11.2.54

Die letzte Brücke (Helmut Käutner, 1954)

»Es war Frühling, aber es war Krieg.« Bosnien, 1943: Die junge Kinderärztin Helga Reinbeck (Maria Schell) tut Dienst als Oberschwester in einem Wehrmachtslazarett. Sie wird von jugoslawischen Partisanen entführt, die dringend einen Mediziner zur Versorgung ihrer Verwundeten benötigen. Zunächst vornehmlich von Fluchtgedanken beherrscht, wandelt sich Helga, zögernd und zweifelnd, zur Vertreterin einer von Zeit und Umständen losgelösten Humanität: »Sie wußte nicht mehr, wo sie wirklich hingehörte«, erläutert der von Regisseur Helmut Käutner gesprochene Kommentar. »Sie wußte nur noch, daß sie helfen mußte. Ohne zu fragen, ohne zu denken.« Gedreht ausschließlich an Originalschauplätzen in Mostar und im felsigen Tal der Neretva (wo 1943 eine blutige Schlacht zwischen Verbänden der Achsenmächte und Tito-Partisanen stattfand), lehnt sich »Die letzte Brücke« gestalterisch deutlich an Vorbilder des italienischen Neorealismus an, wirkt über weite Strecken wie ein reportageartiges Nachvollziehen historischer Ereignisse. Schell, ungeschminkt, versagt sich jede Gefühlsduselei, überzeugt in darstellerischer Zurückhaltung als seelisch zerrissene Frau, die von sich sagt, sie sei »nicht müde, nur tot, leer, ausgebrannt.« Wenn auch die Anführer der Freischärler von einem Schweizer und einer Deutschen (Bernhard Wicki und Barbara Rütting) gespielt werden, läßt Käutner die Jugoslawen (ohne Untertitelung) in ihrer eigenen Sprache sprechen: Immer wieder stößt die Ärztin an die Grenzen der Verständigung, bleibt fremd in ihrem Niemandsland der bedingungslosen Einsatzbereitschaft. Bei aller Wirklichkeitstreue ist der betont antiheroische Kriegsfilm zugleich ein symbolisch aufgeladenes Gewissensdrama: Die Brücke, Sinnbild des Überwindens von Gräben, wird zum Hauptschauplatz innerer Kämpfe und militärischer Feindseligkeiten, zum Kreuzweg zwischen Richtig und Falsch. Helga entscheidet sich, scheinbar gegen jede Vernunft, für die Menschlichkeit: »Ich gehe dahin, wo man mich braucht.«

R Helmut Käutner B Helmut Käutner, Norbert Kunze K Elio Carniel M Carl de Groof A Otto Pischinger S Paula Dvorak, Hermine Diethelm P Carl Szokoll D Maria Schell, Bernhard Wicki, Barbara Rütting, Carl Möhner, Tilla Durieux | A & YU | 102 min | 1:1,37 | sw | 11. Februar 1954

# 888 | 27. Juni 2014