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24.3.74

The Great Gatsby (Jack Clayton, 1974)

Der große Gatsby 

Poetisches Zeitbild, Revue des amerikanischen Traums, Geschichte einer großen Sehnsucht – Jack Claytons Verfilmung des Romans von F. Scott Fitzgerald (nach einem Drehbuch von Francis Ford Coppola) ist wenig bis nichts davon, und auch die reichlich kolportagehafte Handlung will kaum in die Gänge kommen. Vielleicht liegt es an der ohne jedes Feingefühl herumzoomenden und -schwenkenden Kamera (Douglas Slocombe), vielleicht an den vielen scheußlichen Überblendungen, vielleicht an der mal platt-illustrativen, mal schwerfällig-schleppenden Regie, daß »The Great Gatsby« nicht in den Rhythmus des Jazz Age findet, auch wenn Kostümbild, Ausstattung und Musikarrangements den einen oder anderen nostalgischen Schlüsselreiz setzen. Die gestalterischen Halbherzigkeiten sind um so bedauerlicher, als alle Mitglieder des großartigen Ensembles willens und fähig scheinen, ihr Bestes zu geben. Immer wieder spielen die Darsteller – Robert Redford in der Titelrolle des enigmatischen New Yorker Neureichen, Mia Farrow als übernervöses (und letztlich wertloses) Objekt der Begierde, Bruce Dern als Matador des Establishments, Lois Chiles als High-Snobiety-Girl, Karen Black als teures Flittchen, Scott Wilson als Vollstrecker aus dem Tal der Asche, Sam Waterston als Erzähler – an der transusigen Inszenierung ganz einfach vorbei, lassen immer wieder die Ahnung eines wunderbaren Films aufblitzen: Gatsby, der Reichtümer nur anhäuft, um die Zukunft nach dem Bild einer für immer vergangenen Vergangenheit zu malen, ist der romantische Held einer Welt, die, indem sie sich zerstört, zu ihrer Unschuld zurückzufinden hofft. Das grüne Licht, nach dem Gatsby hascht, das Signal auf der anderen Seite des Long-Island-Sundes, beim Haus der verlorenen Geliebten, bleibt so nah, so fern, so gegenwärtig, so unerreichbar wie das vor Zeiten gelebte oder verpaßte Leben, das, so oder so, niemals wiederkehren wird.

R Jack Clayton B Francis Ford Coppola V F. Scott Fitzgerald K Douglas Slocombe M Nelson Riddle A John Box S Tom Priestley P David Merrick D Robert Redford, Mia Farrow, Sam Waterston, Bruce Dern, Karen Black | USA | 144 min | 1:1,85 | f | 24. März 1974

9.5.64

The Pumpkin Eater (Jack Clayton, 1964)

Schlafzimmerstreit

Szenen einer Ehe in den Zeiten des Überflusses ... »My life is an empty place.« Diejenige, die das sagt, hat acht (!) Kindern von drei Vätern: Jo Armitage (Anne Bancroft), verheiratet mit Jake (Peter Finch), einem erfolgreichen Drehbuchautor, der jedem Rock hinterherläuft. »The Pumpkin Eater« (der Titel zitiert einen alten englischen Kinderreim: »Peter, Peter, pumpkin eater / Had a wife and couldn't keep her. / He put her in a pumpkin shell / And there he kept her very well«) verfolgt – von Harold Pinter nicht linear nacherzählt, sondern in erhellenden Rück- und Vorausblenden seziert – den Weg eines wohlhabenden Londoner Paares vom ersten Kennenlernen, durch Höhen und Tiefen, bis zur großen Krise (Höhepunkt: Jos theatralischer Nervenzusammenbruch im Kaufhaus Harrods), in der sich (für beide Partner) die Frage von Gehen oder Bleiben stellt. Regisseur Jack Clayton – der zuvor, mit jeweils großer formaler Finesse, eine düstere Sozialstudie und einen schauerromantischen Horrorfilm drehte – inszeniert die Beziehungsgeschichte der krankhaft fruchtbaren Frau und des zwanghaft fremdgängerischen Mannes im Stile eines extravaganten Naturalismus von bisweilen halluzinatorischer Qualität. Die Thematisierung zwischenmenschlicher Entfremdung, die satirische Verzerrung gesellschaftlicher Verhältnisse verraten Einflüsse von Antonioni und Fellini; Oswald Morris’ scharfsichtige Schwarzweißbilder, Georges Delerues elegischer Score, vor allem aber die außerordentlichen Leistungen der Schauspielerinnen und Schauspieler verleihen dieser ebenso originellen wie strapaziösen filmischen Betrachtung von Liebe und Sex, Bindungswunsch und Fluchtreflex, Normen und Neurosen ihre ganz eigentümliche Faszinationskraft.

R Jack Clayton B Harold Pinter V Penelope Mortimer K Oswald Morris M Georges Delerue A Edward Marshall S Jim Clark P James Woolf D Anne Bancroft, Peter Finch, James Mason, Janine Gray, Maggie Smith, Cedric Hardwicke | UK | 110 min | 1:1,85 | sw | 9. Mai 1964

# 1047 | 16. Februar 2017

25.12.61

The Innocents (Jack Clayton, 1961)

Schloß des Schreckens

»What shall I sing to my lord from my window?« Miss (!) Giddens (Deborah Kerr als daughter of a preacher man – empathisch und fanatisch) kommt als Erzieherin der Waisenkinder Miles und Flora auf den abgelegenen Landsitz Bly. Bald schon wähnt sie hinter der scheinbar (?) arglosen Altklugheit ihrer Schutzbefohlenen einen Abgrund des Grauens: Haben die Geister des triebhaften Hausdieners und der ihm verfallenen Gouvernante Besitz von den Seelen der Geschwister ergriffen? Vielleicht erzählt Jack Clayton mit »The Innocents« tatsächlich die Geschichte der Besessenheit der beiden Kinder – das wäre die komfortabelste Erklärung für die Dinge, die wir sehen (oder sehen sollen) –, vielleicht handelt es sich auch um eine Tauchfahrt in die Geheimnisse einer verkarsteten (in diesem Falle: weiblichen) Psyche: Verdrängtes, Projektionen, Begierden – Unbewußtes, das wie Sumpfgas blubbernd ans Licht steigt. Der Film legt sich nicht fest, Erklärungen hängen in der Luft wie wehende Vorhänge in der Nacht. Und dann: dieses wispernde Kaminfeuer, diese allzeit welkenden weißen Rosen, dieses penetrante Vogelgezwitscher, diese Küsse zwischen einer Frau und einem Jungen, diese unheimlich tiefenscharfen Bilder (Freddie Francis), diese spukig-spieldosenhafte Musik (Georges Auric), diese intensive Beschwörung der grauen-vollen Paradiese der Kindheit (Buch: Truman Capote nach Henry James). Ein alptraumhaftes Meisterwerk. »Waking a child can sometimes be worse than any bad dream.« Gilt nicht nur für Kinder …

R Jack Clayton B Truman Capote, William Archibald V Henry James K Freddie Francis M Georges Auric A Wilfried Shingleton S Jim Clark P Jack Clayton D Deborah Kerr, Martin Stephens, Pamela Franklin, Clytie Jessop, Michael Redgrave | USA & UK | 100 min | 1:2,35 | sw | 25. Dezember 1961