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20.9.73

L’événement le plus important depuis que l’homme a marché sur la lune (Jacques Demy, 1973)

Die Umstandshose

Marco (Marcello Mastroianni), Inhaber einer Fahrschule, lebt glücklich und zufrieden mit seiner Freundin Irène (Catherine Deneuve), Besitzerin eines kleinen Friseursalons, und dem gemeinsamen Sohn im Pariser Stadtviertel Montparnasse. Geplagt von Kopfweh, Schwindel, Übelkeit (besonders arg während eines Mireille-Mathieu-Konzerts) begibt sich Marco zum Arzt. Diagnose: Monsieur ist im vierten Monat schwanger. Der behandelnde Gynäkologe ist entzückt, bestätigt der sensationelle Fall doch seine Theorie über die schleichende Veränderung des menschlichen Hormonhaushalts infolge von Ernährungsfehlern (zuviel Hühnchen!) und Umweltverschmutzung ... Jacques Demys (etwas phlegmatisch inszenierte) Alltagsburleske über das Kind im Manne verkehrt zwar die Geschlechterrollen, befaßt sich aber kaum mit der gesellschaftlichen oder beziehungstechnischen Bedeutung von Männlichkeit und Weiblichkeit (»le thème – comment dirais-je? – de la ›maternité masculine‹ ... ou de la ›paternité maternelle‹, si vous préférez«), wirft nur den einen oder anderen spöttischen Seitenblick auf die Reaktionen von Medien, Kommerz und Mitwelt auf das biologische Phänomen, ergeht sich lieber in quietschbuten Kulissen und im Herzeigen eines delikaten schlechten Geschmack (ein orange-brauner Schlafanzug für ihn, ein kobaltblauer Pelzmantel für sie) – dazu paßt das laue Ende der Erzählung, das alles wieder in die natürliche (?) Ordnung der Dinge zurückfinden läßt.

R Jacques Demy B Jacques Demy K Andréas Winding M Michel Legrand A Bernard Evein S Anne-Marie Cotret P Henri Baum D Marcello Mastoianni, Catherine Deneuve, Micheline Presle, Raymond Gérôme, Mireille Mathieu | F & I | 94 min | 1:1,66 | f | 20. September 1973

# 1123 | 5. Juni 2018

16.12.70

Peau d’âne (Jacques Demy, 1970)

Eselshaut

»La situation mérite attention.« Ein musikalisches Märchen über Verlangen und Inzest, mit sprechenden Rosen und aphrodisierendem Backwerk – psychedelisch, surreal, romantisch, kokett: Dem König der Blauen (Jean Marais) ist die Königin gestorben, und weil er ihr auf dem Totenbett versprechen mußte, dereinst nur eine noch Schönere zu ehelichen, verfällt der Monarch darauf, die einzige Tochter (Catherine Deneuve) zur Frau zu nehmen. Um ihren heiratswütigen Vater hinzuhalten, verlangt die Prinzessin – auf Anraten einer weltklugen Fee (Delphine Seyrig: »Mon enfant, on n’épouse jamais ses parents!«) – Kleider in der Farbe des Wetters, des Mondes, der Sonne, zu guter Letzt die Haut eines goldscheißenden Esels. Sie bekommt, was sie fordert, also bleiben ihr nur die Flucht, das Verstecken, die Maskerade als Schweinemagd, als häßlichste der Häßlichen, schmutzigste der Schmutzigen, allerletzte der Letzten. Natürlich wird sie unter der gräulichen Hülle, die sie tarnt, in ihrer Anmut, Unschuld, Hoheit erkannt – von einem Prinzen aus dem Reich der Roten (Jacques Perrin, der schon in »Les demoiselles de Rochefort« seinem »idéal féminin« nachjagte). In seiner kinematographischen Zauberküche amalgamiert Jacques Demy Cocteausche Es-war-einmal-Phantastik und comichaften Disney-Kitsch, popartige Extravaganz (ein Thron in Katzenform, eine gläserne Sphäre als Katafalk) und verblüffende Anachronismen (Gedichte aus der Zukunft, ein vom Himmel schwebender Helikopter) zu einem zeitlosen (von Michel Legrand kongenial in Töne gesetzten) Loblied auf die verrückte, die geheimnisvolle, die wahre Liebe: »Amour, amour, je t’aime tant.«

R Jacques Demy B Jacques Demy V Charles Perrault K Ghislain Cloquet M Michel Legrand A Jim Leon, Jacques Dugied S Anne-Marie Cotret P Mag Bodard D Catherine Deneuve, Jean Marais, Jacques Perrin, Delphine Seyrig, Micheline Presle | F | 89 min | 1:1,66 | f | 16. Dezember 1970

# 1127 | 13. Juni 2018

24.6.60

Herrin der Welt (Teil II) (William Dieterle, 1960)

Im zweiten Teil von »Herrin der Welt« geht die (gelegentlich recht zeitlupenhafte) Jagd nach dem entführten Professor und seiner (je nachdem seligmachenden oder todbringenden) Formel weiter und führt über Bangkok durch den CCC-Dschungel (mit Tiger – vermutlich aus dem Circus Sarrasani) ins kambodschanische Angkor Wat. Die Fortsetzung bringt nicht nur ein paar schöne dokumentarische Bilder aus Südostasien, sondern gewinnt gegen Ende sogar ein wenig an Fahrt, wenn der bisher im Schatten der bösen Madame Latour stehende Wolfgang Preiss (auch schaupielerisch) die Initiative ergreift und sich an die Spitze der Schurkentruppe putscht. Wie man erwarten darf, ohne Erfolg: Die (gelbe) Gefahr wird gebannt – wir sind noch einmal davon gekommen.

R William Dieterle B Jo Eiseinger, Harald G. Petersson K Richard Angst M Roman Vlad A Willi Schatz, Helmut Nentwig S Ira Oberberg P Artur Brauner D Martha Hyer, Micheline Presle, Carlos Thompson, Wolfgang Preiss, Gino Cervi | BRD & F & I | 87 min | 1:1,37 | f | 24. Juni 1960

14.4.60

Herrin der Welt (Teil I) (William Dieterle, 1960)

Ein Film, in dem die Frisur der Hauptdarstellerin (Martha Hyer) auch nach einer Nuklearexplosion noch perfekt auf dem hübschen Köpfchen sitzt. Kurz zum Inhalt: Ein Professor (Gino ›Peppone‹ Cervi) entdeckt eine Art Weltformel, hinter der alle her sind – neben internationalen Geheimdienstlern (darunter Carlos Thompson und Lino Ventura) auch die Organisation einer gewissen Madame Latour (gepflegt-böse: Micheline Presle), die für die Meistbietenden (die Chinesen!) arbeitet. Der Professor wird durch die halbe Welt und eine Vielzahl wackelnder Kulissen geschleppt, um hinter den »Bambusvorhang« verscherbelt zu werden ... Artur ›Atze‹ Brauer lockte nach Fritz Lang mit William Dieterle einen weiteren Remigranten in die Spandauer CCC-Falle, um ihm einen der berüchtigten exotischen Zweiteiler des Hauses abzupressen. Das Ergebnis schwankt auf der nach allen Seiten offenen Kino-Skala zwischen hölzern und farblos.

R William Dieterle B Jo Eiseinger, Harald G. Petersson K Richard Angst M Roman Vlad A Willi Schatz, Helmut Nentwig S Jutta Hering P Artur Brauner D Martha Hyer, Micheline Presle, Carlos Thompson, Lino Ventura, Gino Cervi | BRD & F & I | 97 min | 1:1,37 | f | 14. April 1960

20.8.59

Blind Date (Joseph Losey, 1959)

Die tödliche Falle 

»We are having a party / Myself and I.« Fröhlich eilt der arme Schlucker Jan van Rooyer (Hardy Krüger) quer durch London zum Rendezvous mit seiner Geliebten. Als er ihr Apartment betritt, ist die Heißbegehrte noch nicht da. Statt ihrer erscheint die Polizei. Im Nebenzimmer wird die Leiche der Wohnungsbesitzerin gefunden. Jan bricht fassungslos zusammen und steht unter dringendem Verdacht, seine reiche Freundin mit einem Kissen erstickt zu haben … Joseph Loseys ambitionierter Versuch, aus billigem Whodunit-Stoff filmische Haute-Couture zu schneidern, gelingt insofern erstaunlich gut, als er die unlogische Intrige fast vollständig ignoriert, sich stattdessen auf die Charakterisierung der drei Prota­gonisten konzentriert: Jan, zorniger junger Künstler, idealistisch und impulsiv; Jacqueline (Micheline Presle), das Opfer (?), klassische Schönheit, glühend erkaltet an der Seite eines einflußreichen Mannes; Inspector Morgan (Stanley Baker), störrisch-brillanter Kriminalist, gesnobt von seinen gesellschaftlich gutvernetzten Kollegen – ein Holländer, eine Französin, ein Waliser, allesamt und jeder für sich gestrandet in einer fremden Umgebung, auf Grund gelaufen in ihrem Leben, gefangengesetzt in der eigenen Existenz. Losey entwickelt aus diesem Dreieck eine facettenreiche, visuell exakt durchkomponierte Studie der Einsamkeit, die Topographie einer Welt ohne wirkliche Nähe, ohne tiefe Berührung, ohne verstehenden Blick. Nicht von ungefähr ist »Blind (!) Date« ein Film der Spiegel – das reflektierende Glas wird zum bildlichen Ausdruck der gebrochenen Kommunikation zwischen den entzwei geschlagenen Menschen.

R Joseph Losey B Ben Barzman, Millard Lampell V Leigh Howard K Christopher Challis M Richard Rodney Bennett A Harry Pottle S Reginald Mills P David Deutsch D Hardy Krüger, Stanley Baker, Micheline Presle, Gordon Jackson, John Van Eyssen | UK | 95 min | 1:1,66 | sw | 20. August 1959

19.12.47

Les jeux sont faits (Jean Delannoy, 1947)

Das Spiel ist aus

»Nous sommes seuls au monde. Il FAUT nous aimer. C’est notre seule chance.« Eine feine Dame (Micheline Presle) wird von ihrem habsüchtigen Gatten vergiftet. Ein revolutionärer Arbeiter (Marcello Pagliero) stirbt durch die Kugel eines Verräters. Im Jenseits (das von einer nicht unsympathischen älteren Amtsträgerin beaufsichtigt wird und aussieht wie das Diesseits, abgesehen davon, daß sich neben den Lebenden auch die Toten dort tummeln) treffen die beiden Hingeschiedenen aufeinander und verlieben sich – man könnte beinahe sagen: unsterblich – ineinander. Aufgrund einer bürokratischen Ausnahmeregelung erhalten sie die Gelegenheit, für 24 Stunden in ihre irdischen Existenzen zurückzukehren, um die Kraft ihrer Liebe zu beweisen und so das Leben wiederzugewinnen … Jean Delannoys kühle Verfilmung eines Drehbuchs von Jean-Paul Sartre verschmilzt mondänes Salonstück, neoveristische Zitate, leise gesellschaftskritische Ironie und vages politisches Engagement zu einem, gestalterisch delikaten, transzendenten Melodram, zu einer Allegorie auf die unüberwindliche Isolation des Individuums in einer Welt divergierender Interessen. »Les jeux sont faits« = Das Spiel ist aus, und zwar noch bevor es begonnen hat: Die Chance auf gegenseitiges Vertrauen bleibt – angesichts der ganz persönlichen Verstrickungen jedes Einzelnen – rein theoretisch. Daß der Versuch, die Utopie zu realisieren, trotzdem immer wieder unternommen wird, spricht zwar nicht für die Intelligenz des Menschen, aber vielleicht für die Schönheit seiner Seele.

R Jean Delannoy B Jean-Paul Sartre, Jean Delannoy, Pierre Bost K Christian Matras M Georges Auric A Serge Pimenoff S Henri Taverna P Louis Wipf D Micheline Presle, Marcello Pagliero, Marguerite Moreno, Fernand Fabre, Charles Dullin | F | 91 min | 1:1,37 | sw | 19. Dezember 1947

12.9.47

Le diable au corps (Claude Autant-Lara, 1947)

Stürmische Jugend

Eine Liebe in den Zeiten des (Ersten Welt-)Krieges: Der Gymnasiast François (Gérard Philipe) und die nur wenig ältere Marthe (Micheline Presle), deren Mann im Felde steht, entbrennen füreinander (immer wieder läßt Regisseur Claude Autant-Lara die Flammen des Kaminfeuers durchs Bild züngeln) und ignorieren in ihrer bedingungslosen gegenseitigen Hingabe nicht nur – vollkommen auf sich fixiert – das große Völkersterben, sondern auch – offen und direkt – die Gesetze des bürgerlichen Anstands. Das Ende des Krieges bedeutet zugleich das Ende dieses moralischen (und körperlichen) Freiraums: In einer der stärksten Szenen des Films spielt, nachdem in einer Kneipe unter großem Jubel der Waffenstillstand verkündet wurde, ein schwarzer Pianist die Marseillaise; die anwesenden Soldaten und Zivilisten gefrieren in Ergriffenheit – die Kamera gleitet in einer langsamen Fahrt an diesen Wachsfiguren vorbei und endet in einer Nahaufnahme des versteinerten Liebespaares: »Voilà, c’est fini pour nous deux.« Selten scheint die Sonne in »Le diable au corps«, meist regnet es, fast immer ist Nacht – Autant-Lara erzählt (nach einem Drehbuch von Aurenche und Bost, basierend auf dem Roman des 17jährigen Raymond Radiguet) keine heitere, keine empfindsame Romanze, er schildert eine harte, eine bisweilen bittere Beziehung. Nicht nur das gesellschaftliche (und familiäre) Umfeld der Liebenden erfährt dabei eine Betrachtung von galligster Ironie, auch dem Paar selbst wird – bei aller Sympathie für die jugendliche Absolutheit ihrer Gefühle – die Seligsprechung verweigert: Oft genug kippen ihre Zärtlichkeit und ihr Ungestüm in (nach außen wie nach innen gerichtete) Herzlosigkeit und Brutalität. PS: »L'amour, qui est l'égoïsme à deux, sacrifie tout à soi, et vit de mensonges.«

R Claude Autant-Lara B Jean Aurenche, Pierre Bost, Claude Autant-Lara V Raymond Radiguet K Michel Kelber M René Cloërec A Max Douy S Madeleine Gug P Louis Wipf D Micheline Presle, Gérard Philip, Jean Debucourt, Denise Grey, Pierre Palau | F | 110 min | 1:1,37 | sw | 12. September 1947