16.12.70

Peau d’âne (Jacques Demy, 1970)

Eselshaut

»La situation mérite attention.« Ein musikalisches Märchen über Verlangen und Inzest, mit sprechenden Rosen und aphrodisierendem Backwerk – psychedelisch, surreal, romantisch, kokett: Dem König der Blauen (Jean Marais) ist die Königin gestorben, und weil er ihr auf dem Totenbett versprechen mußte, dereinst nur eine noch Schönere zu ehelichen, verfällt der Monarch darauf, die einzige Tochter (Catherine Deneuve) zur Frau zu nehmen. Um ihren heiratswütigen Vater hinzuhalten, verlangt die Prinzessin – auf Anraten einer weltklugen Fee (Delphine Seyrig: »Mon enfant, on n’épouse jamais ses parents!«) – Kleider in der Farbe des Wetters, des Mondes, der Sonne, zu guter Letzt die Haut eines goldscheißenden Esels. Sie bekommt, was sie fordert, also bleiben ihr nur die Flucht, das Verstecken, die Maskerade als Schweinemagd, als häßlichste der Häßlichen, schmutzigste der Schmutzigen, allerletzte der Letzten. Natürlich wird sie unter der gräulichen Hülle, die sie tarnt, in ihrer Anmut, Unschuld, Hoheit erkannt – von einem Prinzen aus dem Reich der Roten (Jacques Perrin, der schon in »Les demoiselles de Rochefort« seinem »idéal féminin« nachjagte). In seiner kinematographischen Zauberküche amalgamiert Jacques Demy Cocteausche Es-war-einmal-Phantastik und comichaften Disney-Kitsch, popartige Extravaganz (ein Thron in Katzenform, eine gläserne Sphäre als Katafalk) und verblüffende Anachronismen (Gedichte aus der Zukunft, ein vom Himmel schwebender Helikopter) zu einem zeitlosen (von Michel Legrand kongenial in Töne gesetzten) Loblied auf die verrückte, die geheimnisvolle, die wahre Liebe: »Amour, amour, je t’aime tant.«

R Jacques Demy B Jacques Demy V Charles Perrault K Ghislain Cloquet M Michel Legrand A Jim Leon, Jacques Dugied S Anne-Marie Cotret P Mag Bodard D Catherine Deneuve, Jean Marais, Jacques Perrin, Delphine Seyrig, Micheline Presle | F | 89 min | 1:1,66 | f | 16. Dezember 1970

# 1127 | 13. Juni 2018

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