19.2.68

Vargtimmen (Ingmar Bergman, 1968)

Die Stunde des Wolfs 

Surrealistisches Nachtstück um die seltsamen Leiden einer Künstlerseele. »Die Stunde des Wolfs ist die Stunde zwischen Nacht und Morgen. Es ist die Stunde, in der die meisten Menschen sterben, in der der Schlaf am tiefsten ist, in der Alpträume Realität gewinnen. Es ist die Stunde, in der Dämonen ihre Macht entfalten, und es ist die Stunde, in der die meisten Kinder geboren werden.« Mit der fiktiven Rekonstruktion des sonderbaren Geschehens aus den nachgelassenen Papieren des verschwundenen Malers Johan Borg (Max von Sydow) und den Erzählungen seiner Frau Alma (Liv Ullmann) stellt sich Ingmar Bergman in die Tradition schwarzromantischer Spukphantasien à la E. T. A. Hoffmann (Kapellmeister Kreisler höchstselbst hat einen Auftritt), um ein dunkles Spektakel über Kreativität und Heimsuchung, Empathie und Besessenheit abrollen zu lassen. Die Einöde, in die sich das Ehepaar Borg zurückgezogen hat, wird plötzlich bevölkert von einer Reihe erst masken-, dann fratzenhafter Gestalten, die der Erinnerung und Imagination des Künstlers entspringen; auf einem Gruselschloß geraten Johan und Alma, die sich in ihren Mann so bedingungslos einfühlt, daß seine wahnhaft-sensibilisierte Wahrnehmung auch zu ihrer wird, in die Fänge dieser fellinesk-unheimlichen Gesellschaft von dekadenten Aristokraten und aufdringlichen Kulturbürgern: Sie erscheinen als Spiegelungen innerer und äußerer Realitäten – als Blutsauger des Kunst betriebs, als Gespenster der Vergangenheit, als Nachtmahre sexueller Obsessionen, als Totenvögel der Kreativität. In erbarmungslos hartem Schwarzweiß schaffen Bergman und sein Kameramann Sven Nykvist mit »Vargtimmen« ein vielschichtiges, gotisch-geisterhaftes Wechselspiel zwischen (seelischer) Inbesitznahme und (künstlerischer) Entäußerung, zwi­schen schöpferischer Explosion und depressiver Leere.

R Ingmar Bergman B Ingmar Bergman K Sven Nykvist M Lars Johan Werle A Marik Vos S Ulla Ryghe P Lars-Owe Carlberg D Max von Sydow, Liv Ullmann, Ingrid Thulin, Erland Josephson, Gertrud Fridh, Naima Wifstrand | S | 90 min | 1:1,37 | sw | 19. Februar 1968

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