Fast 15 Jahre lang lag Konrad Wolfs Urangräberdrama auf Eis, bevor es seine Uraufführung erleben durfte. Zu ungeschminkt vielleicht schildert »Sonnensucher« die rauhe Atmosphäre der beschwerlichen Suche nach dem strahlenden Erz, zu offen möglicherweise spricht der Film von den Konflikten zwischen deutschen Arbeitern und sowjetischen Offizieren, die den Rohstoff für Stalins Bombe herbeischaffen sollen: Felsach, das (fiktive) erzgebirgische Bergbaustädtchen mit seinen schlammigen Straßen und hölzernen Baracken, mit seinen platzhirschhaften Rivalitäten und handgreiflichen Vergnügungen gleicht eher einer Westernkulisse als einem Ort, an dem der Sozialismus aufgebaut wird. Die Perspektive der Erzählung ist mehrfach gebrochen – im Mittelpunkt steht mal der »starke Mann« und Herzenskommunist Jupp (Erwin Geschonneck), dann wieder das herumgeschubste Waisenmädchen Lutz (Ulrike Germer), das zwischen drei Männer gerät: einen lieben, aber unbedarften Kumpel, einen sensiblen russischen Ingenieur und einen reizbaren, geistig wie heimatlich entwurzelten Obersteiger (Günther Simon) – deren diffizilen Charakteren Drehbuch und Regie allesamt verstehend Rechnung tragen. Von gelegentlichen agitatorischen Ausführungen unterbrochen, glückt Wolf ein formal beherrschtes, zwar strikt parteiliches, dabei aber inhaltlich nuanciertes Kaleidoskop des mühevollen Neuanfangs, der menschlichen (und politischen) Widersprüche, des ehrgeizigen Vorhabens, die nachkriegerische Unordnung in ein neues Gleichmaß zu bringen.
R Konrad Wolf B Karl Georg Egel, Paul Wiens K Werner Bergmann M Joachim Werzlau, Hans-Dieter Hosalla A Karl Schneider S Christa Wernicke P Hans-Joachim Schoeppe D Ulrike Germer, Erwin Geschonneck, Günther Simon, Manja Behrens, Wiktor Awdjuschko | DDR | 116 min | 1:1,37 | sw | 27. März 1972
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27.3.72
29.12.60
Silvesterpunsch (Günter Reisch, 1960)
»Wir singen euch das Lied vom Calciumcarbid: Die Welt wird schön wie nie. / Wir zaubern mit Chemie, / denn jetzt wird poly-polymerisiert …« Die Fortsetzung der frühlingshaften Defa-Chemie-Posse »Maibowle« spielt winterlich-verschneit (dabei strikt herzerwärmend) zum Jahreswechsel und muß dramaturgisch (neben dem begeisterten Ausblick aufs Plastikzeitalter) auch noch das sozialistische Programm zur massenhaften Leibesertüchtigung (»Jedermann an jedem Ort – einmal in der Woche Sport!«) angemessen verarbeiten. Im Mittelpunkt steht wiederum die archetypische Arbeiter-Familie Lehmann, deren Sprößlinge zwar leistungsmäßig überzeugen (111%ige Planerfüllung!), aber charakterlich entweder zu sportlich oder zu kulturell geraten sind – am Ende gelingt die Synthese der Extreme in Form einer kunterbunten, wissenschaftlich-technischen Eisrevue, die nur knapp am gehobenen Fortschrittssurrealismus des Queneau-/Resnaisschen Geniestreichs »Le chant du styrène« vorbeischrammt: »Die Mädchen tanzen jetzt Moleküle, vereinen sich dann zu Äthylen, aber alles entscheidend ist die Polymerisation.« Noch Fachfragen?
R Günter Reisch B Marianne Libera, Gerhard Weise K Karl Plintzner M Helmut Nier A Paul Lehmann S Hildegard Conrad P Hans Mahlich D Erich Franz, Friedel Nowack, Erika Dunkelmann, Christel Bodenstein, Ernst-Georg Schwill | DDR | 91 min | 1:1,37 | f | 29. Dezember 1960
R Günter Reisch B Marianne Libera, Gerhard Weise K Karl Plintzner M Helmut Nier A Paul Lehmann S Hildegard Conrad P Hans Mahlich D Erich Franz, Friedel Nowack, Erika Dunkelmann, Christel Bodenstein, Ernst-Georg Schwill | DDR | 91 min | 1:1,37 | f | 29. Dezember 1960
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Reisch,
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9.7.48
Grube Morgenrot (Erich Freund & Wolfgang Schleif, 1948)
Es weht noch viel Ufa-Flair durch die Inszenierung des ersten Defa-Films, der sich ganz der Schilderung von Proletarierschicksalen verschreibt – rhetorisches Pathos, idealisierende Kameraarbeit und schmetternde Musikbegleitung werden auch nach der historischen Katastrophe ganz selbstverständlich zum Einsatz gebracht. Das Stück selbst kündet indes von einer neuen Zeit. Es beginnt kurz nach dem Krieg, in der arg ramponierten Grube Morgenrot im Erzgebirge: Arbeiter übernehmen das Regiment – und erinnern sich an die (kurze) Zeitspanne, als sie schon einmal Grubenherren waren. 1931, während der Weltwirtschaftkrise, hatten die Bergleute den (damals unwirtschaftlichen) Betrieb von den Zechenbesitzern geschenkt bekommen (und nach 71 Tagen wieder verloren) … Den Regisseuren Erich Freund und Wolfgang Schleif (der sein Handwerk als Cutter und Assistent von Veit Harlan lernte) gelingt es, trotz gelegentlicher Phraseologie, sehr überzeugend, die harten Lebens- und Arbeitsbedingungen der Kumpel und den verzweifelten, ja selbstmörderischen Kampf der Hauer, Stößer, Schrämer gegen die Schließung ihres Bergwerks, gegen die Vernichtung ihrer Existenz anschaulich zu gestalten. Zentralfigur der (auf tatsächlichen Ereignissen beruhenden) Erzählung ist ein junger Steiger (Claus Holm), der als einziger darauf beharrt, daß es nur besser werden kann, wenn sich die (Besitz-)Verhältnisse insgesamt ändern, wenn Rentabilität und Sicherheit keinen Widerspruch mehr darstellen. Am Ende darf er mahnend aber zukunftsfroh verkünden: »Arbeiten müssen wir mehr denn je, denn ihr wißt ja, was heute die Kohle bedeutet. Für uns bedeutet sie Schweiß und Brot, für unser Volk Arbeit und besseres Leben, und daß sie Frieden bedeutet, das soll unser aller Sorge sein.«
R Erich Freund, Wolfgang Schleif B Joachim Barckhausen, Alexander Graf Stenbock-Fermor K Ernst Wilhelm Fiedler M Wolfgang Zeller A Franz F. Fürst S Hermann Ludwig P Adolf Hannemann D Claus Holm, Karl Hellmer, Arno Paulsen, Gisela Trowe, Lotte Loebinger | D (O) | 88 min | 1:1,37 | sw | 9. Juli 1948
R Erich Freund, Wolfgang Schleif B Joachim Barckhausen, Alexander Graf Stenbock-Fermor K Ernst Wilhelm Fiedler M Wolfgang Zeller A Franz F. Fürst S Hermann Ludwig P Adolf Hannemann D Claus Holm, Karl Hellmer, Arno Paulsen, Gisela Trowe, Lotte Loebinger | D (O) | 88 min | 1:1,37 | sw | 9. Juli 1948
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