7.12.56

Der Hauptmann von Köln (Slatan Dudow, 1956)

Köln, in den Jahren des Wirtschaftwunders. Die Neonreklamen blinken, aber der arbeitslose Kellner Hans Albert Hauptmann (Rolf Ludwig) kriecht auf dem Zahnfleisch. Als er bei einem verschwitzten Kameradschaftsabend ehemaliger Wehrmachtssoldaten mit einem gewissen Hauptmann Hans Albert verwechselt wird, schlüpft er, ohne lange zu fackeln, in die Rolle des totgeglaubten Offiziers. Während der echte Hauptmann (Erwin Geschonneck), der sich wegen einiger häßlicher Kriegsverbrechen totstellen mußte, als Untermieter bei seiner eigenen Witwe lebt, wird der falsche Hauptmann von den Herren (und Damen) der Bonner Republik empfangen wie ein verlorener Sohn – und macht steile Karriere: Personalchef bei der Montan AG, Bundestagsabgeordneter, Staatssekretär in spe … Schon in »Frauenschicksale« zeigte Defa-Regisseur Slátan Dudow ein Faible für die cartooneske Ausmalung westlicher Lebensform; »Der Hauptmann von Köln«, eine grelle Politfarce, ein antifaschistisches Graubuch in Agfacolor, bietet ihm Gelegenheit, seiner filmisch-satirischen Leidenschaft ausgiebig zu frönen. (Vielleicht etwas zu ausgiebig – ein wenig Straffung hätte dem Werk nicht geschadet.) Wo das Adenauer-Kino (wenn überhaupt) höchstens kabarettistische Anspielungen auf bestimmte Entwicklungen im eigenen Lande wagt, läßt Dudow in Oskar Pietschs phantastisch-realistischen Studiobauten ein naturgetreu überzeichnetes Panoptikum bundesdeutscher Typen aufmarschieren: klüngelnde Amtsträger und zielbewußte Wirtschaftkapitäne, willig-fordernde society girls und alte Kämpen, die explosive Morgenluft wittern. Ob es sich dabei um die tendenziöse Verzerrung bedauerlicher Einzelfälle oder um das schonungslose Abbild symptomatischer Erscheinungen handelt, mag der Betrachter, je nach Standpunkt, selbst entscheiden.

R Slátan Dudow B Michael Tschesno-Hell, Henryk Keisch, Slátan Dudow K Werner Bergmann, Helmut Bergmann M Wilhelm Neef A Oskar Pietsch S Lena Neumann P Adolf Fischer D Rolf Ludwig, Erwin Geschonneck, Christel Bodenstein, Kurt Steingraf, Marie-Luise Etzel | DDR | 118 min | 1:1,37 | f | 7. Dezember 1956

6.12.56

Hollywood or Bust (Frank Tashlin, 1956)

Alles um Anita

»Land of stardust and land of glamour / Vistavision and cinerama.« Eine Hommage an das Kino und seine Klischees: Während die Credits laufen, posiert eine blonde Pin-up-Walküre (Anita Ekberg) in wechselnden Kostümen standbildhaft vor diversen Tinseltown-Szenerien – Hotels, Palmen, Restaurants, Studiokulissen. So statuarisch wie das Opening gestaltet sich auch der weitere Verlauf des Werks, obschon der (dünne) Erzählfaden einer Reisebewegung quer durch die Vereinigten Staaten folgt. In New York gewinnen der eingefleischte Filmfan Malcolm Smith (Jerry Lewis) und das ausgekochte Schlitzohr Steve Wiley (Dean Martin) – der eine ehrlich, der andere betrügerisch – zu gleichen Teilen den Hauptpreis einer Lotterie: ein feuerrotes Cabriolet. Gemeinsam macht sich das ungleiche Paar auf den Weg nach Westen: Malcolm will (in Begleitung der wachsamen Dogge Mr. Bascomb) seiner Abgöttin Anita in Hollywood einen Besuch abstatten, wogegen Steve die Luxuskarosse unterwegs zu versilbern gedenkt, um Schulden zu begleichen ... Regisseur Frank Tashlin bedient sich einer Art Schnappschuß-Dramaturgie, die das touristisch-musikalische Roadmovie um Starkult, Glück(sspiel) und Freundschaft (dem keine weitere Martin-Lewis-Komödie folgen wird) in eine unterhaltsame Reihe von gag cartoons und comicstripkurzen Absurdramoletten zerlegt.

R Frank Tashlin B Erna Lazarus K Daniel Fapp M Walter Scharf A Hal Pereira, Henry Bumstead S Howard A. Smith P Hal B. Wallis D Dean Martin, Jerry Lewis, Pat Crowley, Maxie Rosenbloom, Anita Ekberg | USA | 95 min | 1:1,85 | f | 6. Dezember 1956

# 1072 | 3. September 2017

1.12.56

The Girl Can't Help It (Frank Tashlin, 1956)

Schlagerpiraten

»A story about music … and love … and marriage.« ›Fats‹ Murdock, ein crook, der sein Vermögen mit Spielautomaten machte (Edmond O’Brien), will heiraten – und zwar einen Star. Da die Auserwählte völlig unbekannt ist, beauftragt der Ganove den alkoholischen Agenten Tom Miller (Tom Ewell), sie zum Star zu machen, denn: »How can I marry a nobody?« Das Objekt der Verwandlung ist die sexbombige Platinblondine Jayne Mansfield (die aussieht (und spielt), als hätte der frühere Animationsregisseur Frank Tashlin sie direkt aus einem seiner Zeichentrickfilme importiert) – dabei wäre das Busenwunder viel lieber Ehefrau und Mutter, »but no one thinks I’m equipped for motherhood«. Tashlin nutzt die betont törichte Erzählung (»in the grandeur of CinemaScope and in gorgeous, lifelike colours of DeLuxe«) nicht nur als Trägerfolie für Auftritte von taufrischen Rock’n’Roll-Performern (Little Richard, Fats Domino, Eddie Cochran, Gene Vincent), sondern vor allem um sich über Teenager-Kultur, Sexsymbolismus sowie blinden Hunger nach Ruhm lustig zu machen – und um Spielfilmbilder in Cartoons zu verwandeln: Wenn Mansfield ihre ausladenden Formen eine Straße hinunterbewegt, schmilzt dem Eismann das Eis auf dem Wagen, schäumt dem Milchmann die Milch aus den Flaschen, zerplatzen dem Nachbarn die Brillengläser: »If she walks by, the men folks get engrossed / She can’t help it, the girl can’t help it.«

R Frank Tashlin B Frank Tashlin, Herbert Baker V Garson Kanin K Leon Shamroy M diverse A Leland Fuller, Lyle R. Wheeler S James B. Clark P Frank Tashlin D Tom Ewell, Jayne Mansfield, Edmond O’Brien, Julie London, Henry Jones | USA | 99 min | 1:2,35 | f | 1. Dezember 1956