Stürmische Jugend
Eine Liebe in den Zeiten des (Ersten Welt-)Krieges: Der Gymnasiast François (Gérard Philipe) und die nur wenig ältere Marthe (Micheline Presle), deren Mann im Felde steht, entbrennen füreinander (immer wieder läßt Regisseur Claude Autant-Lara die Flammen des Kaminfeuers durchs Bild züngeln) und ignorieren in ihrer bedingungslosen gegenseitigen Hingabe nicht nur – vollkommen auf sich fixiert – das große Völkersterben, sondern auch – offen und direkt – die Gesetze des bürgerlichen Anstands. Das Ende des Krieges bedeutet zugleich das Ende dieses moralischen (und körperlichen) Freiraums: In einer der stärksten Szenen des Films spielt, nachdem in einer Kneipe unter großem Jubel der Waffenstillstand verkündet wurde, ein schwarzer Pianist die Marseillaise; die anwesenden Soldaten und Zivilisten gefrieren in Ergriffenheit – die Kamera gleitet in einer langsamen Fahrt an diesen Wachsfiguren vorbei und endet in einer Nahaufnahme des versteinerten Liebespaares: »Voilà, c’est fini pour nous deux.« Selten scheint die Sonne in »Le diable au corps«, meist regnet es, fast immer ist Nacht – Autant-Lara erzählt (nach einem Drehbuch von Aurenche und Bost, basierend auf dem Roman des 17jährigen Raymond Radiguet) keine heitere, keine empfindsame Romanze, er schildert eine harte, eine bisweilen bittere Beziehung. Nicht nur das gesellschaftliche (und familiäre) Umfeld der Liebenden erfährt dabei eine Betrachtung von galligster Ironie, auch dem Paar selbst wird – bei aller Sympathie für die jugendliche Absolutheit ihrer Gefühle – die Seligsprechung verweigert: Oft genug kippen ihre Zärtlichkeit und ihr Ungestüm in (nach außen wie nach innen gerichtete) Herzlosigkeit und Brutalität. PS: »L'amour, qui est l'égoïsme à deux, sacrifie tout à soi, et vit de mensonges.«
R Claude Autant-Lara B Jean Aurenche, Pierre Bost, Claude Autant-Lara V Raymond Radiguet K Michel Kelber M René Cloërec A Max Douy S Madeleine Gug P Louis Wipf D Micheline Presle, Gérard Philip, Jean Debucourt, Denise Grey, Pierre Palau | F | 110 min | 1:1,37 | sw | 12. September 1947
12.9.47
5.9.47
Dark Passage (Delmer Daves, 1947)
Die schwarze Natter
Humphrey Bogart als unschuldig verurteilter Mörder, der aus dem Knast entflieht, sich einer Gesichtsoperation unterzieht, um sodann, mit neuer Identität (und unterstützt von Lauren Bacall), den wahren Täter zu suchen. Ein sehr uneinheitlicher Film – im ersten Drittel wird (nicht ganz konsequent) aus Bogeys subjektiver Perspektive erzählt, dann verschwindet sein Gesicht unter einer Bandage, erst im Schlußakt ist er endlich zu sehen. Die Kamera schwankt zwischen realistischer On-location-Fotografie und typischer Noir-Stilisierung, wobei Delmer Daves durch die formale Sprunghaftigkeit seiner Inszenierung der Erzählung einiges an emotionaler Kraft nimmt. Zu einer Stärke des Werkes entwickeln sich die präzise gezeichneten Nebenfiguren: der »Veteran-Cab«-Driver, der kleine Erpresser, der die große Chance wittert, Agnes Moorehead als böse Frau, deren pathologischer Haß gegen alles und jeden in gewisser Weise am Ende triumphiert. Einen melancholischen Schlüsselsatz spricht der plastische Chirurg: »So etwas wie Mut gibt es nicht. Es gibt nur Angst: Angst vor Schmerzen, Angst vor dem Tod. Deshalb leben die Menschen ja so lange.«
R Delmer Daves B Delmer Daves V David Goodis K Sidney Hickox M Franz Waxman A Charles H. Clarke S David Weisbart P Jerry Wald D Humphrey Bogart, Lauren Bacall, Bruce Bennett, Agnes Moorehead, Tom D’Andrea | USA | 106 min | 1:1,37 | sw | 5. September 1947
Humphrey Bogart als unschuldig verurteilter Mörder, der aus dem Knast entflieht, sich einer Gesichtsoperation unterzieht, um sodann, mit neuer Identität (und unterstützt von Lauren Bacall), den wahren Täter zu suchen. Ein sehr uneinheitlicher Film – im ersten Drittel wird (nicht ganz konsequent) aus Bogeys subjektiver Perspektive erzählt, dann verschwindet sein Gesicht unter einer Bandage, erst im Schlußakt ist er endlich zu sehen. Die Kamera schwankt zwischen realistischer On-location-Fotografie und typischer Noir-Stilisierung, wobei Delmer Daves durch die formale Sprunghaftigkeit seiner Inszenierung der Erzählung einiges an emotionaler Kraft nimmt. Zu einer Stärke des Werkes entwickeln sich die präzise gezeichneten Nebenfiguren: der »Veteran-Cab«-Driver, der kleine Erpresser, der die große Chance wittert, Agnes Moorehead als böse Frau, deren pathologischer Haß gegen alles und jeden in gewisser Weise am Ende triumphiert. Einen melancholischen Schlüsselsatz spricht der plastische Chirurg: »So etwas wie Mut gibt es nicht. Es gibt nur Angst: Angst vor Schmerzen, Angst vor dem Tod. Deshalb leben die Menschen ja so lange.«
R Delmer Daves B Delmer Daves V David Goodis K Sidney Hickox M Franz Waxman A Charles H. Clarke S David Weisbart P Jerry Wald D Humphrey Bogart, Lauren Bacall, Bruce Bennett, Agnes Moorehead, Tom D’Andrea | USA | 106 min | 1:1,37 | sw | 5. September 1947
1.9.47
Der verzauberte Tag (Peter Pewas, 1944/1947)
Zwei Freundinnen, Verkäuferinnen an einem Bahnhofskiosk – die kess-brünette Anni (Eva Maria Meineke) und die schwärmerisch-blonde Christine (Winnie Markus) –, träumen von der großen Liebe. Während sich Anni ihren Märchenprinzen einfach erfindet (eine Fiktion, die überraschende (und enttäuschende) Realität wird), phantasiert sich Christine in die schicksalhafte Beziehung zu einem soignierten Kunstprofessor (Hans Stüwe) hinein… Peter Pewas, weniger an der sentimentalen Handlung als an den visuellen Möglichkeiten ihrer Umsetzung interessiert, nimmt sich in seinem Erstling die intimistischen Milieuskizzen und melancholischen Bildwelten des poetischen Realismus zum Vorbild. Sein Kameramann Georg Krause (der später u. a. für Kazan, Siodmak und Kubrick arbeiten wird), ein Meister sowohl des fein modulierten als auch des scharf kontrastierenden Schwarzweiß, zaubert (weitgehend in der Überwirklichkeit des Studios) die romantischen und fatalistischen Stimmungen, die es Pewas erlauben, seine bildkünstlerische Erfindungsgabe zu entfalten. Im Halb(welt)dunkel der Dachkammern, im Abenddunst der Junggesellenzimmer, in der Finsterkeit nächtlicher Straßen gelingen ihm zudem eine Reihe eindringlicher Portraits: etwa die aufgedrehte Zimmerwirtin (Kate Kühl), die sich viel darauf einbildet, früher beim Theater gewesen zu sein; oder der zackig-gehemmte Stationsvorsteher (Hans Brausewetter), der seine Gefühle hinter anonymen Blumengaben versteckt; vor allem aber Christines Verlobter, der pedantische Buchhalter Krummholz (Ernst Waldow), ein Mann, der keine Rose betrachten kann, ohne an ihren Preis zu denken: von seiner Braut zurückgewiesen, nimmt er für die Zerstörung seiner kleinbürgerlichen Illusionen bittere Rache. PS: 1944 gedreht, von der nationalsozialistischen Zensur verboten, erlebt der Film seine Uraufführung mit dreijähriger Verspätung in der Schweiz; in Deutschland wird er erstmals 1951 gezeigt.
R Peter Pewas B Renate Uhl, Peter Pewas V Franz Nabl K Georg Krause M Wolfgang Zeller A Erich Grave S Ira Oberberg P Viktor von Struve D Winnie Markus, Hans Stüwe, Ernst Waldow, Eva Maria Meineke, Hans Brausewetter | D (Überläufer) | 76 min | 1:1,37 | sw | September 1947
R Peter Pewas B Renate Uhl, Peter Pewas V Franz Nabl K Georg Krause M Wolfgang Zeller A Erich Grave S Ira Oberberg P Viktor von Struve D Winnie Markus, Hans Stüwe, Ernst Waldow, Eva Maria Meineke, Hans Brausewetter | D (Überläufer) | 76 min | 1:1,37 | sw | September 1947
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