26.8.76

The Last Tycoon (Elia Kazan, 1976)

Der letzte Tycoon

»So how do you want the girl?« – »Perfect.« Harold Pinters Adaption des letzten, unvollendet gebliebenen Romans von F. Scott Fitzgerald, entwirft das Bildnis eines fanatischen Perfektionisten und egomanen Arbeitstiers: Die Figur des Monroe Stahr (Robert De Niro), Produktionschef der International World Films, eines der größten Studios im Hollywood der 1930er Jahre, ist angelehnt an Irving Thalberg, der eine vergleichbare Position bei MGM innehatte. Stahr, Erfinder der hierarchischen Arbeitsteilung im Studiosystem, eingeschworener Gegner des künstlerischen Mitspracherechts für Untergebene, unbeschränkter Herrscher im Atelier wie im Vorführraum, wird in diversen Situationen gezeigt, die schlaglichtartig seine Persönlichkeit beschreiben: wie er einem verunsicherten Star (Tony Curtis) über Potenzprobleme hinweghilft, wie er eine kapriziöse Diva (Jeanne Moreau) umschmeichelt, wie er einen unfähigen Regisseur (Dana Andrews) entläßt, wie er einem frustrierten Autor (Donald Pleasence) das Geheimnis des Kinos erklärt, wie er den skeptischen Studioboß (Robert Mitchum) in Schach hält, wie er betrunken einen radikalen Gewerkschafter (Jack Nicholson) attackiert, wie er eine Frau umgarnt, die ihn an seine verstorbene Gattin erinnert. Stahrs Leidenschaft für die enigmatische Kathleen Moore (Ingrid Boulting) entspricht seiner Obsession für das Medium Film, und wie ein Kinostück arrangiert er denn auch die Affäre mit der geisterhaft wirkenden Schönen, die sich ihm letztendlich entzieht. Elia Kazans sorgfältig-stilbewußte, unterkühlt-langsame Inszenierung der episodisch strukturierten Milieu- und Charakterstudie verfolgt das Schicksal des zwiespältigen Helden bis zu seinem unvermeidlichen Sturz, wobei das Ausmalen (un-)romantischer Stimmungen die Darstellung der in der Filmmetropole waltenden (Produktions-)Verhältnisse immer wieder in den Hintergrund treten läßt. PS: »All writers are children. Fifty percent are drunks. And up till very recently, writers in Hollywood were gag-men; most of them are still gag-men, but we call them writers.«

R Elia Kazan B Harold Pinter V F. Scott Fitzgerald K Victor J. Kemper M Maurice Jarre A Gene Callahan S Richard Marks P Sam Spiegel D Robert De Niro, Ingrid Boulting, Robert Mitchum, Theresa Russell, Ray Milland, Donald Pleasence, Jack Nicholson, Jeanne Moreau, Tony Curtis | USA | 123 min | 1:1,85 | f | 26. August 1976

# 1045 | 16. Februar 2017

1.8.76

Obsession (Brian De Palma, 1976)

Schwarzer Engel

»How did she die?« – »I killed her.« Ein Mann (Cliff Robertson) verliert, vermeintlich durch eigenes Zutun, seine Frau (Geneviève Bujold) an das Reich der Toten und fällt in einen Zustand emotionaler Lähmung; Jahre später trifft er auf ein Ebenbild der schmerzlich Entbehrten und begreift die Begegnung als zweite Chance, den Beweis seiner Liebe zu erbringen ... »What was she like?« – »She was very much like you.« Brian De Palma ist vielleicht der einzige Filmregisseur, der Epigonentum »groß« denkt, um es zu einer originären Kunstform mit eigenständiger ästhetischer Qualität zu entwickeln. In diesem Sinne gelingt es ihm (und seinem Autor Paul Schrader), mit der schwülen Phantasie über ein Thema von Alfred Hitchcock (beinahe) originaler zu wirken als das Original ... »How was it, Court?« – »The same.« (Fast) alles, was »Vertigo« ausmacht, findet sich potenziert in »Obsession«: das Doppelgängermotiv, das Drama eines schuldbehafteten Verlustes, die Gefangenschaft in der Depression, die traumartigen Erinnerungen, die Ab- und Überlagerungen der Zeit – die Kamerafahrten sind noch schwebender, das Licht schimmert noch milchiger, Bernard Herrmanns Score klingt noch herrmannesker. Abklatsch oder Pastiche, Hommage oder Travestie? Whatever. PS: Der Film trug passenderweise den Arbeitstitel »Déjà-vu«.

R Brian De Palma B Paul Schrader K Vilmos Zsigmond M Bernard Herrmann A Jack Senter S Paul Hirsch P Harry N. Blum, George Litto D Cliff Robertson, Geneviève Bujold, John Lithgow, Wanda Blackman, Sylvia Kuumba Williams | USA | 98 min | 1:2,35 | f | 1. August 1976