1.10.66

The Deadly Affair (Sidney Lumet, 1966)

Anruf für einen Toten

Der Tod eines anonym des Geheimnisverrats bezichtigten Foreign-Office-Beamten setzt einen kleinen, schmuddligen Spionage-Thriller in Gang, der seine Spannung nicht durch komplizierte Verwicklungen oder raffinierte Plot-Twists entfaltet sondern durch genaue Beobachtung der handelnden (das heißt: der zum Handeln gezwungenen) Personen: James Mason als hitzig-melancholischer Secret-Service-Mann Dobbs, der den Zeiten der Eindeutigkeit nachtrauert, Harry Andrews als ausgebuffter Kommissar im Ruhestand, der einschläft, sobald er mit Hypothesen gelangweilt wird, Simone Signoret als rätselhafte Witwe, die ihre Vergangenheit wie ein Leichenhemd trägt, Maximilian Schell als gefährlicher Charmeur, Harriet Andersson als ausgenutzte Nymphomanin – Figuren eines Spiels, das weder Könige noch Damen kennt, nur Bauern, die auf die eine oder andere Weise zu Opfern der Umstände werden. Sidney Lumets neblig-trübe John-le-Carré-Adaption malt das bis zur Farblosigkeit entsättigte Bild eines unswinging London: Die Kamera (Freddie Young) zeigt trostlose Straßen, düstere Wohnungen, unbehauste Existenzen. »You have no place among real people«, muß sich Agentenjäger Dobbs einmal sagen lassen. »The Deadly Affair« läßt Zweifel daran aufkommen, daß es überhaupt noch »wirkliche Menschen« gibt.

R Sidney Lumet B Paul Dehn V John le Carré K Freddie Young M Quincy Jones A John Howell S Thelma Connell P Sidney Lumet D James Mason, Simone Signoret, Harry Andrews, Maximilian Schell, Harriet Andersson | UK | 115 min | 1:1,85 | f | 1. Oktober 1966

2 Kommentare:

  1. Ein Lumet, den ich nicht kenne. Du bist eine wahre Fundgrube. :)

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  2. War mir bis dato auch völlig unbekannt. Ich bin eigentlich kein großer Lumet-Fan, habe aber im Nachgang zu »The Pawnbroker« ein bißchen über ihn gelesen und bin dabei auf »The Deadly Affair« gestoßen. Da der spy thriller eines meiner Lieblings(sub)genres ist, habe ich gleich die DVD bestellt … :)

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