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22.9.78

Anton der Zauberer (Günter Reisch, 1978)

»Er war einer von uns.« Kurzweilig-systemkonformer Schelmenroman querfeldein durch die Geschichte der DDR: Anton Grubke (Ulrich Thein), begeisterter Autoschrauber, gewinnender Charmeur und fassungsvermögender Biertrinker, unterstützt auf seine (recht eigennützige Weise) den Aufbau des sozialistischen Vaterlandes – nicht der Mensch, das Geld steht (zunächst) im Mittelpunkt seiner privaten Planwirtschaft. Durch eine Haftstrafe auf den rechten (= linken) Weg gebracht, wird der begnadete Selbsthelfer zum revolutionären Zauberer des Glücks für alle, das heißt (in der Logik der (ideologischen) Erzählung): auch für sich persönlich. Wo der Jäger von Ersatzteilen zuvor nur den eigenen Vorteil (= das eigene Konto) im Auge hatte, nutzt er nach der (Selbst-)Erweckung sein Talent zur Verwandlung von Alt in Neu nur mehr im Sinne (= zum Wohle) des großen Ganzen. Günter Reischs Film kapituliert bei allem kritischen Anspruch letzten Endes vor der eigenen, allumfassenden Nettigkeit, die jeden satirischen Funken im Keim erstickt; zudem triumphiert die parteiliche Didaktik über die historische Atmosphärenmalerei: die 40er, die 50er, die 60er – alle Jahrzehnte sehen aus wie die 70er.

R Günter Reisch B Karl Georg Egel, Günter Reisch K Günter Haubold M Wolfram Heicking A Hans-Jörg Mirr S Bärbel Weigel P Manfred Renger D Ulrich Thein, Anna Dymna, Erwin Geschonneck, Barbara Dittus, Erik S. Klein | DDR | 106 min | 1:2,35 | f | 22. September 1978

20.11.75

Bankett für Achilles (Roland Gräf, 1975)

Karl Achilles (Erwin Geschonneck), langgedienter Werkmeister in einem volkseigenen Chemiebetrieb, geht – nolens volens – in den Ruhestand: mit den technischen Entwicklungen hat er zuletzt nur noch mühsam Schritt halten können, sein knorrig-paternalistischer Führunsstil paßt nicht mehr so recht in die Zeit. Ein Aktivist der ersten Stunde hat seine Schuldigkeit getan. Roland Gräfs still beobachtender, die Alltagsrealität immer wieder poetisch überhöhender Film ist eine Art doppeltes Endspiel über das Altern des Menschen und das Sterben der Natur. Zum einen zeigen Gräf und sein Autor Martin Stephan, mit leisem Humor, den werdenden Pensionär, der an seinem letzten Arbeitstag trotzig Normalität behauptet, um die Gefühligkeiten des unvermeidlichen Abschieds abzuwehren; zum anderen entwerfen sie, ohne Schönfärberei, ein Bild der kaputten Industrielandschaft um Bitterfeld mit ihren Wäldern von gelblich qualmenden Schornsteinen, ihren grauschwarzen Abraumhalden, aus denen kein Pflänzchen mehr sprießt. Achilles träumt davon, eine blaue Blume zu züchten (eine Kreuzung aus Wegwarte und Kornblume), die auf dem toten Boden gedeihen könnte. Seine romantische Sehnsucht erscheint nicht weniger illusorisch als das politisch-administrative Bemühen, die geschundene Erde per Abwurf von Krume und Samen aus dem Hubschrauber zu befruchten.

R Roland Gräf B Martin Stephan K Jürgen Lenz M Gerhard Rosenfeld A Georg Wratsch S Monika Schindler P Uwe Klimek D Erwin Geschonneck, Else Grube-Deister, Jutta Wachowiak, Gert Gütschow, Fred Delmare | DDR | 89 min | 1:1,66 | f | 20. November 1975

# 975 | 4. November 2015

27.3.72

Sonnensucher (Konrad Wolf, 1958/1972)

Fast 15 Jahre lang lag Konrad Wolfs Urangräberdrama auf Eis, bevor es seine Uraufführung erleben durfte. Zu ungeschminkt vielleicht schildert »Sonnensucher« die rauhe Atmosphäre der beschwerlichen Suche nach dem strahlenden Erz, zu offen möglicherweise spricht der Film von den Konflikten zwischen deutschen Arbeitern und sowjetischen Offizieren, die den Rohstoff für Stalins Bombe herbeischaffen sollen: Felsach, das (fiktive) erzgebirgische Bergbaustädtchen mit seinen schlammigen Straßen und hölzernen Baracken, mit seinen platzhirschhaften Rivalitäten und handgreiflichen Vergnügungen gleicht eher einer Westernkulisse als einem Ort, an dem der Sozialismus aufgebaut wird. Die Perspektive der Erzählung ist mehrfach gebrochen – im Mittelpunkt steht mal der »starke Mann« und Herzenskommunist Jupp (Erwin Geschonneck), dann wieder das herumgeschubste Waisenmädchen Lutz (Ulrike Germer), das zwischen drei Männer gerät: einen lieben, aber unbedarften Kumpel, einen sensiblen russischen Ingenieur und einen reizbaren, geistig wie heimatlich entwurzelten Obersteiger (Günther Simon) – deren diffizilen Charakteren Drehbuch und Regie allesamt verstehend Rechnung tragen. Von gelegentlichen agitatorischen Ausführungen unterbrochen, glückt Wolf ein formal beherrschtes, zwar strikt parteiliches, dabei aber inhaltlich nuanciertes Kaleidoskop des mühevollen Neuanfangs, der menschlichen (und politischen) Widersprüche, des ehrgeizigen Vorhabens, die nachkriegerische Unordnung in ein neues Gleichmaß zu bringen.

R Konrad Wolf B Karl Georg Egel, Paul Wiens K Werner Bergmann M Joachim Werzlau, Hans-Dieter Hosalla A Karl Schneider S Christa Wernicke P Hans-Joachim Schoeppe D Ulrike Germer, Erwin Geschonneck, Günther Simon, Manja Behrens, Wiktor Awdjuschko | DDR | 116 min | 1:1,37 | sw | 27. März 1972

25.10.67

Die Fahne von Kriwoj Rog (Kurt Maetzig, 1967)

»Ich trage eine Fahne / und diese Fahne ist rot. / Es ist die Arbeiterfahne / die Vater trug durch die Not. / Die Fahne ist niemals gefallen / so oft auch ihr Träger fiel. / Sie weht heute über uns allen / und sieht schon der Sehnsucht Ziel.« Kommunistische Bergleute aus dem Mansfelder Land (= die Guten) verstecken eine ihnen (»damals, im Jahre 1929«) von sowjetischen Klassenbrüdern geschenkte Fahne (Symbol!) erfolgreich vor Grubenherren, Nazis und Amerikanern (= den Bösen). Am Ende (des Zweiten Weltkriegs / der Erzählung) kommen die heißersehnten Befreier, und das kostbare Tuch knattert fröhlich im Wind: schöne rote Welt! Jenseits der politischen Schlichtheit ein erstklassig besetztes, hervorragend fotografiertes (Kamera: Erich Gusko), von Kurt Maetzig souverän und spannend inszeniertes Epos – so macht sozialistischer Realismus Spaß.

R Kurt Maetzig B Hans Albert Pederzani V Otto Gotsche K Erich Gusko M Gerhard Rosenfeld A Dieter Adam S Brigitte Krex P Manfred Renger D Erwin Geschonneck, Marga Legal, Harry Hindemith, Eva-Maria Hagen, Manfred Krug | DDR | 108 min | 1:2,35 | sw | 25. Oktober 1967

3.11.60

Fünf Patronenhülsen (Frank Beyer, 1960)

»Genossen im Graben: Singt alle mit!« Eine abenteuerliche Strophe aus dem Heldenepos der Linken: Fünf Interbrigadisten schlagen sich im Spanischen Bürgerkrieg durch die franquistischen Linien, um eine wichtige Botschaft ihres erschossenen Kommissars (gütig und resolut: Erwin Geschonneck) zu ihrem Stab zu bringen. Die Hitze ist gnadenlos, der Feind ist bitterböse, der Durst ist grausam. Selten sahen kommunistische Klischeebider von übermenschlichem Mut, eiserner Disziplin, unsterblichen Opfern und proletarischem Internationalismus so verlockend gut aus wie in Frank Beyers »Fünf Patronenhülsen«. Die meisterlich herbe Schwarzweiß-Kamera (Günter Marczinkowsky) setzt extreme Close-Ups der ausgedörrten Gesichter (Krug, Marian, Mueller-Stahl, Naumann, Schwill) gegen weite Totalen der ausge­dörrten Landschaft. Die Dialoge sind bedeutungsvoll karg, die Musik ist wirksam verknappt, die über­mittelte Botschaft ist bemerkenswert schlicht: »Bleibt zusammen, dann werdet ihr leben.« Die Sonne der Täuschung schien über Spanien besonders schön.

R Frank Beyer B Walter Gorrish K Günter Marczinkowsky M Joachim Werzlau A Alfred Hirschmeier S Evelyn Thieme P Willi Teichmann D Erwin Geschonneck, Ulrich Thein, Armin Mueller-Stahl, Manfred Krug, Ernst-Georg Schwill | DDR | 87 min | 1:1,37 | sw | 3. November 1960

8.5.60

Leute mit Flügeln (Konrad Wolf, 1960)

Breit angelegte filmische Historienmalerei aus streng parteilicher Sicht: Rückblicke in die Geschichte eines Flugzeugwerkes und seiner Belegschaft von Ende der Weimarer Republik und Machtübergabe an die Nazis, über Spanien- und Weltkrieg, Konzentrationslager und Befreiung, bis hin zum dornigen aber planmäßigen Aufbau des Sozialismus im kleineren aber besseren Teil Deutschlands. Im Mittelpunkt des ideologischen Ringens: der Mensch, genauer gesagt: ein Mensch. Genosse Ludwig Bartuschek (Erwin Geschonneck), Flugmechaniker, Klassenkämpfer, Kommunist mit Leib und (vor allem natürlich) Seele, schreitet durch die Zeiten mit sicherem Schritt und einem festem Ziel vor den Augen: Allen die Welt und jedem der Himmel! Aber Vorsicht: »Wer fliegen will, bevor er gehen gelernt hat, macht ’ne Bruch­landung.« Mit Sinnsprüchen wie aus dem Brigadetagebuch weist der stets aufrechten Held sich und (fast) allen anderen – auch seinem leidenschaftlich-widerspenstigen Sohn Henne (Hilmar Thate), den er einst auf der Flucht vor den Faschisten zurücklassen mußte und später als Flakhelfer wiederfand – den Weg aus Unglück und Ruinen in eine glückliche Zukunft, um schließlich seinen großen Traum emporfliegen zu sehen: Ein real-existierendes Düsenverkehrsflugzeug aus deutsch-demokratischer Produktion erhebt sich majestätisch in die Lüfte. PS: Konrad Wolfs andächtig-hölzernes Epos über »Menschen, die uns Flügel geben« wird schon kurz nach seiner Premiere, wegen der auf höchster politischer Ebene beschlossenen Abwicklung der DDR-Luftfahrtindustrie, im Archiv verschwinden. Wer fliegen will, bevor er gehen gelernt hat …

R Konrad Wolf B Karl Georg Egel, Paul Wiens K Werner Bergmann M Hans-Dieter Hosalla A Gerhard Helwig S Christa Wernicke P Siegfried Nürnberger D Erwin Geschonneck, Wilhelm Koch-Hooge, Hilmar Thate, Franz Kutschera, Rosita Fernandez | DDR | 121 min | 1:1,37 | sw & f | 8. Mai 1960

8.2.57

Schlösser und Katen (Kurt Maetzig, 1957)

Auch Affirmation kann Kunst hervorbringen: Thälmann-Regisseur Kurt Maetzig und Stalin-Hymniker Kuba erzählen mit geballten Fäusten und epischem Atem den großen sozialistisch-realistischen Heimatroman der 1950er Jahre. Vom Kriegsende 45 über Bodenreform und beginnende (Zwangs-)Kollek­tivierung bis zum Juniaufstand 53 schildert »Schlösser und Katen« (durch die ideologische Brille aber ohne Brett vorm Kopf) die Geschichte eines mecklenburgischen Dorfes und die verschlungenen Schicksale seiner Bewohner. Der Kampf zwischen dem dunklen Gestern und dem lichten Morgen führt durch ein intrigantes Heute, in dem es von buckligen Knechten, verschlagenen Gutsinspektoren, unehelichen Töchtern und argwöhnischen Bauern nur so wimmelt. Daß am Ende das Alte dem Neuen weichen muß, damit alles gut und rot werde, versteht sich von selbst. Trotz alledem: erzählerisch sehr taugliche, handwerklich überzeugende Defa-Ware.

R Kurt Maetzig B Kuba (= Kurt Barthel), Kurt Maetzig K Otto Merz M Wilhelm Neef A Alfred Hirschmeier S Ruth Moegelin P Hans Mahlich D Raimund Schelcher, Erika Dunkelmann, Karla Runkehl, Erwin Geschonneck, Harry Hindemith | DDR | 204 min | 1:1,37 | sw | 8. Februar 1957

7.12.56

Der Hauptmann von Köln (Slatan Dudow, 1956)

Köln, in den Jahren des Wirtschaftwunders. Die Neonreklamen blinken, aber der arbeitslose Kellner Hans Albert Hauptmann (Rolf Ludwig) kriecht auf dem Zahnfleisch. Als er bei einem verschwitzten Kameradschaftsabend ehemaliger Wehrmachtssoldaten mit einem gewissen Hauptmann Hans Albert verwechselt wird, schlüpft er, ohne lange zu fackeln, in die Rolle des totgeglaubten Offiziers. Während der echte Hauptmann (Erwin Geschonneck), der sich wegen einiger häßlicher Kriegsverbrechen totstellen mußte, als Untermieter bei seiner eigenen Witwe lebt, wird der falsche Hauptmann von den Herren (und Damen) der Bonner Republik empfangen wie ein verlorener Sohn – und macht steile Karriere: Personalchef bei der Montan AG, Bundestagsabgeordneter, Staatssekretär in spe … Schon in »Frauenschicksale« zeigte Defa-Regisseur Slátan Dudow ein Faible für die cartooneske Ausmalung westlicher Lebensform; »Der Hauptmann von Köln«, eine grelle Politfarce, ein antifaschistisches Graubuch in Agfacolor, bietet ihm Gelegenheit, seiner filmisch-satirischen Leidenschaft ausgiebig zu frönen. (Vielleicht etwas zu ausgiebig – ein wenig Straffung hätte dem Werk nicht geschadet.) Wo das Adenauer-Kino (wenn überhaupt) höchstens kabarettistische Anspielungen auf bestimmte Entwicklungen im eigenen Lande wagt, läßt Dudow in Oskar Pietschs phantastisch-realistischen Studiobauten ein naturgetreu überzeichnetes Panoptikum bundesdeutscher Typen aufmarschieren: klüngelnde Amtsträger und zielbewußte Wirtschaftkapitäne, willig-fordernde society girls und alte Kämpen, die explosive Morgenluft wittern. Ob es sich dabei um die tendenziöse Verzerrung bedauerlicher Einzelfälle oder um das schonungslose Abbild symptomatischer Erscheinungen handelt, mag der Betrachter, je nach Standpunkt, selbst entscheiden.

R Slátan Dudow B Michael Tschesno-Hell, Henryk Keisch, Slátan Dudow K Werner Bergmann, Helmut Bergmann M Wilhelm Neef A Oskar Pietsch S Lena Neumann P Adolf Fischer D Rolf Ludwig, Erwin Geschonneck, Christel Bodenstein, Kurt Steingraf, Marie-Luise Etzel | DDR | 118 min | 1:1,37 | f | 7. Dezember 1956

11.5.51

Das Beil von Wandsbek (Falk Harnack, 1951)

Hamburg, kurz nach der »Machtergreifung«. Die Geschäfte des national gesinnten Schlachters Teetjen (Erwin Geschonneck) gehen schlecht. Zu unmodern ist sein Betrieb: ohne Kühlung keine Kunden. Da kommt das lukrative Angebot eines alten Kriegskameraden gerade recht: SS-Standartenführer Footh sucht einen Scharfrichter, der vier sondergerichtlich zum Tode verurteilte Kommunisten köpft – vor deren Exekution will der »Führer« nicht an die Elbe reisen. Teetjen erledigt den Auftrag für ein Blutgeld von 2.000 Mark. Der Laden wird aufgemöbelt, die Sache spricht sich rum, der Schlachter und seine Frau Stine (Käthe Braun) sind finanziell und menschlich ruiniert … In den kammerspielhaften Szenen zwischen den Eheleuten erreicht das kleinbürgerliche Trauerspiel um Existenzangst und Aufstiegsträume, um Verführung und Verblendung die größte Dichte; das Schlüsselbild seiner Arnold-Zweig-Adaption findet Regisseur Falk Harnack, wenn er Teetjen vor dem Spiegel des heimischen Schlafzimmerschranks als Henker posieren läßt: der Biedermann als Killer (von Recht und Ordnung), in (geliehenem) Cutaway, mit Zylinder und Maske, Großvaters Beil (»Echter Sheffield-Stahl!«) entschlossen im Anschlag. Um das intime Drama gruppieren sich die Mobilmacher und Mitkriecher der Diktatur: ein Panoptikum großmäuliger Tönespucker und hundsgemeiner Fledderer. Dagegen setzt Harnack – allzu onkelhaft-belehrend – den Widerstand gläubiger Kommunisten, die wie heroische Denkmäler ihrer selbst ins bessere Morgen blicken, wo »die rote Fahne auf dem Michel weht« … Den Kulturwächtern der jungen DDR ist die Aussage dennoch zu unscharf, zu rücksichtsvoll-verstehend erscheint ihnen der Blick auf einen armen Teufel, den Not und Unverstand zum Mörder machen: Einen Monat nach der Premiere verschwindet »Das Beil von Wandsbek« aus den deutsch-demokratischen Kinos. Und Falk Harnack geht in den Westen.

R Falk Harnack B Hans Robert Bortfeldt, Falk Harnack, Wolfgang Staudte, Werner Jörg Lüddecke V Arnold Zweig K Robert Baberske M Ernst Roters A Erich Zander, Karl Schneider S Hilde Tegener P Kurt Hahne D Erwin Geschonneck, Käthe Braun, Gefion Helmke, Willy A. Kleinau, Maly Delschaft | DDR | 111 min | 1:1,37 | sw | 11. Mai 1951

13.7.47

In jenen Tagen (Helmut Käutner, 1947)

Das Land ist eine Trümmerwüste. Kriegskrüppel durchwandern den Schutt. Zeit nach dem Ende der Zeit. Gibt es noch Menschen? Hat es je welche gegeben? Sinnlos erscheint es den Überlebenden, angesichts der totalen Katastrophe den Versuch zu unternehmen, äußere und innere Ordnung zu schaffen. Ein toter Gegenstand meldet sich zu Wort, ein schrottreifes Auto (es spricht mit der Stimme des Regisseurs Helmut Käutner) will berichten, nicht von großen Ereignissen, nicht von Helden, nur von ein paar Schicksalen, von ein paar Menschen, denen es begegnet ist, damals … Der Titel des ersten westdeutschen Nachkriegsfilms sagt viel, wenn nicht alles: Zwölf Jahre mörderischer Diktatur werden zu »jenen Tagen« – das klingt nach dämmerigem Mythos, nach ferner Vorgeschichte, nach geheimnisvollem Unglück. Käutner stellt sich denn auch nicht dem Bösen, der Schuld, dem konkreten Verbrechen, stattdessen spricht er vom Guten, von der Hilflosigkeit, von einer allgemeinen Menschlichkeit, die es auch (und gerade) in »dunkler Zeit« gegeben haben muß. In sieben Episoden, die zwischen dem 30. Januar 1933 und dem Zusammenbruch 1945 spielen, sucht der Film fast verzweifelt nach Bildern vom richtigen Leben im falschen, wühlt nach positiven Bruchstücken von Biographien wie nach nutzbaren Gegenständen im Scherbenhaufen: »Die Zeit war stärker als sie, aber ihre Menschlichkeit war stärker als die Zeit.« Das Schlußkapitel versammelt einen Mann namens Josef, eine Frau namens Marie und ein Kind in einer Scheune. In den Ruinen blühen die Sträucher. Die Hoffnung stirbt zuletzt … Der trotzige Glaube an eine ewige Humanitas und die kaum verhüllte Abgespanntheit der Schauspieler machen »In jenen Tagen« – bei allem aufdringlichen Symbolismus und aller Schlichtheit des historischen Denkens – zu einem erhellenden Zeitdokument der deutschen Befindlichkeit nach dem Sprung in den Abgrund.

R Helmut Käutner B Helmut Käutner, Ernst Schnabel K Igor Oberberg M Bernhard Eichhorn A Herbert Kirchhoff S Wolfgang Wehrum P Helmut Käutner D Winnie Markus, Werner Hinz, Alice Treff, Ida Ehre, Carl Raddatz, Bettina Moissi | (W) | 98 min | 1:1,37 | sw | 13. Juni 1947