronica Lake, Robert Benchley, Susan Hayward, Cecil Kellaway | USA | 77 min | 1:1,37 | sw | 30. Oktober 1942

8.10.42

Wir machen Musik (Helmut Käutner, 1942)

»Mit Musik ist ja das ganze Leben nur noch halb so schwer.« Ein ernster Komponist mit Hang zur tragischen Oper trifft auf die Sängerin (und Kunstpfeiferin) einer swingenden Unterhaltungskapelle: Der hochnäsige Karl Zimmermann (Viktor de Kowa) und die patente Anni Pichler (Ilse Werner) sind der personifizierte Gegensatz zwischen E und U, und weil Gegensätze sich anziehen, werden die beiden ein Paar – natürlich nicht ohne all die Notlügen und Mißverständnisse, Verwechslungen und Plänkeleien, krachenden Trennungen und freudigen Wiedersehen, die das Wesen einer turbulenten Beziehungskomödie ausmachen. Helmut Käutner inszeniert die musikalische Romanze temporeich und fantasievoll (etwa im Durchdeklinieren der verschieden Ausdrucksarten des Pfeifens), mit einer guten Portion sophistication sowie Spaß an der Unterminierung von kulturellem Dünkel und hergebrachten Geschlechterrollen: Karls stolze Herablassung im Hinblick auf die leichte Muse wie auch die chauvihafte Zerbrich-du-dir-nicht-dein-kleines-Köpfchen-Haltung, die er gegenüber Anni an den Tag legt, läßt der Arrangeur der »kleinen Harmonielehre« hämisch verpuffen, wenn sich der, mit seiner »Lukrezia Borgia« kläglich gescheiterte, Musikdramatiker als handwerklicher Ausputzer der heiteren Tonschöpfungen seiner Gattin wiederfindet: »Wir machen Musik, / da geht euch der Bart ab!« Anni tanzt dazu fröhlich im Frack, bevor sie ihren Karl am Ende natürlich wieder zurücknimmt: »Mein Herz hat heut Premiere. / Das Stück heißt du und ich, / und wenn ich mich auch wehre, / mein Herz schlägt nur für dich.«

R Helmut Käutner B Helmut Käutner V Manfred Rössner, Erich Ebermayer K Jan Roth M Peter Igelhoff, Adolf Steimel A Max Mellin S Helmuth Schönnenbeck P Hans Tost D Viktor de Kowa, Ilse Werner, Grethe Weiser, Georg Thomalla, Edith Oss | D | 95 min | 1:1,37 | sw | 8. Oktober 1942

# 882 | 21. Juni 2014

3.9.42

Die goldene Stadt (Veit Harlan, 1942)

Das Blut und der Boden, das Land und die Stadt, das Moor und der Tod. Aber auch: das Alte und das Neue, die Zucht und die Unordnung, die Bestimmung und die Freiheit. Kristina Söderbaum als properes Bauernmädchen Anna mit Sehnsucht nach der Metropole Prag. Der Vater, ein strenger Witwer (Eugen Klöpfer), hat ihr verboten dorthin zu fahren. Sie tut es trotzdem. Kommt unter die Räder der buckligen Verwandtschaft. Wird verstoßen. Sucht den Tod just da, wo schon ihre unglückliche Mutter ihn fand: im Moor. Einerseits betreibt »Die goldene Stadt« melodramatische Propaganda für Heimattreue und Tugend (»Kein Ding oder Wesen ist von fern an seinen Ort kommen, sondern an dem Ort, da es wächst, ist sein Grund!«), gegen Kosmopolitismus und Zuchtlosigkeit: Annas urbane Tante (Annie Rosar) raucht, trinkt, trägt über dem ungebügelten Schlafrock einen verzauselten Pelzkragen; Vetter Toni, verschlagener Tunichtgut und gelackter Verführer (Kurt Meisel), poussiert mit seiner Chefin, stiehlt ihr die goldenen Löffel, schwängert das treuherzige Cousinchen (immerhin Erbin eines stattlichen Guthofes!), um es eiskalt abzuservieren, als die Aussicht auf schnelles Geld jäh zerplatzt. Andererseits schildert Veit Harlan (in seinem ersten Agfacolor-Film) mit großer Empathie den Drang seiner Protagonistin nach Selbstbestimmung und einem Leben jenseits von moralischem Starrsinn und sozialer Prädisposition, kurz: ihr Heimweh nach dem Unbekannten. Letztlich ist es ebensosehr die kalte Verbohrtheit ihres Erzeugers wie die von Engelschören besungene, schicksalhafte Vorsehung (»Mutter, ich hör’ dich, du rufst mich!«), die Anna ins nasse Grab treiben. Zudem konterkariert die Reaktion des gebrochenen Vaters auf den Tod seiner Tochter (»Meine Zeit ist mit ihr zu Ende.«) den planen Fatalismus der Dramaturgie.

R Veit Harlan B Veit Harlan, Alfred Braun V Rudolf Billinger K Bruno Mondi M Hans-Otto Borgmann A Erich Zander, Karl Machus S Friedrich Karl von Puttkammer P Veit Harlan D Kristina Söderbaum, Paul Klinger, Kurt Meisel, Annie Rosar, Eugen Klöpfer | D | 110 min | 1:1,37 | f | 3. September 1942

9.7.42

The Magnificent Ambersons (Orson Welles, 1942)

Der Glanz des Hauses Amberson

Ein prachtvolles Sittenbild mag Orson Welles vorgeschwebt haben, Panorama der amerikanischen Gesellschaft zwischen Civil War und Erstem Weltkrieg, Epos von der Transformation einer Welt, in der Gewicht hat, wer jemand ist, zu einer Welt, in der zählt, wer etwas tut, angesiedelt in einer aufstrebenden Stadt des Mittleren Westens, arrangiert um eine unerfüllte Liebe: Isabel Amberson (Dolores Costello), hochnäsiger Sproß aus bester Familie, gibt ihrem Verehrer, dem linkischen Erfinder Eugene Morgan (Joseph Cotten), den Laufpaß, um einen seriösen Langweiliger zu heiraten. Während sich die vornehme Dame fortan der Verziehung ihres einzigen Sohnes (Tim Holt) zum blasierten Flegel widmet, konstruiert der begabte Ingenieur, ermutigt von seiner patenten Tochter (Anne Baxter), eine Benzinkutsche, deren serienmäßige Herstellung ein gewaltiger Geschäftserfolg wird ... Trotz beeindruckender Kulissen und zahlreicher photographischer Kabinettstücke gibt der Film – von Welles vor seiner Abreise zu Dreharbeiten nach Brasilien lediglich bis zum Rohschnitt ausgearbeitet, vom Studio RKO in Abwesenheit des Regisseurs radikal gekürzt und durch nachgedrehte Szenen teilweise sinnentstellt – nur einen Abglanz des Meisterwerks, das er hätte werden können. Der Erzählung mangelt es an Rhythmus und Atem, der Ton schwankt von ironisch zu elegisch zu hysterisch zu sentimentalisch, wodurch es schwerfällt, den Wegen der (fast durchweg unsympathischen) Figuren zu folgen, und der schicksalhafte Verfall der Ambersons kaum symbolische Kraft, sondern bestenfalls dekoratives Flair entfaltet.

R Orson Welles B Orson Welles V Booth Tarkington K Stanley Cortez M Bernard Herrmann A Albert S. D'Agostino S Robert Wise P Orson Welles D Joseph Cotten, Dolores Costello, Tim Holt, Anne Baxter, Agnes Moorehead | USA | 88 min | 1:1,37 | sw | 9. Juli 1942

# 1138 | 15. Dezember 2018

12.6.42

Die große Liebe (Rolf Hansen, 1942)

»Ich weiß, es wird einmal ein Wunder gescheh’n, / Und dann werden tausend Märchen wahr.« Während eines kurzen Berlin-Aufenthaltes trifft der schneidige Jagdflieger Paul (Viktor Staal) auf die extravagante Sängerin Hanna (Zarah Leander) – er sieht sie auf der Bühne, erwartet sie nach der Vorstellung, folgt ihr in die U-Bahn, begleitet sie zu einem Abendempfang, landet schließlich mit ihr im Luftschutzkeller ihres Mietshauses. Das ungleiche Paar findet sich, verliert sich, verpaßt sich immer wieder, bleibt aber, trotz ausgefallener Hochzeit und fortgesetzter Trennung, eben doch: ein Paar – »fern und doch nicht fern«, füreinander bestimmt in den (wenigen) guten und den (vielen) schweren Tagen, die der Krieg den Verliebten zu bieten hat. Zwischen Berlin und Paris, zwischen Rom und Ostfront erfüllt sich »Die große Liebe« in Opfermut und in Pflichttreue, im Warten und im Verzicht, in unverlierbarer Hoffnung auf ein Wiedersehen, irgendwann, irgendwo. Rolf Hansen mischt mit propagandistischem Geschick Romanze, Revue und Kriegsfilm, gestaltet mit emotionaler Wirkungssicherheit ein doppeltes Melodram: So wie sich Hanna nach dem fast immer abwesenden Paul verzehrt, verzehrt sich Hannas musikalischer Begleiter Alexander (Paul Hörbiger) nach der anderweitig interessierten Diva. Die Liebe (≈ das Leben) in den Zeiten des Krieges erscheint als ewiges Später, als unweigerliches Woanders, als lustvoll leidendes Durchhalten: »Davon geht die Welt nicht unter, / Sieht man sie manchmal auch grau. / Einmal wird sie wieder bunter, / Einmal wird sie wieder himmelblau.«

R Rolf Hansen B Peter Groll, Rolf Hansen, Alexander Lernet-Holenia K Franz Weihmayr M Michael Jary A Walter Haag S Anna Höllering P Walter Bolz D Zarah Leander, Viktor Staal, Paul Hörbiger, Grete Weiser, Wolfgang Preiss | D | 100 min | 1:1,37 | sw | 12. Juni 1942

22.4.42

Saboteur (Alfred Hitchcock, 1942)

Saboteure

In Kalifornien geht eine Flugzeugfabrik in Flammen auf. Der Rüstungsarbeiter Barry Kane (Robert Cummings) wird (fälschlich) der Sabotage bezichtigt. Um seine Unschuld zu beweisen, geht der Tatverdächtige auf die Jagd nach dem wahren Schuldigen und den Drahtzieher(inne)n des Verbrechens, eine Jagd, die ihn – zunächst gezwungenermaßen, dann aus freien Stücken von einer blonden Plakatschönheit (Priscilla Lane) begleitet – von Küste zu Küste quer durch die Vereinigten Staaten bis nach New York auf die Fackel der Freiheitsstatue führt ... Alfred Hitchcocks Grundthema liefert (in der Tradition von »The 39 Steps«) den Anlaß eines einfallsreichen, dialogwitzigigen Flucht- und Verfolgungsthrillers voller bizarrer Situationen und schillernder Figuren: Kane gerät in eine behagliche Waldhütte und eine Geisterstadt im Mittelwesten, in einen Ballsaal, der zur Falle wird, und ein Kino, wo gleichzeitig auf der Leinwand und im Saal geschossen wird, unterwegs begegnet er einem sehenden Blinden und streitbarem Zirkusvolk, verschlagenen Geldsäcken und korrupten Ordnungshütern. Natürlich betreibt »Saboteur« als filmischer Kriegsbeitrag (höchst unterhaltsame) Propaganda – für Demokratie und Anteilnahme, gegen Totalitarismus und Machtgier –, doch indem Hitchcock allseits geschätzte (Groß-)Bürger als gewissenlose Strippenzieher der fünften Kolonne enttarnt, sät er bleibende Zweifel an der freiheitlichen Verfaßtheit der amerikanischen Gesellschaft.

R Alfred Hitchcock B Peter Viertel, Joan Harrison, Dorothy Parker K Joseph Valentine M Frank Skinner A Jack Otterson S Otto Ludwig P Frank Lloyd D Robert Cummings, Priscilla Lane, Otto Kruger, Norman Lloyd, Alma Kruger | USA | 108 min | 1:1,37 | sw | 22. April 1942

# 1042 | 9. Januar 2017

6.3.42

To Be or Not to Be (Ernst Lubitsch, 1942)

Sein oder Nichtsein

»They named a brandy after Napoleon, they made a herring out of Bismarck, and the Führer is going to end up as a piece of cheese!« Warschau im Zweiten Weltkrieg – eine Theater-Truppe verhindert die geplante Eliminierung der polnischen Untergrundbewegung durch die deutschen Besatzer: Erstklassige Schmiere triumphiert über brutales Overacting. Ernst Lubitschs zauberhaft-kraftvollem Polit-Vaudeville »To Be or Not to Be« gelingt im Kino mit maliziöser Leichtigkeit, wofür in der Realität ein hoher Blutzoll verlangt wird: Hitler und die Nationalsozialisten an die Wand zu spielen. Das glamourös-eitle Bühnenkünstler-Ehepaar Maria und Josef Tura (ingeniös verkörpert von Screwball-Heroine Carole Lombard und Comedy-Star Jack Benny) sowie ihre kämpferischen Partner ridikülisieren nicht nur mit Grandezza das Wüten des Diktators (»just a man with a little mustache«) und seiner infam-törichten Schergen (Sig Ruman als mord(s)lustiger Gestapo-Chef ›Concentration Camp‹ Ehrhardt!), sie bezeugen auch eine von Felix Bressart alias ›Greenberg‹ formulierte ewige Wahrheit: »A laugh is nothing to be sneezed at.«

R Ernst Lubitsch B Edwin Justus Mayer K Rudolph Maté M Werner R. Heymann A Vincent Korda S Dorothy Spencer P Ernst Lubitsch D Carole Lombard, Jack Benny, Robert Stack, Felix Bressart, Sig Ruman | USA | 99 min | 1:1,37 | sw | 6. März 1942

3.3.42

Der große König (Veit Harlan, 1942)

»Sing, o Gesang, den Krieg …« Die Preußen (in Schwarz) kommen von links, die Österreicher (in Weiß) kommen von rechts. Dazwischen Pulverdampf, Kanonenblitze und die Mühle von Kunersdorf, die malerisch in Flammen aufgeht. Friedrich der Große verliert die Bataille, das Land steht am Abgrund, die Generals rufen nach Waffenstillstand. Für den ›Alten Fritz‹ (Otto Gebühr) aber gibt es nur Triumph oder Tod: Was zählt das Leben von Soldaten, wenn es um das Leben von Preußen geht? Krieg führt der Monarch schließlich nicht zu seinem Vergnügen (auch wenn er schon mal mit glühenden Augen von »Mauern aus Leibern« schwärmt, die seine Frontkämpfer aufbauen sollen), sondern um den Frieden zu sichern – viel lieber würde er in Sanssouci ein gutes Buch lesen oder die geliebte Flöte spielen, wären da nur nicht die lästigen »historischen Notwendigkeiten« … Unter strenger Kontrolle des Propagandaministers müht sich Veit Harlan, ein monumentales Schlachtenpanorama in jener akademisch-pseudorealistischen Manier, die Despoten so lieben, auf die Leinwand zu malen – wobei gleichnishafte Anklänge an die politische und militärische Situation sowie die allgemeine Gemütslage im Jahre 1942 so unüberhörbar sind wie die Posaunen von Jericho. Trotz des beeindruckenden Aufwandes an Mensch und Material kommt »Der große König« jedoch eher einer überlangen Wochenschau aus dem Siebenjährigen Krieg gleich als einem aufwühlenden nationalen Heldenepos. Zu leblos bleiben die holzschnittartigen Charaktere – die Draufgänger und Kriegsbräute, die Drückeberger und Intriganten, die Bedenkenträger und Schwärmer –, zu hörbar raschelt das Eichenlaub durch die gestanzten Dialoge. Die zentrale Figur des Fridericus Rex kennt dabei nur zwei (gleichermaßen enervierende) Tonlagen: das vorwurfsvolle Jammern des unverstandenen Einzelgängers und das scharfe Bellen des genialen Führers. Gegen Ende des Films, nach schwer errungenem Sieg, zieht sich der Herrscher zurück, um in aller Stille ein paar Tränen zu verdrücken und (umsäuselt von himmlischen Chören) vom Frieden zu träumen: Gottgleich blickt sein majestätisches Auge durch Wolkengebirge auf pflügende Bauern und wogendes Korn. Wie sagte der König (oder jemand anders) so schön: »Man reiche mir mein Kotzkübelchen.«

R Veit Harlan B Veit Harlan K Bruno Mondi M Hans-Otto Borgmann A Erich Zander, Karl Machus S Friedrich Karl von Puttkammer P Veit Harlan D Otto Gebühr, Kristina Söderbaum, Gustav Fröhlich, Hans Nielsen, Paul Wegener | D | 118 min | 1:1,37 | sw | 3. März 1942

20.1.42

Zwei in einer großen Stadt (Volker von Collande, 1942)

Menschen am Sonntag im Krieg oder 13 Stunden in Berlin. Flieger Bernd (Karl John) nutzt einen kurzen Fronturlaub, um eine alte Flamme zu besuchen, die, wie sich herausstellen wird, längst mit einem anderen verlobt ist. Aber da ist auch die spröde Rot-Kreuz-Schwester Gisela (Monika Burg), der Bernd auf dem Bahnhof Friedrichstraße begegnet, und die just an diesem Tag von der fürsorglichen Oberhelferin ›Mutti‹ (Käte Haack) zur Zwangserholung geschickt wird. Am Wannsee treffen sich die beiden wieder. Gisela mag den forschen Bernd, aber es dauert ein Weilchen, bis sie dieses Gefühl 1. sich eingestehen und 2. ihm zeigen kann. Volker von Collandes leichtgewichtige, süß verlogene Kriegsromanze will nichts vom Kriege, nichts von Angst und Schrecken wissen: »Zwei in einer großen Stadt, / die ein goldner Traum verzaubert hat, / sehen Kummer nicht und Leid, / seh’n nur ihre Seligkeit. / Und die Welt ist nicht mehr kalt und glatt.« Berlin wird wie eine Touristenbroschüre aufgeblättert, zeigt sich von der idyllischen Seite: Badespaß und Dampfertour, Droschenkenfahrt und Zoobesuch. Der friedselige (Heimat-)Film beschwört die provinzielle Gemütlichkeit einer Herz-und-Schnauze-Metropole, wo noch im dichtesten Verkehrsgewühle niemand verloren geht, wo sich alle Mißverständnisse in Wohlgefallen auflösen, wo aus Einzelgängern »Doppelgänger« werden. Stolz und Pflicht schweben wie Schäfchenwolken im Himmelsblau über den Dächern der Stadt – da fallen das Dreingeben ins Schicksal und der unvermeidliche Abschied schließlich nur noch halb so schwer.

R Volker von Collande B Volker von Collande, Ursula von Witzendorff K Carl Hoffmann M Willi Kollo A Karl Böhm S Walter von Bonhorst P Robert Wüllner D Monika Burg (= Claude Farell = Paulette von Suchan), Karl John, Marianne Simson, Volker von Collande, Käte Haack | D | 80 min | 1:1,37 | sw | 20. Januar 1942

19.1.42

Woman of the Year (George Stevens, 1942)

Die Frau, von der man spricht

»Women should be kept illiterate and clean, like canaries.« Selten brillierte eine Frauenfigur auf der Leinwand so scharfsinnig, so witzig, so selbstbewußt wie Tess Harding, kaum je sah ein weiblicher Star so modern, so exklusiv, so unwiderstehlich aus wie Katharine Hepburn als »Woman of the Year« … Unglaublich, daß (und vor allem: wie herablassend) die Komödie – von George Stevens mit aller Weltläufigkeit und dem ganzen visuellen Raffinement der MGM-Studios inszeniert – dieses role model deklassiert, demontiert, denunziert: Tess, berühmte politische Kolumnistin des ›New York Chronicle‹, trifft auf Sam Craig (Spencer Tracy), einen sympathischen, bodenständigen Sportreporter desselben Blattes. Es funkt – natürlich – sofort, es vibriert und knistert, es prasselt und lodert. (Die (intellektuelle und erotische) Chemie zwischen Hepburn und Tracy ist eines der magischen Phänomene der Kinogeschichte.) Die beiden heiraten – Hals über Kopf –, und schon in der Hochzeitsnacht geht es irgendwie schief (ein europäischer Staatsmann auf der Flucht sitzt unversehens im Ehebett); in der Folge (Tess arbeitet, schreibt, denkt – Skandal! – einfach weiter) macht Sam eine sensationelle Entdeckung: »The ›Outstanding Woman of the Year‹ isn’t a woman at all.« Tess lernt die männliche Lektion, geht nach Canossa (= in die Küche), bereitet Frühstück für den Gatten. Das heißt, sie versucht es. Denn selbstverständlich erweist sie sich als unfähig, einen Kaffee zu kochen, ein Toastbrot zu toasten, eine Waffel zu backen. Die Frau, vor deren geschliffenen Worten selbst Präsidenten zittern, kann keine Eier trennen. Eine Farce. Ein Trauerspiel.

R George Stevens B Ring Lardner Jr., Michael Kanin K Joseph Ruttenberg M Franz Waxman A Cedric Gibbons S Frank Sullivan P Joseph L. Mankiewicz D Katharine Hepburn, Spencer Tracy, Fay Bainter, Minor Watson, Dan Tobin | USA | 114 min | 1:1,37 | sw | 19. Januar 1942