»Pauvre Alain, comme vous êtes mal.« Als er jung und schön war, hat Alain Leroy fröhlich gefeiert, hat die Frauen reihenweise flachgelegt, hat gesoffen wie ein Loch. Die Zeit verging. Die Freunde wurden ernsthaft – seriöse Bürger, salbungsvolle Intellektuelle, echte Verbrecher. Alain verabscheut dies alles, findet es hohl, verlogen, medioker, dumm. Erwachsen werden ist für ihn keine Option: »Difficile d’être un homme. Il faut avoir envie.« Die Freunde, die Frauen, sie sind auf der Strecke seines Lebens geblieben, nur die Flasche, sie steht immer noch auf dem Tisch … Der Anfang von »Le feu follet« findet Alain (versteinert: Maurice Ronet) am Ende einer Entziehungskur, die er scheinbar erfolgreich hinter sich brachte. Doch Alain ist nicht nüchtern, er ist leer, ohne jede Hoffnung, kann weniger als je zuvor die Dinge, die Menschen berühren, spürt nichts im Gegenüber, fühlt nichts in seinem Inneren. »Alain, la vie est bonne«, behauptet sein Arzt. »Dites-moi en quoi, docteur«, antwortet der an sich selbst und der Menschheit zutiefst Verzweifelnde. Das Datum seines Todes (23 juillet) fest notiert, macht Alain eine letzte Runde durch alte Zeiten, streift noch einmal durch die Stadt vormaliger Abenteuer, besucht die Kameraden, die Geliebten von einst. Als wandelnder Vorwurf sitzt, steht, geht er zwischen den Gespenstern seiner Vergangenheit, empört sich über ihre Ruhe, ihre Zufriedenheit, ihre Selbstgewißheit: »Croyez-vous dans vos actes?« Louis Malle schildert die letzten 48 Stunden seines unglücklichen Protagonisten mit lakonischer Anteilnahme, äußerster Akribie und formaler Strenge, hält dabei die Quintessenz der Erzählung diskret in der in der Schwebe: Ist Alain das Irrlicht? Oder die Welt, die ihn umgibt? Kennzeichnet Alains stolze Verweigerung die anderen als Kompromißler, die einen falschen Seelenfrieden in ewiger Langeweile akzeptiert haben? Oder ist Alain ein anmaßender Feigling, der nicht wahrhaben will, daß Glück nicht immer lustig ist, ein Dandy, der sein Scheitern zur tödlichen Krankheit stilisiert? Ob es sich um wirkliches Leiden oder um einen Phantomschmerz handelt, spielt letzten Endes keine Rolle – für Alain gibt es nur einen (Aus-)Weg: »C’est fini pour moi. Je m’en vais.«
R Louis Malle B Louis Malle V Pierre Drieu la Rochelle K Ghislain Cloquet A Bernard Evein S Suzanne Baron P Alain Quefféléan D Maurice Ronet, Bernard Noël, Jacques Sereis, Alexandra Stewart, Jeanne Moreau | F | 108 min | 1:1,66 | sw | 15. Oktober 1963