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26.12.46

Great Expectations (David Lean, 1946)

Geheimnisvolle Erbschaft

Mit David Leans komprimierter Adaption des voluminösen Bildungsromans von Charles Dickens wird Kino zur – visuell berückenden – Abfolge animierter Illustrationen: Die Geschichte vom armen, treuherzigen Waisenjungen Pip (Anthony Wager & John Mills), der ein Gentleman werden will, damit ihn die schöne, kalte Erbin Estella (Jean Simmons & Valerie Hobson) liebe, führt aus einsam-dörflicher Gegend in den hektischen Trubel der Metropole – nach den dunklen Landschaften der Angst, den engen Katen der Starrköpfigkeit, den heruntergekommenen Salons der Frustration öffen sich der Jahrmarkt der Möglichkeiten, die Ballnächte des Ehrgeizes, die Abgründe der Gefahr. »Great Expectations« – von John Bryan und William Shingleton so kunst- wie liebevoll ausgestattet, von Guy Green (schauer-)romantisch fotografiert – etabliert um das zentrale Paar ein skurriles Panoptikum präzise überzeichneter Charaktere, bietet damit Gelegenheit für eine ganze Reihe unvergeßlicher Darstellerleistungen: Francis L. Sullivan als monströs-nüchterner Anwalt Jaggers, Martita Hunt als bemitleidenswert-verbitterte alte Jungfer Miss Havisham, Finlay Currie als dämonisch-wohltätiger Kapitalverbrecher Abel Magwitch, Alec Guinness als liebenswürdig-honoriger Hallodri Herbert Pocket, Bernard Miles als linkisch-grundgütiger Schmied Joe Gargery. Leben präsentiert sich in diesem viktorianischen Zauberreich als Bündel selbstsüchtiger Hoffnungen, als Konglomerat falscher Interpretationen und ernüchternder Enthüllungen, die dem Irrenden letztlich den richtigen Weg weisen: Erst wenn die großen Erwartungen enttäuscht wurden, öffnet sich das Tor in eine glückliche Zukunft.

R David Lean B David Lean, Ronald Neame, Anthony Havelock-Allen, Kay Walsh, Cecil McGivern V Charles Dickens K Guy Green M Walter Goehr A John Bryan, William Shingleton S Jack Harris P Ronald Neame D John Mills, Valerie Hobson, Martita Hunt, Finlay Currie, Alec Guinness | UK | 118 min | 1:1,37 | sw | 26. Dezember 1946

1.6.44

This Happy Breed (David Lean, 1944)

Wunderbare Zeiten

»This happy breed of men, this little world, / This precious stone set in the silver sea …« Das visionäre Bild eines sterbenden englischen Aristokraten von seiner Heimat (aus Shakespeares Königsdrama »Richard II«) schwebt als Motto über Noël Cowards Familiendramödie, die das Tun und Trachten einer Londoner Durchschnittssippschaft zwischen den Weltkriegen nachzeichnet: mum, dad, granny, aunt, two girls, one boy in einer x-beliebigen Reihenscheibe, dazu die Nachbarn und, little by little, die Schwiegerkinder und Enkel. Es ist die Welt der kleinen Angestellten, der Hausfrauen, der common men und women, die »This Happy Breed« mit (bisweilen garstiger) Liebe zum Detail und einigem Sinn für (mitunter schrille) Zwischentöne ausmalt: viel Grau, viel Beige, ein wenig Rosa und ein Quäntchen Schwarz. David Leans akkurate Leinwandadaption des Stücks zielt – mal heiter, mal bitter – auf das Leben im Allgemeinen und im Besonderen: Liebe und Gewohnheit, Aufregung und Langeweile, Hochzeiten und Todesfälle, arroganter Höhenfurz und Ergebung ins Schicksal, kleinmütiges appeasement und stolze Britishness. Der Film erscheint zwar gelegentlich wie die Kurzfassung einer (patriotischen) soap opera – doch die glänzenden Darsteller formen aus theatralen Scherenschnitten greifbare Charaktere, mit denen man seufzen und lächeln, die Zähne zusammenbeißen und auf bessere Zeiten hoffen darf. »… This blessed plot, this earth, this realm, this England.«

R David Lean B David Lean, Ronald Neame, Anthony Havelock-Allan V Noël Coward K Ronald Neame M Muir Mathieson A C. P. Norman S Jack Harris P Noël Coward D Robert Newton, Celia Johnson, Kay Walsh, Stanley Holloway, John Mills | UK | 114 min | 1:1,37 | f | 1. Juni 1944