25.12.77

High Anxiety (Mel Brooks, 1977)

Mel Brook’s Höhenkoller

Parodistisches Kompendium von Hitchcock-Motiven, zusammengehalten durch Mel Brooks’ Talent, charmant auf die Nerven zu fallen: die Klinik aus »Spellbound«, die Akrophobie aus »Vertigo«, die Duschszene aus »Psycho«, der (un-)sinnige middle name aus »North by Northwest« (in diesem Falle kein ›O.‹ = »nothing« sondern ein ›H.‹ = ›Harpo‹), die Vögel aus »The Birds« (scheißende Tauben statt tödlicher Krähen), die unvermeidliche Blondine (Madeline Kahn); ferner eine sadistische Oberschwester und ein schmerzgeiler Irrenarzt, ein Industrieller, der sich für einen Cockerspaniel hält, und ein verzückter Killer mit Zahnspange. Die Geheimnisse, die das von Nobelpreisträger Dr. Richard H. Thorndyke (Brooks) übernommene ›Psycho-Neurotic Institute for the Very, Very Nervous‹ birgt, sind so rätselhaft, wie »High Anxiety« subtil ist: Nur selten stößt der Film auf eine satirische Metaebene vor (etwa wenn der Anstaltsleiter und sein Chauffeur während einer Autofahrt durch dramatische Thriller-Musik aufgeschreckt werden und bemerken, daß gerade ein Bus mit einem musizierenden Orchester überholt), zumeist geben sich Drehbuch und Inszenierung mit dem erst besten Kalauer zufrieden. PS: »I got it. I got it. I got it … I ain't got it.«

R Mel Brooks B Mel Brooks, Ron Clark, Rudy De Luca, Barry Levinson K Paul Lohmann M John Morris A Peter Wooley S John C. Howard P Mel Brooks D Mel Brooks, Madeline Kahn, Cloris Leachman, Harvey Korman, Howard Morris | USA | 94 min | 1:1,85 | f | 25. Dezember 1977

7.12.77

Mort d’un pourri (Georges Lautner, 1977)

Der Fall Serrano

»Nous n’avons plus d’amis, nous avons des partenaires. Nous n’avons plus d’ennemis, nous avons des clients.« Frankreich am Ende der Trente Glorieuses: Die wirtschaftliche Explosion des Nachkriegs hat das Land wohlhabend gemacht und ein paar pourris stinkreich. Der Tod eines dieser Dreckskerle (Maurice Ronet spielt ihn als lässig-verdorbenen Archetypen der Ära) wirft ein trübes Licht auf das Gewebe von Gefälligkeiten und Vorteilsnahmen, von politischen und finanziellen Geschäftemachereien, das die ganze Gesellschaft krankhaft durchzieht – und längst weitergewuchert ist, über nationale Grenzen hinaus: »Le capital ne connaît plus de frontières.« Alles hängt mit allem ungut zusammen. Xav (Alain Delon – wortkarg, loyal, schlagkräftig) versucht das Knäuel zu entwirren, um den Mörder seines alten Weggefährten zu stellen; als er den Täter gefunden hat (ohne den Knoten zu durchschlagen), blickt er ins blanke Antlitz eines Terroristen der Tugend, das die Fratze der Korruption beinahe sympathisch erscheinen läßt ... Georges Lautner führt seinen erstklassigen Cast – Stéphane Audran (als lustig-verzweifelte Witwe), Jean Bouise (als Hüter einer verdorbenen Ordnung), Julien Guiomar (als (zu) siegessicheres Schwein), Klaus Kinski (als mysteriöser Strippenzieher auf Enten(?)jagd), Ornella Muti (als aufrechte Gefährtin) – präzise und schnörkellos, die Bilder von Henri Decaë beschönigen nichts, der nächtlich-jazzige Score von Philippe Sarde und Stan Getz (!) kommentiert die Nutzlosigkeit von Integrität in einer Welt des exquisiten Amoralismus mit stillem Bedauern.

R Georges Lautner B Michel Audiard V Raf Vallet K Henri Decaë M Philippe Sarde S Michelle David P Alain Delon D Alain Delon, Ornella Muti, Stéphane Audran, Klaus Kinski, Maurice Ronet, Mireille Darc | F | 120 min | 1:1,66 | f | 7. Dezember 1977