26.8.70

La rupture (Claude Chabrol, 1970)

Der Riß

Hélène (Stéphane Audran als Jeanne d’Arc der Mittelklasse) flieht vor ihrem irren Mann Charles, Sproß aus reichem (= bösen) Hause, der im Wahn den gemeinsamen Sohn töten wollte. Charles’ Vater (Michel Bouquet als distinguierte Kanaille) hetzt der verachteten Schwiegertochter den Schergen Paul (Jean-Pierre Cassel als aasiger Söldner des Kapitals) auf den Hals, der mit allen notwendigen Mitteln Hélènes Ruf zerstören soll – auf daß man ihr das Kind nehmen könne und sie zugrunde gerichtet werde. Claude Chabrols bourgeoiser Grand Guignol schwelgt in schmierigen Intrigen, berauscht sich an gnadenlos überzeichneten Figuren, knallt eine Welt auf die melodramatische Bühne (eine pension de famille – welche Ironie!), die stinkt vor Geld und Sex und Schnaps. Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch: Das Schicksal in Gestalt dreier kartenspielender alter Weiber (unter ihnen Margo Lion, das Idol von Marlene Dietrich) und der liebe Gott in Person eines Luftballonverkäufers stehen der engelhaft schimmernden Hélène zur Seite in ihrem Kampf gegen die gutbürgerlichen Mächte der Zerstörung.

R Claude Chabrol B Claude Chabrol V Charlotte Armstrong K Jean Rabier M Pierre Jansen A Guy Littaye S Jacques Gaillard P André Genovès D Stéphane Audran, Jean-Pierre Cassel, Michel Bouquet, Michel Duchaussoy, Annie Cordie | F & I & B | 124 min | 1:1,66 | f | 26. August 1970

3.8.70

Performance (Nicolas Roeg & Donald Cammell, 1970)

Performace

»It’s time for a change.« Chas (James Fox), ein gewalttätiger Narziß mit verschwommener sexueller Vergangenheit, im Syndikat eines East-End-Gangsters zuständig für Inkasso und Einschüchterung, doch nach der tödlich endenden Auseinandersetzung (»I am a bullet.«) mit einem Kollegen und vermutlichen Exlover beim Boß in Ungnade gefallen, sucht Zuflucht im Domizil des retirierten Popstars Turner (!) (Mick Jagger) und seiner beiden Freundinnen. Durch die psychedelisch-arabesken, labyrinthisch-tageslichtlosen Interieurs des Hauses lassen die Koregisseure Nicolas Roeg (auch Kamera) und Donald Cammell (auch Drehbuch) einen wimmernder Nachhall des kulturrevolutionären Swinging London wehen. Vor Spiegelwänden zersplittern in drogengeschwängerter Atmosphäre Gewißheiten und Regeln (»Nothing is true. Everything is permitted.«), verwischen vorgebliche Identitäten (»I know who I am.« – »Of course you do.«) ... Am Beispiel der sonderbaren (wiederum tödlich endenden) Begegnung von Kunstwelt und Unterwelt offenbart sich die Illusion von Normalität – Persönlichkeit wird zum Image, Geschlecht zur Variablen, Leben zum (bisweilen blutigen) Rollenspiel: »Well, I perform.« – »I bet you do.«

R Nicolas Roeg, Donald Cammell B Donald Cammell K Nicolas Roeg M Jack Nitzsche A John Clark S Antony Gibbs, Brian Smedley-Aston P Sanford Lieberson D James Fox, Mick Jagger, Anita Pallenberg, Michèle Breton, Johnny Shannon | UK | 105 min | 1:1,66 | f | 3. August 1970

# 1066 | 31. Juli 2017