Die Dame ohne Kamelien
Eine sarkastische Betrachtung des Filmgeschäfts, ein trauriger Blick auf die Liebe: Am Verkaufstresen eines Mailänder Stoffgeschäfts wird die junge, hübsche Clara Matti (Lucia Bosè) von Produzent Gianni Franchi für die Leinwand rekrutiert. Das erfolgreiche Debüt in einem zweitklassigen Streifen eröffnet ihr die Aussicht auf eine belanglose Karriere als Trivialkino-Star. Gianni, der seine Entdeckung vom Fleck weg heiratet, hat indes Größeres vor: Clara soll die Jeanne d’Arc spielen. Das ambitionierte Unternehmen gerät zum Fiasko … Es ist ein durch und durch falsches Leben, in das Clara fällt wie in einen glänzenden Alptraum. In dieser Welt der oberflächlichen Gefühle, der inneren Leere, der stumpfen Geschäftigkeit sucht sie orientierungslos nach sich selbst, doch keiner ihrer Ausbruchsversuche führt an ein Ziel: nicht die Schauspielstunden, die sie nimmt, nicht die Affäre, auf die sie sich einläßt, nicht die Flucht aus ihrer riesigen Villa, nicht die Trennung von ihrem Mann. Wenn sie im eleganten schwarzen Kostüm oder im wadenlangen Pelzmantel verloren in halbfertigen Studiobauten steht oder durch öde Vorstadtstraßen läuft, wirkt die »Dame ohne Kamelien« wie eine Vorgängerin der ungeborgenen Frauenfiguren, denen Antonioni in »L’avventura«, »La notte«, »L’eclisse« und »Il deserto rosso« folgen wird. »La donna senza destino« heißt einer der billigen Filme, in denen die Clara reüssiert – am Ende fügt sie sich in ihr Schicksal. »Das ist dein Reich«, verkündet ihr ein fetter Produzent und weist mit großer Geste auf eine schäbige Kulisse. Clara weint. Und lächelt für die Fotografen.
R Michelangelo Antonioni B Michelangelo Antonioni, Suso Cecchi D’Amico, Francesco Maselli, Pier Maria Pasinetti K Enzo Serafin M Giovanni Fusco A Gianni Polidori S Eraldo Da Roma P Domenico Forges Davanzati D Lucia Bosè, Andrea Checchi, Ivan Desny, Gino Cervi, Alain Cuny | I & F | 105 min | 1:1,37 | sw | 26. Februar 1953
# 927 | 30. Dezember 2014
25.2.53
Les vacances de Monsieur Hulot (Jacques Tati, 1953)
Die Ferien des Monsieur Hulot
Scènes de la vie des vacances: ein beschaulicher Ferienort an der französischen Atlantikküste – das Meer und der Strand, das Hôtel de la Plage mit seinen Angestellten und Gästen. Einer der Touristen ist Monsieur Hulot, ein schlaksiger Sonderling, der wie ein unbeholfen-gutmütiger Außerirdischer über die unbewölkte Sommerbühne stakst. Jacques Tati bietet keine Handlung, keine Psychologie, keine Entwicklung, er blättert ein Album auf, skizziert Typen, beobachtet Situationen, macht sich diskret lustig über Gewohnheiten und Eigenarten, über Verhaltensweisen und die kleinen Absurditäten des Lebens. Bei aller Freude an visuellen Gags – ein Reifenschlauch verwandelt sich in einen Trauerkranz, Hulots dilettantisch-eckiges Tennisspiel fegt reihenweise erfahrene Sportler von Platz, ein in der Mitte durchgebrochenes Ruderboot wird zum Maul eines Riesenhais, Hulot unternimmt hilflose Versuche, ein versehentlich entzündetes Feuerwerk zu löschen – richtet Tati seine besondere Aufmerksamkeit auf Geräusche, die immer wieder absurde Komik entfalten: unverständliche Lautsprecherdurchsagen auf einem Bahnhof, denen die Reisenden folgen wie die Lemminge, eine quäkende Hupe, die schon mal einen schießwütigen Entenjäger auf Hochtouren bringt, das beängstigende Schnauben von Pferden, das gleichmütige Klappen einer Schwingtür. In die sonnige Heiterkeit mischt sich fast unmerklich eine gewisse Melancholie: Die Saison geht zu Ende, die Gesellschaft der Urlauber zerstreut sich, und der freundliche Kauz Hulot reist so alleine ab, wie er gekommen ist.
R Jacques Tati B Jacques Tati, Henri Marquet, Pierre Aubert, Jacques Lagrange K Jacques Mercanton, Jean Mousselle M Alain Romans A Henri Schmitt S Suzanne Baron, Charles Bretoneiche, Jacques Grassi P Fred Orain D Jacques Tati, Nathalie Pascaud, Micheline Rolla, Valentine Camax, Lucien Frégis | F | 114/88 min | 1:1,37 | sw | 25. Februar 1953
# 930 | 5. Januar 2015
Scènes de la vie des vacances: ein beschaulicher Ferienort an der französischen Atlantikküste – das Meer und der Strand, das Hôtel de la Plage mit seinen Angestellten und Gästen. Einer der Touristen ist Monsieur Hulot, ein schlaksiger Sonderling, der wie ein unbeholfen-gutmütiger Außerirdischer über die unbewölkte Sommerbühne stakst. Jacques Tati bietet keine Handlung, keine Psychologie, keine Entwicklung, er blättert ein Album auf, skizziert Typen, beobachtet Situationen, macht sich diskret lustig über Gewohnheiten und Eigenarten, über Verhaltensweisen und die kleinen Absurditäten des Lebens. Bei aller Freude an visuellen Gags – ein Reifenschlauch verwandelt sich in einen Trauerkranz, Hulots dilettantisch-eckiges Tennisspiel fegt reihenweise erfahrene Sportler von Platz, ein in der Mitte durchgebrochenes Ruderboot wird zum Maul eines Riesenhais, Hulot unternimmt hilflose Versuche, ein versehentlich entzündetes Feuerwerk zu löschen – richtet Tati seine besondere Aufmerksamkeit auf Geräusche, die immer wieder absurde Komik entfalten: unverständliche Lautsprecherdurchsagen auf einem Bahnhof, denen die Reisenden folgen wie die Lemminge, eine quäkende Hupe, die schon mal einen schießwütigen Entenjäger auf Hochtouren bringt, das beängstigende Schnauben von Pferden, das gleichmütige Klappen einer Schwingtür. In die sonnige Heiterkeit mischt sich fast unmerklich eine gewisse Melancholie: Die Saison geht zu Ende, die Gesellschaft der Urlauber zerstreut sich, und der freundliche Kauz Hulot reist so alleine ab, wie er gekommen ist.
R Jacques Tati B Jacques Tati, Henri Marquet, Pierre Aubert, Jacques Lagrange K Jacques Mercanton, Jean Mousselle M Alain Romans A Henri Schmitt S Suzanne Baron, Charles Bretoneiche, Jacques Grassi P Fred Orain D Jacques Tati, Nathalie Pascaud, Micheline Rolla, Valentine Camax, Lucien Frégis | F | 114/88 min | 1:1,37 | sw | 25. Februar 1953
# 930 | 5. Januar 2015
9.2.53
Sommaren med Monika (Ingmar Bergman, 1953)
Die Zeit mit Monika
Freiheit ist ein großes Wort, das alle gern im Munde führen. Doch was heißt es, frei zu sein? Für Monika, ein 18jähriges Mädchen aus tristen Stockholmer Verhältnissen, heißt es: den stupiden Job zu schmeißen, sich einen Freund (Lars Ekborg) anzulachen, mit ihm durchzubrennen, den Sommer auf einem Boot in den Schären zu verbringen, nackt über Felsen zu springen, Essen zu klauen, ein Kind zu wollen und zu kriegen – und dann den Mann und das Kind zu verlassen, weil alles so trist und stupide ist. Freiheit heißt (in diesem Fall), im Augenblick zu leben, die Konsequenzen weder zu bedenken noch zu tragen, bei sich zu sein, egal ob es Glück oder Unglück für einen selbst oder andere bedeutet. Monika (vulgär-vital: Harriet Andersson) stößt ab und zieht an, macht sich unmöglich und bleibt verlockend dabei. Und wenn Ingmar Bergman sie, zu den Klängen einer Musicbox, eine unglaubliche halbe Minute lang durch das Objektiv der Kamera dem Publikum direkt in die Augen blicken läßt, mag wohl keiner mehr einen Stein nach ihr werfen.
R Ingmar Bergman B Ingmar Bergman, Per Anders Fogelström K Gunnar Fischer M Erik Nordgren A P. A. Lundgren S Tage Holmberg, Gösta Lewin P Allan Ekelund D Harriet Andersson, Lars Ekborg, Dagmar Ebbesen, Åke Fridell, Naemi Briese | S | 96 min | 1:1,37 | sw | 9. Februar 1953
Freiheit ist ein großes Wort, das alle gern im Munde führen. Doch was heißt es, frei zu sein? Für Monika, ein 18jähriges Mädchen aus tristen Stockholmer Verhältnissen, heißt es: den stupiden Job zu schmeißen, sich einen Freund (Lars Ekborg) anzulachen, mit ihm durchzubrennen, den Sommer auf einem Boot in den Schären zu verbringen, nackt über Felsen zu springen, Essen zu klauen, ein Kind zu wollen und zu kriegen – und dann den Mann und das Kind zu verlassen, weil alles so trist und stupide ist. Freiheit heißt (in diesem Fall), im Augenblick zu leben, die Konsequenzen weder zu bedenken noch zu tragen, bei sich zu sein, egal ob es Glück oder Unglück für einen selbst oder andere bedeutet. Monika (vulgär-vital: Harriet Andersson) stößt ab und zieht an, macht sich unmöglich und bleibt verlockend dabei. Und wenn Ingmar Bergman sie, zu den Klängen einer Musicbox, eine unglaubliche halbe Minute lang durch das Objektiv der Kamera dem Publikum direkt in die Augen blicken läßt, mag wohl keiner mehr einen Stein nach ihr werfen.
R Ingmar Bergman B Ingmar Bergman, Per Anders Fogelström K Gunnar Fischer M Erik Nordgren A P. A. Lundgren S Tage Holmberg, Gösta Lewin P Allan Ekelund D Harriet Andersson, Lars Ekborg, Dagmar Ebbesen, Åke Fridell, Naemi Briese | S | 96 min | 1:1,37 | sw | 9. Februar 1953
Labels:
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