23.2.56

Ein Herz schlägt für Erika (Harald Reinl, 1956)

»Glück kann man nicht erzwingen, aber man kann es adoptieren.« Eine lupenreine Schnulze, von Harald Reinl nicht ohne gemütvollen Witz inszeniert. Anna Hartwig (Grethe Weiser) führt mit fester Hand und weichem Herzen ein traditionsreiches Bauunternehmen. Die Firma prosperiert (kein Wunder in Zeiten des Wiederaufbaus), und doch fehlt der patenten Geschäftsfrau, der allseits beliebten Chefin etwas Entscheidendes zum Lebensglück: ein Kind. Einen Mann, der es ihr machen könnte, ziehen weder die alleinstehende Anna noch die Autoren des Films in Erwägung – also holt sich die verhinderte Mutter ein Waisenmädchen ins Haus. Die kleine Erika Kayser (Christine Kaufmann), zuckersüß, aufgeweckt und genügsam, hätte darob allen Grund zur Freude, müßte sie nicht ihre drei ebenso reizenden Brüder im Kinderheim zurücklassen … Natürlich bekommen am Ende des possierlichen Rührstücks alle genau das, was sie sich inniglich wünschen, natürlich geht die Haupthandlung (gewürzt mit ein paar Intrigen, einigen Slapstick-Einlagen und viel Sentimentalität) weitgehend absehbar vonstatten, aber Reinl dreht netterweise auch die eine oder andere überflüssige Pirouette – etwa indem er amüsierte Seitenblicke auf einen verliebten Lebensmittelhändler wirft, der sein Herz in Form von Harzer Käse verschenkt.

R Harald Reinl B Maria von der Osten-Sacken, Walter Forster K Erich Claunigk M Lother Brühne A Willi A. Herrmann, Heinrich Weidemann S Johanna Meisel P Maria von der Osten-Sacken D Christine Kaufmann, Grethe Weiser, Gert Fröbe, Ingrid Stenn, Wolfgang Büttner | BRD | 92 min | 1:1,37 | sw | 23. Februar 1956

# 914 | 18. Oktober 2014

16.2.56

Ein Mädchen aus Flandern (Helmut Käutner, 1956)

»… wie strapaziös es ist, ein Mensch zu sein.« Im Herbst 1914 trifft der deutsche Soldat und Generalssohn Alexander Haller (Maximilian Schell) im Gasthof eines flandrischen Dorfes das Mädchen Angeline (Nicole Berger), die er Engele nennt – Beginn einer Liebe in den Zeiten des Krieges. Immer wieder werden die beiden, zum Teil jahrelang, voneinander getrennt, immer wieder treffen sie zusammen, schließlich, Ende Oktober 1918, in Brüssel, wo Engele als Zigarettenfräulein in einem Offiziersbordell gelandet ist, und Alexander in die Aktivitäten einer Widerstandsgruppe verwickelt wird … Einmal mehr schildert Helmut Käutner, stets teilnehmend, hin und wieder etwas deklamatorisch, eine innige Bindung, die vom Sturm äußerer Ereignisse umtost wird, zeigt das obligate romantische Nachtlager in einer Scheunenkammer, das schwärmerische Erkennen über Sprachgrenzen und Fronten hinweg, erzählt von der Unschuld, an der die Gemeinheit wesensgemäß abperlt, vom verfluchten, kostbaren Idealismus, Todesdroge für die einen, Lebenselixier für die anderen. Dabei gelingen Käutner ganz unsentimentale, überaus anschauliche Genreszenen: ein verschwitzter Schwof im rustikalen Wirtshaus »Zu den Paradiesäpfeln«, die fanatische Lustigkeit im plüschigen Edelpuff »La Gaîté«, ein bizarres Kriegsgerichtsverfahren im Angesicht der Niederlage, der ruhmlose Abzug der deutschen Besatzungstruppen an einem trüben Novembertag. Neben Schells verklärter Beherztheit und Bergers spröder Natürlichkeit gestalten Victor de Kowa, Gert Fröbe und Friedrich Domin lebendige Nebenfiguren: einen undurchsichtigen Mittelsmann, eine lärmige Etappensau, einen in militärischem Denken befangenen, hilflos liebenden Vater.

R Helmut Käutner B Heinz Pauck, Helmut Käutner V Carl Zuckmayer K Friedel Behn-Grund M Bernhard Eichhorn A Emil Hasler S Anneliese Schönnenbeck P Herbert Uhlich D Nicole Berger, Maximilian Schell, Victor de Kowa, Friedrich Domin, Anneliese Römer, Gert Fröbe | BRD | 108 min | 1:1,37 | sw | 16. Februar 1956

# 889 | 28. Juni 2014