31.8.49

The Third Man (Carol Reed, 1949)

Der dritte Mann

Der Tod, das muß ein Wiener sein. Oder ein nach Wien Zugereister. Einer wie Harry Lime. Orson Welles spielt ihn als liebenswert-eloquenten Schurken, dem man trotz seiner Amoralität und der Leichen, die an seinem Weg liegenbleiben, kaum böse sein mag. Denn warum sollte er besser sein, als die (Nachkriegs-)Ära, in die es ihn geworfen hat? »Nobody thinks in terms of human beings. Governments don’t. Why should we? They talk about the people and the proletariat, I talk about the suckers and the mugs – it’s the same thing. They have their five-year-plans, so have I.« In ihrem verkanteten Klassiker (Kamera: Robert Krasker) nehmen Graham Greene (Buch) und Carol Reed (Regie) die Ruinen von Wien als expressives Bild der ethischen Verwahrlosung, die Völkermord und Weltenbrand hinterlassen haben. Zwischen den Trümmern fretten sich Lime und seine Spießgesellen Popescu (Siegfried Breuer), Baron Kurtz (Ernst Deutsch) und Dr. Winkel (Erich Ponto) ohne Gewissenspein durch die Zeitläufte. Die halsstarrige Naivität von Harrys Freund (?) Holly (Joseph Cotten), der den menschlichen Bankrott seines alten Kumpels partout nicht wahrhaben will, ist dabei nur die andere Seite der schmutzigen Medaille. Die Geschichte – in der (natürlich) auch eine Frau (schön und traurig: Alida Valli) eine nicht unwesentliche Rolle (zwischen den Freunden und zwischen den Fronten) spielt – endet ohne eine Moral zu hinterlassen am einzig passenden Ort: in einer Kloake. Ein kurzes Nachspiel auf dem Friedhof (!) entläßt den Zuschauer in die triste Wirklichkeit. Besonders einprägsam wird »The Third Man« durch die Zither von Anton Karas, der die alteuropäisch-wienerische Walzer- und Heurigenseligkeit zu einer Erinnerung an niegewesene bessere Zeiten werden läßt.

R Carol Reed B Graham Greene K Robert Krasker M Anton Karas A Vincent Korda S Oswald Hafenrichter P Carol Reed, Alexander Korda, David O. Selznick D Joseph Cotten, Alida Valli, Orson Welles, Trevor Howard, Paul Hörbiger | UK | 104 min | 1:1,37 | sw | 31. August 1949

25.8.49

Madame Bovary (Vincente Minnelli, 1949)

Madame Bovary und ihre Liebhaber

»All she wanted was everything.« Die von haltloser Schnulzenlektüre und schulmädchenhaften Illusionen geschürte Sehnsucht nach Romantik, Luxus und Ausgefallenheit treibt eine provinzielle Arztgattin (Jennifer Jones) ins amouröse und finanzielle Desaster; ihr liebevoll-tumber Ehemann (Van Heflin) kann dem prunkvoll-verzweifelten Absturz nur hilflos zusehen, um schließlich mit ins Verderben gerissen zu werden. Vincente Minnelli besprüht den stählernen Mattglanz der Flaubertschen Sachlichkeit zwar mit reichlich MGM-Glimmer – insbesondere die Stofferuptionen des Kostümbildes von Walter Plunkett verorten »Madame Bovary« eher in der traumfabrizierten Überwelt Hollywoods denn im französischen Hinterland des 19. Jahrhunderts –, und doch (oder vielleicht gerade deshalb) gelingt ihm eine plausible Studie des Konflikts zwischen inneren (mediengenerierten) Wunschwelten und der im Vergleicht mit den Trugbildern geradezu zwangsläufig enttäuschenden, trivial erscheinenden Wirklichkeit. »Is it a crime to want things to be beautiful?«

R Vincente Minnelli B Robert Ardrey V Gustave Flaubert K Robert Planck M Miklós Rózsa A Cedric Gibbons, Jack Martin Smith S Ferrs Webster P Pandro S. Berman D Jennifer Jones, Van Heflin, Louis Jourdan, Christopher Kent (= Alf Kjellin), James Mason | USA | 114 min | 1:1,37 | sw | 25. August 1949

19.8.49

I Was a Male War Bride (Howard Hawks, 1949)

Ich war eine männliche Kriegsbraut

»You'll think I'm a bride but actually I'm a husband.« Zwei wie Hund (Cary Grant) und Katz (Ann Sheridan): Ein französischer Capitaine und ein weiblicher amerikanischer Lieutenant auf gemeinsamer alliierter Mission durch das besetzte Nachkriegsdeutschland. Auf der holperigen Fahrt von Heidelberg nach Bad Nauheim (im Motorrad mit Beiwagen!) versuchen der blasierte Offizier und die neckische Offizierin ihre gegenseitige tiefe Zuneigung sowohl vor sich als auch vor dem Publikum geheimzuhalten – bis (im Heuschober!) endlich die Liebe durch den Uniformpanzer bricht. Eine lange Reihe, von Howard Hawks mit stoischer Gelassenheit inszenierter, amüsant-konfuser Eskapaden (in denen die Geschlechterrollen immer wieder durcheinandergeraten) wird – nach halsbrecherischer Flußfahrt, schlaflosen Nächten, bürokratischem Irrsinn – von Grants burschikosem War-Bride-Drag-Auftritt mit Original-Pferdeschweif-Perücke gekrönt … Die On-Location-Kamera von Norbert Brodine (der zuvor diverse Semi-Doku-Thriller für Henry Hathaway fotografierte) sammelt während der Screwball-Reise bemerkenswerte Impressionen zerbombter Großstädte und zeigt, ganz ohne Heimatschnulz, Bilder eines alten Deutschland – seiner beschaulichen kleinen Ortschaften, seiner idyllischen Natur –, Ansichten eines Landes, das schon bald im Hochbetrieb des Wirtschaftswunders verschwinden wird.

R Howard Hawks B Charles Lederer, Leonard Spigelglass, Hagar Wilde V Henri Rochard K Norbert Brodine, Osmond Boradaile M Cyril Mockridge A Albert Hogsett, Lyle Wheeler S James B. Clark P Sol C. Siegel D Cary Grant, Ann Sheridan, Marion Marshall, Randy Stuart, Bill Neff | USA | 105 min | 1:1,37 | sw | 19. August 1949