26.11.42

Casablanca (Michael Curtiz, 1942)

Casablanca

Neben dem Marxschen Gesetz des Umschlagens von Quantität in Qualität gibt es auch das kinematographische Gesetz des Umschlagens von Lüge in Wahrheit. »Casablanca« ist so durch und durch falsch, so künstlich und konstruiert, so fern von sogenanntem Realismus, daß seine Authentizität kaum in Zweifel gezogen werden kann. Das Propaganda-Märchen vom zynisch-alkoholischen Gutmenschen Rick Blaine, der in einer verrückten Welt (Krieg, Nazis, Kollaboration, Widerstand, Sehnsucht, Liebe) den Überblick behält, persönliche Belange (= Ilsa Lund) souverän (aber ohne gefühllos zu sein) hintanstellt und Entscheidungen im Hinblick auf moralische und historische Notwendigkeiten trifft, funktioniert nicht nur als perfektes, hochemotionales Melodram, es ist ein (wenn nicht das) Destillat des Golden Age of Hollywood. Die Leistungen aller Beteiligten – angefangen beim Regisseur (Michael Curtiz) über die Stars (Humphrey Bogart und Ingrid Bergman), die Autoren (Epstein, Epstein & Koch) und den Komponisten (Max Steiner) bis hin zum bewegenden Stelldichein der Emigranten (Bois, Grüning, Henreid, Lorre, Szakall, Veidt – die Vertreter der »Echtheit« in diesem Film) – sind untadelig, aber erst der aus jeder Einstellung funkelnde genius of the system macht »Casablanca« zu einem der unsterblichen Sehnsuchtsorte des Kinos.

R Michael Curtiz B Julius J. Epstein, Philip G. Epstein, Howard Koch V Murray Burnett, Joan Alison K Arthur Edeson M Max Steiner A Carl Jules Weyl S Owen Marks P Hal B. Wallis D Humphrey Bogart, Ingrid Bergman, Paul Henreid, Claude Rains, Conrad Veidt | USA | 102 min | 1:1,37 | sw | 26. November 1942

6.11.42

Dr. Crippen an Bord (Erich Engels, 1942)

Erich Engels, seines Zeichens NSDAP-Mitglied und Regisseur zahlreicher Karl-Valentin-Filme, verlegt den aufsehenerregenden Fall des Arztes Dr. Hawley Crippen – der seine Ehefrau Cora vergiftete und sich sodann mit seiner, als Mann verkleideten, jungen Geliebten per Dampfer über den Atlantik absetzte – aus dem London des Jahres 1910 an einen nicht näher definierten europäischen Ort am Ende der 1920er Jahre; das gemeine Verbrechen mag dabei symbolisch für die angebliche moralische Entartung der sogenannten »Systemzeit« stehen. Engels, der immer wieder burleske Momente ins Krimigeschehen streut, gelingt es allerdings nur unvollkommen, Spannung zu erzeugen – allzu betulich plätschert die Handlung mit ihren wenig überraschenden Wendungen aus einem Varieté in eine Villa auf ein Linienschiff in einen Gerichtssaal … So beruht der Reiz von »Dr. Crippen an Bord« vor allem auf dem Darsteller der Titelrolle: Rudolf Fernau spielt den Mörder (der sich auf seiner Flucht ausgerechnet hinter der Maske eines Missionspriesters versteckt) als berechnendes Aas mit eiskaltem Charme und tückischer Kultiviertheit.

R Erich Engels B Kurt E. Walter, Erich Engels, Georg C. Klaren K Ernst Wilhelm Fiedler M Bernhard Eichhorn A Artur Günther, Willi Eplinius S Erich Palme P Alf Teichs D Rudolf Fernau, René Deltgen, Gertrud Meyen, O. E. Hasse, Paul Dahlke | D | 86 min | 1:1,37 | sw | 6. November 1942

# 915 | 6. November 2014