27.11.53

Ich und Du (Alfred Weidenmann, 1953)

Screwball-Schnulze, deren erstaunlich flotte Dialoge (Drehbuch: Herbert Reinecker) von Alfred Weidenmann kurzweilig in Szene gesetzt werden. Lilo Pulver als kesse Schallplattenverkäuferin, Hardy Krüger als adretter Mitarbeiter einer Fluggesellschaft: Die beiden pfeifen sich gegenseitig einen Schlager vor, verlieben sich darüber und heiraten; dann lernen sie sich kennen und lassen sich prompt wieder scheiden … Die Nachkriegszeit greift äußerlich nur mittelbar ins Geschehen ein, etwa in Form der allgemeinen Wohnungsknappheit, die das junge Paar auch nach der Trennung als Nachbarn in hellhörigen Nebenzimmern festhält; die innere Disposition der Protagonisten allerdings, die emotionale Sachlichkeit, die barsche Ungeduld in Gefühls- und Lebensfragen, gibt eine Ahnung von den (nicht nur) seelischen Verlusten, die diese Generation wenige Jahre zuvor erlitten hat. PS: Die Dramaturgie zeigt sich romantischer als die verbohrten Hauptfiguren und stiftet eine zweite (vielleicht bessere, eventuell verständnisvollere) Ehe.

R Alfred Weidenmann B Herbert Reinecker, Alfred Weidenmann V Christian Bock K Franz Weihmayr M Lothar Brühne S Erhard Hans Albrecht P F. A. Mainz, Willy Zeyn D Hardy Krüger, Liselotte Pulver, Lucie Mannheim, Claus Biederstaedt, Peer Schmidt | BRD | 94 min | 1:1,37 | sw | 27. November 1953

24.11.53

Wenn der weiße Flieder wieder blüht (Hans Deppe, 1953)

»Wie im Land der Märchen werden wir ein Pärchen, / Wenn der weiße Flieder wieder blüht.« Willy (Willy Fritsch) ist Sänger ohne Erfolg. Ein brotloser Künstler. Seine Frau Therese (Magda Schneider) ist Schneiderin. Näht Tag und Nacht, um Geld zu verdienen. Willy und Therese lieben sich. Streiten sich. Trennen sich entnervt nach einem Jahr Ehe. Therese bleibt im Lande. Bekommt ein Kind. Willy geht in die Welt. Macht Karriere. 15 Jahre später. Tochter Evchen (Romy Schneider) ist eine junge Dame. Willy kehrt als gefeierter Star zurück in die Heimat. Begleitet von seiner spitzzüngig-treuen Managerin Ellen. Er kommt, als Therese endlich ihren gutmütig-treuen Freund Peter heiraten will … Hans Deppe arrangiert launig-musikalisch allerlei romantische Verwicklungen und Verwerfungen; in jenem Zeitraum, den die Handlung des Films elegant überspringt, müßten ein Weltkrieg, ein Völkermord, eine bedingungslose Kapitulation stattgefunden haben. Kein Wort davon. »Ich habe inzwischen so viel erlebt. Wenn ich dir das erzähle«, sagt Therese beim Wiedersehen am immerdeutschen Rhein. »Das mußt du mir erzählen«, sagt Willy, »aber nicht jetzt.« Nein, nicht jetzt. Und später auch nicht. Bemerkenswert ist indes weniger das Verschweigen, das Verdrängen, das Beiseiteschieben von (Lebens-)Geschichte, erstaunlich wirkt die Auflösung der Erzählung: Nicht das alte Paar findet zusammen, sondern zwei neue. Die (heilige) Familie wird nicht zwangsvereinigt; was nicht paßt, wird nicht passend gemacht. Es scheint möglich, aus Fehlern zu lernen. Irgendwie. Immerhin.

R Hans Deppe B Eberhard Keindorff, Johanna Sibelius K Kurt Schulz M Franz Doelle A Alfred Bütow, Ernst Schomer, Peter Schlewski S Walter Wischniewsky P Kurt Ulrich D Willy Fritsch, Magda Schneider, Paul Klinger, Romy Schneider, Hertha Feiler | BRD | 99 min | 1:1,37 | f | 24. November 1953

6.11.53

Weg ohne Umkehr (Victor Vicas, 1953)

Victor Vicas’ Drama einer (doppelten) weltanschaulichen Entfremdung beginnt im Mai 1945 mit dem Einmarsch der Roten Armee ins zerstörte Berlin. Mit beinahe neorealistischer Rauhheit wird die kurze, aber folgenreiche Begegnung des sowjetischen Offiziers Mischa (Ivan Desny) und des deutschen Mädchens Anna (Ruth Niehaus) geschildert; als sich die beiden sieben Jahre später wiedertreffen – er als Mitglied einer Industriekommission, sie als Sekretärin des Ostberliner MGB-Chefs (alarmierend: René Deltgen) –, entdecken sie sehr zögerlich ihre Liebe (wieder), um alsbald in einen Strudel aus Angst, Intrige und Mißtrauen zu geraten, der ihnen nur eine Ausflucht läßt … Auch »Weg ohne Umkehr« nutzt zur Darstellung des dramatischen Zeitgeschehens Elemente der Kolportage und malt (vor allem gegen Ende der Erzählung) expressive Bilder der zerklüfteten Trümmerlandschaften, doch ist es vielleicht die erzwungenermaßen kosmopolitische Biographie des Regisseurs (Vicas, als Sohn jüdischer Eltern in Moskau geboren, wuchs in Berlin auf, emigrierte zunächst nach Paris, floh später nach New York, arbeitete nach dem Kriegsdienst in der US-Armee als Dokumentarfilmer in Italien, Israel und Frankreich), die eine, in den Tagen des Kalten Krieges seltene, unideologische Abgewogenheit ermöglicht (oder geradezu bewirkt). Das zurückhaltend-sensible Spiel Desnys (eines weiteren »Weltbürgers«) trägt gleichermaßen zur sachlichen Emotionalität des Werks bei.

R Victor Vicas B Gerhard T. Buchholz, Victor Vicas V Gregory Klimow K Klaus von Rautenfeld M Hans-Martin Majewski A Alfred Bütow, Ernst Schomer S Ira Oberberg P Gerhard T. Buchholz, Stuart Schulberg D Ivan Desny, Ruth Niehaus, René Deltgen, Karl John, Lila Kedrova | BRD | 95 min | 1:1,37 | sw | 6. November 1953

4.11.53

How to Marry a Millionaire (Jean Negulesco, 1953)

Wie angelt man sich einen Millionär?

CinemaScope, so Billy Wilder, sei ideal, um das Leben eines Dackels zu verfilmen. Daß man auch Frauen (etwa Bacall, Monroe und Grable) sehr dekorativ ins breite Bild legen kann, beweist Jean Negulesco mit seiner schicken New Yorker comedy of manners über drei ambitionierte Mannequins (›Schatze‹, ›Pola‹ und ›Loco‹) auf der Jagd nach dem Krösus fürs Leben: »All my life ever since I was a little girl I’ve always had the same dream: To marry a zillionaire.« Die Lust, das ausladende Format attraktiv zu füllen, triumphiert konsequent über das Interesse, die Story prägnant zu erzählen – und so geht »How to Marry a Millionaire« zwar optisch sehr wirkungsvoll in die Breite (Kamera: Joseph MacDonald), lotet inhaltlich jedoch kaum in die Tiefe. PS: »I want to marry Rockefeller.« – »Which one?« – »I don't care.«

R Jean Negulesco B Nunnally Johnson V Zoe Akins, Dale Eunson, Katherine Albert K Joseph MacDonald M Cyril Mockridge A Leland Fuller, Lyle Wheeler S Louis R. Loeffler P Nunnally Johnson D Lauren Bacall, Marily Monroe, Betty Grable, Cameron Mitchell, William Powell | USA | 95 min | 1:2,35 | f | 4. November 1953

3.11.53

Tokyo monogatari (Yasujiro Ozu, 1953)

Die Reise nach Tokyo

Ein letzter Besuch –
Eltern und Kinder kennen
einander nicht mehr.

R Yasujiro Ozu B Kogo Noda, Yasujiro Ozu K Yuharu Atsuta M Kojun Saito A Tatsuo Hamada, Itsuo Takahashi S Yoshiyasu Hamamura P Takeshi Yamamoto D Chishu Ryu, Chieko Higashiyama, Setsuko Hara, Haruko Sugimura, So Yamamura | JP | 136 min | 1:1,37 | sw | 3. November 1953

2.11.53

The Man Between (Carol Reed, 1953)

Gefährlicher Urlaub

»Börlin is e stränsch, lardsch sitti. Sär ar männi riesns wei e jang görl kutt simpli vänisch fromm se striets.« (Aribert Wäscher als fetter, baskenbemützter Stasi-Scherge zu Claire Bloom in der Rolle einer abenteuerlustigen, britischen Unschuld.) Carol Reed wollte offenbar einen zweiten »The Third Man« in einer anderen Vier-Sektoren-Stadt drehen: Berlin statt Wien, James Mason statt Orson Welles, Hildegard Knef statt Alida Valli. Leider war Graham Greene nicht mit von der Partie – und so stehen lediglich ein paar Trümmer sehr dekorativ (Kamera: Desmond Dickinson) um ein ziemlich abgezehrtes Melodram (Buch: Harry Kurnitz) herum. Die trostlosen Impressionen aus der schneebedeckten Kapitale des Kalten Krieges sind immerhin stark genug, das Interesse an der – trotz einiger philosophistischer Dialoge gänzlich diesseitigen – Illustriertenstory um Menschenraub und Erpressung, politisch-moralischen Katzenjammer und systemübergreifende Liebe bis zum bitteren Ende wachzuhalten. »Are your feet cold?« – »Yes, and my hands are cold. Your heart is the coldest of all.«

R Carol Reed B Harry Kurnitz K Desmond Dickinson M John Addison A Andrej Andrejew S Bert Bates P Carol Reed D James Mason, Clair Bloom, Hildegard Knef, Aribert Wäscher, Ernst Schröder, Geoffrey Toone | UK | 100 min | 1:1,37 | sw | 2. November 1953