Das Geld
»O argent, dieu visible, qu’est-ce que tu ne nous ferais pas faire.« Das Geld, schrieb Marx (auf eine Textstelle aus Shakespeares »Timon von Athen« verweisend), sei die sichtbare Gottheit, die Verwandlung aller menschlichen und natürlichen Eigenschaften in ihr Gegenteil, die allgemeine Verwechslung und Verkehrung der Dinge: Es verwandele die Treue in Untreue, die Liebe in Haß, die Tugend in Laster. Robert Bressons illusionslose Modellanordnung (nach einer literarischen Vorlage von Tolstoi) macht diese Eigenschaft des Geldes in glasklaren Bildern und Tönen anschaulich. Ein Halbwüchsiger bekommt von seinem Vater keinen Vorschuß aufs Taschengeld; mit einem Kameraden bringt er eine gefälschte Banknote in Umlauf; der geprellte Händler gibt die Blüte (und zwei weitere) an einen jungen Heizöllieferanten weiter, dessen Leben als Folge dieser Übervorteilung in Stücke bricht. »L’argent« zeigt, visuell und narrativ auf das Wesentliche konzentriert, den menschlichen Absturz des Protagonisten (bis hin zu mehrfachem Raubmord) als Konsequenz der verkehrenden Macht des Geldes in einer Welt, die nur die Wahl von Täuschung oder Betrogensein, von Sterben oder Töten läßt. Die vergebende Güte, die diesem Prinzip in Gestalt einer »petite femme« entgegentritt (»Si j’étais Dieu et s’il n’était que de moi, je pardonnerais à tout le monde.«), hat angesichts der allseits waltenden Zerstörungskräfte keine irdische Chance.
R Robert Bresson B Robert Bresson V Leo Tolstoi K Pasqualino de Santis, Emmanuel Machuel M Johann Sebastian Bach A Pierre Guffroy Ko Monique Dury S Jean-François Naudon P Jean-Marc Henchoz, Daniel Toscan du Plantier D Christian Patey, Vincent Risterucci, Caroline Lang, Sylvie van den Elsen, Béatrice Tabourin | F & CH | 85 min | 1:1,66 | f | 18. Mai 1983
# 1121 | 3. Juni 2018