In den Wind geschrieben
»Just like the dying leaves / our dreams we've calmly thrown away.« Hadley. So heißt die Stadt. So heißt das Unternehmen. So heißt die Familie. Hadley. Das ist die Welt in einer Nußschale. Besser gesagt: in einem Ölfaß. Öl. Der Stoff, aus dem die amerikanischen Träume sind. Und die Alpträume … Ein Sportwagen rast durch die Nacht. Ein Sturm fegt ums Herrenhaus. Ein Mann spielt verrückt. In der Bibliothek fällt ein Schuß. Das Ende eines Traums. Und eines Alptraums. Einst hatte Selfmade-Millionär Jasper Hadley einen Jungen aus einfachen Verhältnissen als Ziehkind aufgenommen, damit sein Sohn und seine Tochter den Kontakt zur Realität nicht verlören; Jahre später steht Mitch Wayne (Rock Hudson) mit beiden Beinen im Leben, während Kyle (Robert Stack) und seine Schwester Marylee (Dorothy Malone) sich dem Suff und der Lust, den falschen Hoffnungen und dem Selbstmitleid der Überpriveligierten hingeben. Der Auftritt der selbstbewußt-lässigen Lucy Moore (Lauren Bacall) löst – nach einem kurzen Scheinfrieden – endgültig die Katastrophe in dieser texanischen Tragödie aus. Reichtum und Mangel, Impotenz und Erotomanie, brennende Sehnsucht und heulender Verzicht – Douglas Sirk inszeniert das überlebensgroße Drama dieser, im Schatten riesiger Bohrtürme und gigantischer Tanks liegenden, luxuriösen Familienhölle mit seifenopernhafter Wirkungskraft und (gesellschafts-)kritischer Distanz, in expressiven Farben und schnörkellos komponierten Bildern. Hochglanz-Southern-Gothic von erster Qualität: »What's written on the wind / is written in my heart.«
R Douglas Sirk B George Zuckerman V Robert Wilder K Russell Metty M Frank Skinner A Alexander Golitzen, Robert Clatworthy S Russell F. Schoengarth P Albert Zugsmith D Rock Hudson, Lauren Bacall, Robert Stack, Dorothy Malone, Robert Keith | USA | 99 min | 1:2,0 | f | 29. Oktober 1956
# 938 | 3. Februar 2015
29.10.56
26.10.56
La traversée de Paris (Claude Autant-Lara, 1956)
Zwei Mann, ein Schwein und die Nacht von Paris
»Dans chaque Français il y a un cochon qui sommeille … et dans chaque homme peut-être.« In einer Nacht während der deutschen Okkupation (Verdunklung!) schleppen zwei Männer – ein duckmäuserischer Schieber (Bourvil) und ein impulsiver Künstler (Jean Gabin) – ein schwarz geschlachtetes Schwein, verteilt auf vier Koffer, quer durch Paris. Während der eine mit dem Schleichhandel sein zweifelhaftes Auskommen findet, sucht der andere die Abwechslung, den Nervenkitzel, die Inspiration. Verfolgt von einer wachsenden Zahl herrenloser Köter, begegnen die beiden ungleichen, aber gleichermaßen abstoßend-sympathischen Transportarbeiter auf ihrem gefahrvollen Weg (vorbei an argwöhnischen Flics, uniformierten Patrouillen und betagten Nutten) einigen ehrwürdigen Vertretern der französischen Gesellschaft ihrer Zeit: Leisetretern und Pharisäern, Maulhelden und Nutznießern des Mangels – kurze Zusammentreffen, die grelle Schlaglichter in die Düsternis der Besetzungsmentalität werfen. Claude Autant-Lara inszeniert »La traversée de Paris« als schäbige Komödie voller unappetitlicher Momente (etwa wenn Bourvil Akkordeon spielen muß, um das Todesquieken der von Louis de Funès gepeinigten Sau zu übertönen), eine Komödie, die er nicht ohne Konsequenz in ein kümmerliches Drama umschlagen läßt, um zu guter (?) Letzt noch eine maliziöse Schlußpointe draufzusetzen. PS: »Die Pflastersteine auf der Straß’, / Die sollen jetzt sich spalten …«
R Claude Autant-Lara B Jean Aurenche, Pierre Bost V Marcel Aymé K Jacques Natteau M René Cloërec A Max Douy S Madeleine Gug P Henry Deutschmeister D Jean Gabin, Bourvil, Jeannette Batti, Louis de Funès, Robert Arnoux | F & I | 80 min | 1:1,37 | sw | 26. Oktober 1956
»Dans chaque Français il y a un cochon qui sommeille … et dans chaque homme peut-être.« In einer Nacht während der deutschen Okkupation (Verdunklung!) schleppen zwei Männer – ein duckmäuserischer Schieber (Bourvil) und ein impulsiver Künstler (Jean Gabin) – ein schwarz geschlachtetes Schwein, verteilt auf vier Koffer, quer durch Paris. Während der eine mit dem Schleichhandel sein zweifelhaftes Auskommen findet, sucht der andere die Abwechslung, den Nervenkitzel, die Inspiration. Verfolgt von einer wachsenden Zahl herrenloser Köter, begegnen die beiden ungleichen, aber gleichermaßen abstoßend-sympathischen Transportarbeiter auf ihrem gefahrvollen Weg (vorbei an argwöhnischen Flics, uniformierten Patrouillen und betagten Nutten) einigen ehrwürdigen Vertretern der französischen Gesellschaft ihrer Zeit: Leisetretern und Pharisäern, Maulhelden und Nutznießern des Mangels – kurze Zusammentreffen, die grelle Schlaglichter in die Düsternis der Besetzungsmentalität werfen. Claude Autant-Lara inszeniert »La traversée de Paris« als schäbige Komödie voller unappetitlicher Momente (etwa wenn Bourvil Akkordeon spielen muß, um das Todesquieken der von Louis de Funès gepeinigten Sau zu übertönen), eine Komödie, die er nicht ohne Konsequenz in ein kümmerliches Drama umschlagen läßt, um zu guter (?) Letzt noch eine maliziöse Schlußpointe draufzusetzen. PS: »Die Pflastersteine auf der Straß’, / Die sollen jetzt sich spalten …«
R Claude Autant-Lara B Jean Aurenche, Pierre Bost V Marcel Aymé K Jacques Natteau M René Cloërec A Max Douy S Madeleine Gug P Henry Deutschmeister D Jean Gabin, Bourvil, Jeannette Batti, Louis de Funès, Robert Arnoux | F & I | 80 min | 1:1,37 | sw | 26. Oktober 1956
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19.10.56
Der Meineidbauer (Rudolf Jugert, 1956)
»Das ist nicht mit zwei Worten zu erklären. Das ist ein Weg, den man da geht.« Schon die Titelsequenz läßt die dramatischen Brüche des (von Edgar G. Ulmer produzierten!) Films ahnen: Expressive Pinselschrift und kursive Fraktur stehen in leuchtendem Gelb vor lila bestrahltem Fels; dazu eine Musik (Friedrich Meyer), die unvermittelt zwischen einem unruhig treibenden Thrillerthema herrmannesker Prägung und traulicher Heile-Welt-Sinfonik wechselt. Rudolf Jugerts Anzengruber-Adaption verlegt den haßerfüllten Erbschaftsstreit um einen Bergbauernhof aus dem 19. Jahrhundert in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg: Matthias Ferner (Carl Wery), der ein Leben lang als erster Knecht die zweite Geige spielen mußte, unterschlägt das Testament des verunfallten Stiefbruders, in dem dieser den Hof seiner Geliebten Paula Roth (Heidemarie Hatheyer) und seinen beiden unehelichen Kinder vermacht; vor Gericht bezeugt Matthias mit einem Meineid, daß es die Verfügung nie gegeben habe – wird jedoch in Folge von einem armseligen Amtsdiener erpreßt, dem ein Beweis des Unrechts in die Finger gelangt … »Wer will bestreiten, daß ich ein Recht habe?« fragt empört der vom Bruder übergangene Matthias. »Ich will mein Recht!« beharrt die betrogene Paula, die zu keinem Kompromiß bereit ist. Heimat erscheint in diesem steinharten Heimatfilm kaum als friedliches Refugium, vielmehr als nächtliche Landschaft des Vorwurfs, des Ressentiments, der Verachtung, wo auch die Natur stets ihr Doppelgesicht zeigt: Der majestätisch ragende Berg ist zugleich lebensgefährlicher Abhang. Die Schuld treibt den unfrohen Schuldiger vor sich her, der Fluch der bösen Tat droht, sich fortzutragen in die nächste Generation, wird aber – das Genre fordert seinen sentimentalen Tribut – zuletzt aufgewogen von der Liebe: »Da kann man jetzt nichts mehr machen.«
R Rudolf Jugert B Erna Fentsch V Ludwig Anzengruber K Roger Hubert M Friedrich Meyer A Max Mellin S Lilian Seng P Edgar G. Ulmer D Carl Wery, Heidemarie Hatheyer, Christiane Hörbiger, Hans von Borsody, Joseph Offenbach, Attila Hörbiger | BRD | 104 min | 1:1,37 | f | 19. Oktober 1956
# 877 | 10. Juni 2014
R Rudolf Jugert B Erna Fentsch V Ludwig Anzengruber K Roger Hubert M Friedrich Meyer A Max Mellin S Lilian Seng P Edgar G. Ulmer D Carl Wery, Heidemarie Hatheyer, Christiane Hörbiger, Hans von Borsody, Joseph Offenbach, Attila Hörbiger | BRD | 104 min | 1:1,37 | f | 19. Oktober 1956
# 877 | 10. Juni 2014
15.10.56
Sorok perwij (Grigori Tschuchrai, 1956)
Der Einundvierzigste
Ein Abenteuerfilm, eine Robinsonade, ein Melodram aus den Wirren des Russischen Bürgerkriegs. Marija ist Scharfschützin einer Einheit von Rotarmisten in der kasachischen Wüste. Vierzig Weißgardisten hat sie schon abgeknallt, als ihre Leute den gegnerischen Offizier Wadim gefangensetzen. Auf dem beschwerlichen Weg ins rote Hauptquartier kommt die ruppige Bolschewistin dem blauäugigen Zaristen näher, trägt dem feindlichen Schöngeist sogar ihre holprigen, aber tiefempfundenen Revolutionsverse vor. Bei der Überquerung des Aralsees gerät der Trupp in ein Unwetter. Das Paar strandet auf einer kleinen Insel, gelangt an einem märchenhaften Ort abseits von Zeit und Krieg. Für einen Moment pfeift die Liebe auf den Lauf der Geschichte, erobert sich eine kurze irreale Ewigkeit. Doch die Liaison zwischen dem Gestern und dem Morgen bleibt Episode, das unbarmherzige Heute bricht sich Bahn: Wadim wird Marias Einundvierzigster … Grigori Tschuchrai verzichtet fast völlig auf propagandistische Zuspitzung: Wadims Sehnsucht nach dem Frieden seiner Bibliothek, Marias Sehnsucht nach einer besseren Gesellschaft werden nicht ideologisch aufgewogen, der politische Gegensatz schafft in erster Linie die dramatische Situation. (Daß die (Protagonistin der) Zukunft ihr Glück zerstört, indem sie die (bzw. einen Vertreter der) Vergangenheit tötet, bleibt gleichwohl traurige Pointe der Erzählung.) Die hermetischen Künstlichkeit von »Sorok perwij« erinnert an die subversiven Gefühlsfilme Douglas Sirks; die poetischen Farbtableaus von Menschen in Sand und Meer (Kamera: Sergei Urussewski), die malerischen Visionen von Zärtlichkeit und Brutalität lassen die radikale, die tödliche Romantik einer Welt im historischen Umbruch sicht- und fühlbar werden.
R Grigori Tschuchrai B Grigori Kolutonow V Boris Lawrenjow K Sergei Urussewski M Nikolai Krjukow A Wladimir Kamski, Konstantin Stepanow S L. Lisenkowa P Mosfilm D Isolda Iswitskaja, Oleg Strischenow, Nikolai Krjutschkow | SU | 88 min | 1:1,37 | f | 15. Oktober 1956
Ein Abenteuerfilm, eine Robinsonade, ein Melodram aus den Wirren des Russischen Bürgerkriegs. Marija ist Scharfschützin einer Einheit von Rotarmisten in der kasachischen Wüste. Vierzig Weißgardisten hat sie schon abgeknallt, als ihre Leute den gegnerischen Offizier Wadim gefangensetzen. Auf dem beschwerlichen Weg ins rote Hauptquartier kommt die ruppige Bolschewistin dem blauäugigen Zaristen näher, trägt dem feindlichen Schöngeist sogar ihre holprigen, aber tiefempfundenen Revolutionsverse vor. Bei der Überquerung des Aralsees gerät der Trupp in ein Unwetter. Das Paar strandet auf einer kleinen Insel, gelangt an einem märchenhaften Ort abseits von Zeit und Krieg. Für einen Moment pfeift die Liebe auf den Lauf der Geschichte, erobert sich eine kurze irreale Ewigkeit. Doch die Liaison zwischen dem Gestern und dem Morgen bleibt Episode, das unbarmherzige Heute bricht sich Bahn: Wadim wird Marias Einundvierzigster … Grigori Tschuchrai verzichtet fast völlig auf propagandistische Zuspitzung: Wadims Sehnsucht nach dem Frieden seiner Bibliothek, Marias Sehnsucht nach einer besseren Gesellschaft werden nicht ideologisch aufgewogen, der politische Gegensatz schafft in erster Linie die dramatische Situation. (Daß die (Protagonistin der) Zukunft ihr Glück zerstört, indem sie die (bzw. einen Vertreter der) Vergangenheit tötet, bleibt gleichwohl traurige Pointe der Erzählung.) Die hermetischen Künstlichkeit von »Sorok perwij« erinnert an die subversiven Gefühlsfilme Douglas Sirks; die poetischen Farbtableaus von Menschen in Sand und Meer (Kamera: Sergei Urussewski), die malerischen Visionen von Zärtlichkeit und Brutalität lassen die radikale, die tödliche Romantik einer Welt im historischen Umbruch sicht- und fühlbar werden.
R Grigori Tschuchrai B Grigori Kolutonow V Boris Lawrenjow K Sergei Urussewski M Nikolai Krjukow A Wladimir Kamski, Konstantin Stepanow S L. Lisenkowa P Mosfilm D Isolda Iswitskaja, Oleg Strischenow, Nikolai Krjutschkow | SU | 88 min | 1:1,37 | f | 15. Oktober 1956
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10.10.56
Die Trapp-Familie (Wolfgang Liebeneiner, 1956)
»Vom Kloster zum Welterfolg« oder Der Klang der Musik. Wo Robert Wise im Fahrwasser von Rodgers und Hammerstein überlangen Salzburg-Camp abliefern wird, läßt Wolfgang Liebeneiner seinem Publikum treuösterreichischen Kitsch angedeihen: Ruth Leuwerik (die es, wie in fast jeder ihrer Rollen, schafft, einen Tick zu alt zu wirken) treibt als patent-naive Möchtegern-Nonne Maria dem verbohrten Ex-k.u.k.-Kapitän von Trapp (Hans Holt) die militärischen Flausen aus und bringt dessen vielköpfige Kinderschar auf volksmusikalischen Kurs. Der erfolgreichste Film des Adenauer-Kinos (27 Millionen Deutsche können nicht irren!) erzählt viel von Durchhalten in schwerer Zeit (in diesem Fall: die Jahre rund um den »Anschluß« von felix Austria an das Deutsche Reich) und von frohgemut-tapferer Kopf-hoch-Mentalität: »Wenn Gott eine Tür zuschlägt, öffnet er ein Fenster!« Liebeneiner inszeniert über weite Strecken heimatlich-kreuzbrav und restaurativ-wirkungssicher; wenn er aber gegen Ende des Films – die Trapps sind mittlerweile wegen Schwierigkeiten mit den Nazis in Amerika (genauer gesagt: auf Ellis Island) gelandet – zwei plutokratisch-kulturjüdische Broadway-Agenten (die Herren Samish und Petroff) auftreten läßt, kann er den Film-Professor von Goebbels’ Gnaden doch nicht ganz verleugnen …
R Wolfgang Liebeneiner B Georg Hurdalek V Maria Augusta Trapp K Werner Krien M Franz Grothe A Robert Herlth, Gottfried Will S Margot von Schlieffen P Ilse Kubaschewski D Ruth Leuwerik, Hans Holt, Maria Holst, Josef Meinrad, Friedrich Domin | BRD | 103 min | 1:1,37 | f | 10. Oktober 1956
R Wolfgang Liebeneiner B Georg Hurdalek V Maria Augusta Trapp K Werner Krien M Franz Grothe A Robert Herlth, Gottfried Will S Margot von Schlieffen P Ilse Kubaschewski D Ruth Leuwerik, Hans Holt, Maria Holst, Josef Meinrad, Friedrich Domin | BRD | 103 min | 1:1,37 | f | 10. Oktober 1956
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