13.4.56

Voici le temps des assassins (Julien Duvivier, 1956)

Der Engel, der ein Teufel war 

Rabenschwarze französische Variation des John-M.-Cain-Klassikers von der verführerisch-lebensgefährlichen Frau (Danièle Delorme), die den treuherzigen Jungen (Gérard Blain) gegen den leichtsinnigen Alten (Jean Gabin) aufhetzt (genauer gesagt: aufhetzen will). In diesem trüben Fall bringt das Verhängnis nicht der zweimal klingelnde Postbote sondern die totgeglaubte Exfrau eines renommierten Gastronomen, die dem Verflossenen ihre Tochter aus zweiter Ehe als Nemesis an den Hals schickt. Mit so viel liebevollem Lokalkolorit Julien Duvivier das Milieu von Les Halles zeichnet – direkt neben dem legendären ›Bauch von Paris‹ betreibt M. Chatelin (Gabin) sein Restaurant »Au Rendez-vous des Innocents« (!) –, mit so viel unsentimentaler Frostigkeit porträtiert er die Protagonisten der Handlung, die Männer wie die Frauen: den bourgeoisen Macho, der sich blind aufs Frischfleisch wirft, seine gallenbittere Mutter (Germaine Kerjean), die Hühner mit der Peitsche schlachtet, den Naivling, der sich (beinahe) gegen den alten Freund und Gönner ausspielen läßt, die hübsche Intrigantin, die ganz ihrer zerstörerischen Lust lebt, ihre haßzerfressene Mutter (Lucienne Bogaert), die sich in einem schmuddligen Hotelbett mit Drogen vollpumpt. Das Ende vom Lied – ein schnuffiger Köter sorgt für ausgleichende Gerechtigkeit – kommt so zwangsläufig wie brutal. Henri-Georges Clouzot, dessen Stammkameramann Armand Thirard auch diese hermetische Etüde über die Bestie Mensch (und Hund) fotografierte, dürfte an »Voici le temps des assassins« seine dunkle misanthropische Freude gehabt haben.

R Julien Duvivier B Julien Duvivier, Charles Dorat, Pierre-Aristide Bréal K Armand Thirard M Jean Wiener A Robert Gys S Marthe Poncin P Raymond Borderie, Georges Agiman, René Bézard, Pierre Cabaud D Jean Gabin, Danièle Delorme, Gérard Blain, Lucienne Bogaert, Germaine Kerjean | F | 113 min | 1:1,37 | sw | 13. April 1956

10.4.56

Cette sacrée gamine (Michel Boisrond, 1956)

Pariser Luft 

Ein bißchen Romantik und ein paar Musiknummern, ein Hauch von sex and crime und BB als Mittelpunkt (eigentlich eine Tautologie) einer stussigen kleinen Nachtrevue: Ihr Vater, Besitzer eines Pariser Cabarets, wegen Geldfälschung (zu Unrecht) verfolgt, gibt die kesse Tochter in Obhut seines Stars, eines umschwärmten (und anderweitig verlobten) Chansonniers, der mit dem flotten Käfer viel Ungemach und noch mehr Freude hat ... Regisseur Michel Boisrond und Autor Roger Vadim (Brigitte Bardots Ehemann und Svengali) exploitieren (höchst sittsam) die raffinierte Naivität und das schulmädchenhafte Temperament ihres (werdenden) Stars. »Cette sacrée gamine« panscht munter effektive Tür-auf-Tür-zu-Dramatik mit handfestem Slapstick – die eigentliche Qualität des Films liegt jedoch (wenn überhaupt) in den pointierten Nebenrollen: Michel Serrault und Jean Poiret steigern sich als Polizei-Inspektoren in lukullische Phantasien, Raymond Bussières tut – in der Rolle eines erlesen-proletarischen Butlers – vornehmer, als es Herrschaften je sein könnten.

R Michel Boisrond B Roger Vadim, Michel Boisrond K Joseph Brun M Henri Crolla, René Denoncin, Hubert Rostaing A Jacques Chalvet S Jacques Mavel P Albert Mazaleyrat, Georges Sénamaud D Brigitte Bardot, Jean Bretonnière, Michel Serrault, Jean Poiret, Raymond Bussières | F | 86 min | 1:2,35 | f | 10. April 1956