25.10.78

La cage aux folles (Edouard Molinaro, 1978)

Ein Käfig voller Narren

Robuste Boulevard-Klamotte, die ihre amüsanten Funken aus der Begegnung von besonders effeminierten Schwulen und äußerst hypokritischen Großbürgern schlägt. Renato (bronziert: Ugo Tognazzi), Impressario eines Nachtclubs in Saint-Tropez, seit zwanzig Jahren liiert mit Albin, dem Star des Hauses (kreischig: Michel Serrault), ist dem anderen Geschlecht nur ein einziges Mal so richtig nahe gekommen; der Sohn, den er seinerzeit zeugte, hat sich nun verlobt: mit der Tochter eines konservativen Politikers (gußeisern: Michel Galabru). Die Vorlage von Jean Poiret verzichtet konsequent auf das Pinseln feiner Zwischentöne, und auch die Inszenierung von Édouard Molinaro begnügt sich mit dem grellen Ausleuchten von Gemeinplätzen: hie abgespreizte kleine Finger und ausladende Hüftschwünge, da Ehrpusseligkeit und Pharisäertum. Der finale Rollentausch, auf den das turbulente Possenspiel erwartungsgemäß zuläuft, macht überdeutlich, daß auf allen Seiten Verstellung und Maskerade regieren: das Leben, ein endloses Kostümfest.

R Édouard Molinaro B Édouard Molinaro, Francis Veber, Marcello Danon V Jean Poiret K Armando Nannuzzi M Ennio Morricone A Mario Garbuglia S Monique Isnardon, Robert Isnardon P Marcello Danon D Ugo Tognazzi, Michel Serrault, Michel Galabru, Rémi Laurent, Claire Maurier | F & I | 100 min | 1:1,66 | f | 25. Oktober 1978

# 845 | 15. März 2014

6.10.78

Rheingold (Niklaus Schilling, 1978)

»Jetzt machen wir ein Unglück.« Eine Eisenbahnfahrt entlang des deutschesten aller Flüsse, eine sentimentale Reise in den Tod, ein melodramatisches Dreieck: eine schöne Frau mit goldblonden Locken, ihr Geliebter, ihr eifersüchtiger Ehemann … Im Trans-Europ-Express »Rheingold« trifft Elisabeth Drossbach (Elke Haltaufderheide) eines Tages ihren besten Freund aus Kindertagen wieder, der auf der legendären Strecke als Zugkellner arbeitet. Eine Liebesgeschichte nach Fahrplan nimmt ihren Lauf, bis der gehörnte Gatte die Treulose im Affekt mit einem goldenen Brieföffner ersticht. Während Elisabeth langsam und geschmackvoll verblutet, ziehen vor dem Fenster ihres Abteils malerische Landschaften, nationale Mythen und persönliche Erinnerungen vorüber. Fremde steigen zu und wieder aus, begleiten die Sterbende jeweils einige Stationen auf ihrem letzten Weg: ein Mon-Chéri-süchtiger Astrologe, der Erfinder der kleinsten Nähmaschine der Welt, eine geheimnisvoll lächelnde Rothaarige, ein weißhaariger Großvater, der seiner gretelhaften Enkelin Geschichten erzählt, von der Loreley und ihren Opfern, von Raubrittern und ihren Burgen. Woge, du Welle, walle zur Wiege! Schäumende Klangwolken eines wagnerianischer Synthesizer-Sounds ballen sich über dem pathetischen Geschehen, durch das Niklaus Schilling immer wieder helle Blitze der Ironie zucken läßt. »Rheingold« – ein kinematographischer Luxuszug, ein Erster-Klasse-Bewußtseinsstrom, eine schillernde Assoziationskette aus Schwulst und Spott.

R Niklaus Schilling B Niklaus Schilling K Ernst Wild M Eberhard Schoener A Greta Zeppel S Thomas Nikel P Elke Haltaufderheide D Elke Haltaufderheide, Rüdiger Kirschstein, Gunther Malzacher, Reinfried Keilich, Frank Zimmermann | BRD | 91 min | 1:1,66 | f | 6. Oktober 1978

# 773 | 19. September 2013