13.3.59

Ware für Katalonien (Richard Groschopp, 1959)

Das Leben schreibt die schönsten Geschichten. Zum Beispiel die Geschichte von Hasso Schützendorf, der große Mengen optischer Geräte (Fotoapparate, Feldstecher, Fernrohre) aus der Deutschen Demokratischen Republik ins kapitalistische Ausland schmuggelt (bzw. von Spießgesellen schmuggeln läßt) und dortselbst mit Millionengewinn verscherbelt. Das volkseigene Kino der solchermaßen ökonomisch geschädigten DDR kann diese schöne Geschichte natürlich nicht ungestraft geschehen lassen und schreibt (= filmt) sie deswegen entschieden um. Auf der Defa-Leinwand kommen zwei VP-Offiziere den kriminellen Aktivitäten des Optik-Schiebers Hasso Teschendorf (genannt »der Spanier«) gewitzt auf die Schliche und souverän in die Quere. Die Karriere des unlizensierten Interzonenhändlers endet (ganz anders als in der Wirklichkeit), nach einer dramatischen Verfolgungsjagd, auf der Ostseite des Brandenburger Tores. Richard Groschopp setzt diesen frommen Wunschtraum vom Sieg der sozialistischen Gerechtigkeit mit politisch bewußtem Genreschmackes und einer gehörigen Portion Hintertreppenwitz in Szene.

R Richard Groschopp B Lothar Creutz, Carl Andrießen, Richard Groschopp K Eugen Klagemann M Hans Hendrik Wehding A Erich Zander S Helga Emmrich P Willi Teichmann D Hartmut Reck, Heinz-Dieter Knaup, Eva-Maria Hagen, Ivan Malré, Wilfried Ortmann, Hanna Rimkus | DDR | 99 min | 1:1,37 | sw | 13. März 1959

# 978 | 21. November 2015

12.3.59

Der Mann, der sich verkaufte (Josef von Báky, 1959)

»Wenn man bedenkt, wo wir waren, und wo wir jetzt sind.« Niko Jost, junger, hungriger Journalist bei der »FWZ« (mit geblähten Nüstern: Hansjörg Felmy) kommt zufällig der Schiebervergangenheit eines erfolgreichen Hoteliers auf die Schliche, wittert die große Story, schreibt mit Feuereifer (»Da ist was faul, wenn einer derart hochkommt!«) die Serie »Schwarzer Markt und weiße Westen« – und läuft doch eigentlich nur an der (kurzen) Leine seines bedenkenlos-auflagengeilen Herausgebers (wohlgenährt: Ernst Schröder) ... Autor Erich Kuby (der seinem gesellschaftskritischen Unmut zuvor bereits mit »Das Mädchen Rosemarie« Luft machte) feuert eine Breitseite auf Medien, Politik und Wirtschaft, Regisseur Josef von Báky inszeniert das zeitdiagnostische Traktat über Seilschaftsdenken, Pharisäertum und Futterneid in der jungen Bundesrepublik mit der kühlen, schwarzen Präzision des späten Fritz Lang. In pointierten Nebenrollen treten auf: Hildegard Knef als vornehme Dame mit Vergangenheit, Kurt Ehrhardt als Unternehmer in plötzlichen Nöten und Hans Paetsch (der nachmalige »Märchenonkel der Nation«) als ebenso abgewogener wie abgemeldeter Chefredakteur.
R Josef von Báky B Erich Kuby K Friedl Behn-Grund M Georg Haentzschel A Erich Kettelhut, Johannes Ott S Caspar van den Berg P Hans Abich, Rolf Thiele D Hansjörg Felmy, Hildegard Knef, Ernst Schröder, Antje Weisgerber, Kurt Ehrhardt | BRD | 103 min | 1:1,37 | sw | 12. März 1959

11.3.59

Les cousins (Claude Chabrol, 1959)

Schrei, wenn du kannst

Eine Art Gegenstück zu Claude Chabrols Erstling »Le beau Serge«: wieder Jean-Claude Brialy und Gérard Blain in den Hauptrollen zweier gegensätzlicher junger Männer, die diesmal allerdings nicht in der Provinz sondern in Paris aufeinandertreffen. Charles (Blain), Muttersöhnchen und Unschuld vom Lande, zieht zu seinem extravaganten Vetter Paul (Brialy), um, wie dieser, an der Sorbonne die Rechte zu studieren, versinkt jedoch bald schon im hektischen Vergnügungsbetrieb der hauptstädtischen jeunesse dorée. Auf feuchtfröhlichen Partys, bei nächtlichen Spritztouren, insbesondere aber im rivalisierenden Werben um die Gunst der flatterhaften Florence (Juliette Mayniel) treten die konträren Charaktere der Cousins deutlich zu Tage. Der neutrale Beobachter Chabrol und sein unbarmherziger Koautor Paul Gégauff lassen keinen Zweifel daran, wer das (Ratten-)Rennen macht, wenn ein oberflächlich-charmanter Zyniker (der schon mal einen dösenden jüdischen Freund mit geschnarrten deutschen Kommandorufen aus dem Schlaf reißt) und ein strebsam-naiver Idealist (der an die Offenheit des Herzens wie auch an den Nutzeffekt von Redlichkeit und Fleiß glaubt) miteinander im Wettbewerb stehen.

R Claude Chabrol B Claude Chabrol, Paul Gégauff K Henri Decaë M Paul Misraki A Jacques Saulnier, Bernard Evein S Jacques Gaillard P Claude Chabrol D Jean-Claude Brialy, Gérard Blain, Juliette Mayniel, Claude Cerval, Guy Decomble | F | 108 min | 1:1,37 | sw | 11. März 1959

# 999 | 9. Mai 2016

5.3.59

Das indische Grabmal (Fritz Lang, 1959)

»Die wunderbare Rettung der Liebenden« versprachen die Schlußtitel von »Der Tiger von Eschnapur«, nachdem die indische Tänzerin Sitah (Debra Paget) und ihr deutscher Geliebter Harald Berger (Paul Hubschmid), auf der Flucht vor dem eifersüchtigen Maharadscha Chandra (Walter Reyer) entkräftet in der Wüste zusammengebrochen waren … Im zweiten Teil seiner fernwehtrunkenen Epos-Illusion verschiebt Fritz Lang den dramaturgischen Akzent von der lebensgefährlichen Romanze zum höfischen Ränkespiel: Sitah wird zum Dreh- und Angelpunkt einer Palastintrige gegen den Fürsten – für Lang eine willkommene Gelegenheit, ausgiebig durch das doppelte Kulissen-Labyrinth der prächtig-kalten Korridore und Säle des Schlosses sowie der darunterliegenden düster-feuchten Grotten und Gänge zu streifen. Erzählerisch und visuell weitgehend eine Reprise des ersten Teils, bietet »Das indische Grabmal« zwei Szenen, die als Steigerung des schon Gesehenen filmischen Eindruck hinterlassen: Zum einen Sithas in rasantem Show-off-Kostüm dargebotener Schlangentanz auf Leben und Tod unter den Augen einer bühnen­umnebelten Pappmaché-Göttin (die deutlich sichtbaren Fäden der zu beschwörenden Marionetten-Kobra mögen als Brechtscher Verfremdungseffekt durchgehen); zum anderen der Sturz einer properen, weißen Frau (Bergers besorgte Schwester auf der Suche nach ihrem verschwundenen Bruder) in die unter Eschnapur gelegene Höhle der Leprakranken – die schockierende Begegnung einer sozial Bevorzugten mit den gesellschaftlich Verges­senen wirkt wie das klamottige Menetekel einer drohenden Konfrontation von Unten und Oben.

R Fritz Lang B Werner Jörg Lüddecke, Fritz Lang V Thea von Harbou K Richard Angst M Gerhard Becker A Willi Schatz, Helmut Nentwig S Walter Wischniewsky P Artur Brauner D Debra Paget, Paul Hubschmid, Walter Reyer, Claus Holm, Sabine Bethmann | BRD & F & I | 101 min | 1:1,37 | f | 5. März 1959