Die Verachtung
»Une tragique histoire d’amour dans un décor merveilleux.« Jean-Luc Godards Film-Film: Hinrichtung und Neuerfindung des Kinos. Michel Piccoli als Drehbuchautor, der sein Talent auf den Markt der Lügen trägt. BB als seine Geliebte, die sich von ihm verraten und verkauft fühlt. Jack Palance als Produzent, der, wenn er das Wort ›Kultur‹ hört, sein Scheckbuch zückt. Fritz Lang als Fritz Lang – ein Gott, der seinen Tod überlebt hat. Mit der künstlichen Wahrhaftigkeit der billigen Melodramen erzählt »Le mépris« (weitgehend ohne formale Sperenzchen und intellektuelle Taschenspielertricks) von Zärtlichkeit und Trauer, von Alfa Romeos und griechischen Statuen, von Leiden und Rache, von Ohrfeigen und Revolvern, von Irrfahrten und Inseln, von Helden und Losern, von Männern und Frauen (und anderen Männern). Dans toute la magie de Franscope et Technicolor (Kamera: Raoul Coutard) stirbt in qualvoller Schönheit eine Liebe – und kehrt das wiedergeborene Kino triumphierend aus dem Meer zurück. »Une merveilleuse histoire d’amour dans un décor tragique.«
R Jean-Luc Godard B Jean-Luc Godard V Alberto Moravia K Raoul Coutard M Georges Delerue S Agnès Guillemot P Georges de Beauregard, Carlo Ponti, Joseph E. Levine D Brigitte Bardot, Michel Piccoli, Jack Palance, Giorgia Moll, Fritz Lang | F & I | 103 min | 1:2,35 | f | 27. Dezember 1963
27.12.63
20.12.63
O něčem jiném (Věra Chytilová, 1963)
Von etwas anderem
Zwei Frauen im Gegenschnitt: Eva, eine Kunstturnerin (Olympia-Goldmedaillengewinnerin Eva Bosáková), die von unerbittlichen Trainern auf die Weltmeisterschaft (Prag 1962) vorbereitet wird, sowie Věra, Hausfrau und Mutter, die ihres gutbürgerlichen Ehelebens überdrüssig ist – dokumentarische Beobachtung auf der einen, tragikomische Alltagsfiktion auf der anderen Ebene. Während die eine fortdauernd einem rigiden Übungsprogramm unterworfen ist, sieht sich die andere mit einem gleichgültigen Gatten und einem verzogenen Sohn konfrontiert. Auch wenn die Protagonistinnen der Erzählung(en) einander nicht begegnen (lediglich zu Beginn sieht Věra Eva kurz im Fernsehen), schafft Regisseurin und Autorin Věra Chytilová in ihrem ersten Spielfilm pointierte thematische und emotionale Bezüge, erforscht – aus weiblicher Perspektive – das Walten von Fremdbestimmung und Unzufriedenheit, studiert die Möglichkeiten von Autonomie und Emanzipation, zeigt den Preis des Erfolges und die Versuchung des Scheiterns, stellt – ohne eine Antwort vorgeben zu wollen – die Frage, ob und wie es sich richtig leben läßt.
R Věra Chytilová B Věra Chytilová K Jan Čuřík M Jiří Šlitr A Vladimír Labský Ko Dagmar Cejnková S Miroslav Hájek P Ladislav Fikar, Bohumil Šmída D Eva Bosáková, Věra Uzelacová, Josef Langmiler, Jiří Kodet, Milivoj Uzelac jun. | CS | 90 min | 1:1,37 | sw | 20. Dezember 1963
# 1175 | 18. August 2019
Zwei Frauen im Gegenschnitt: Eva, eine Kunstturnerin (Olympia-Goldmedaillengewinnerin Eva Bosáková), die von unerbittlichen Trainern auf die Weltmeisterschaft (Prag 1962) vorbereitet wird, sowie Věra, Hausfrau und Mutter, die ihres gutbürgerlichen Ehelebens überdrüssig ist – dokumentarische Beobachtung auf der einen, tragikomische Alltagsfiktion auf der anderen Ebene. Während die eine fortdauernd einem rigiden Übungsprogramm unterworfen ist, sieht sich die andere mit einem gleichgültigen Gatten und einem verzogenen Sohn konfrontiert. Auch wenn die Protagonistinnen der Erzählung(en) einander nicht begegnen (lediglich zu Beginn sieht Věra Eva kurz im Fernsehen), schafft Regisseurin und Autorin Věra Chytilová in ihrem ersten Spielfilm pointierte thematische und emotionale Bezüge, erforscht – aus weiblicher Perspektive – das Walten von Fremdbestimmung und Unzufriedenheit, studiert die Möglichkeiten von Autonomie und Emanzipation, zeigt den Preis des Erfolges und die Versuchung des Scheiterns, stellt – ohne eine Antwort vorgeben zu wollen – die Frage, ob und wie es sich richtig leben läßt.
R Věra Chytilová B Věra Chytilová K Jan Čuřík M Jiří Šlitr A Vladimír Labský Ko Dagmar Cejnková S Miroslav Hájek P Ladislav Fikar, Bohumil Šmída D Eva Bosáková, Věra Uzelacová, Josef Langmiler, Jiří Kodet, Milivoj Uzelac jun. | CS | 90 min | 1:1,37 | sw | 20. Dezember 1963
# 1175 | 18. August 2019
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5.12.63
Charade (Stanley Donen, 1963)
Charade
»Why do people have to tell lies?« Parodistisch-romantische Thrillerkomödie in der Tradition von »North by Northwest«, voller falscher Fährten (Drehbuch: Peter Stone und Marc Behm), stilvoller Roben (Kostüme: Hubert de Givenchy) und exquisiter Bilder (Kamera: Charles Lang). Reggie Lampert (fashionable: Audrey Hepburn), eine in Paris lebende Amerikanerin, deren Mann kürzlich ermordet wurde, sieht sich den gemeinen Nachstellungen einer Reihe von pittoresk-sinistren Gestalten (James Coburn, George Kennedy, Ned Glass) ausgesetzt, die hinter dem angeblich vorhandenen nachgelassenen Geld (250.000 $) des Verblichenen her sind. Cary Grant wechselt als ebenso charmanter wie schleierhafter Gentleman im Laufe des komplexen Geschehens mehrmals den Namen (Peter Joshua – Alexander Dyle – Adam Canfield – Brian Cruikshank) und die Seiten, während Walter Matthaus einprägsame Performance zwischen beamtenhafter Jovialität und kalter Wut schillert. Stanley Donen – herausragender Choreograph und Musical-Regisseur des klassischen Hollywood – beweist ein einzigartiges Gefühl für den Zauber des Drehortes (selten sah die französische Hauptstadt so verführerisch gut, so märchenhaft pariserisch aus), für die spezifischen Qualitäten der Darsteller, vor allem aber für Rhythmus und Timing der Erzählung. »Charade« ist nicht nur eine Hitchcock-Hommage von tänzerischer Leichtigkeit, sondern einer der elegantesten Filme ever made. »Do you know what's wrong with you?« – »No, what?« – »Nothing!«
R Stanley Donen B Peter Stone, Marc Behm K Charles Lang M Henry Mancini A Jean d’Eaubonne S Jim Clark P Stanley Donen D Cary Grant, Audrey Hepburn, Walter Matthau, James Coburn, George Kennedy | USA | 113 min | 1:1,85 | f | 5. Dezember 1963
»Why do people have to tell lies?« Parodistisch-romantische Thrillerkomödie in der Tradition von »North by Northwest«, voller falscher Fährten (Drehbuch: Peter Stone und Marc Behm), stilvoller Roben (Kostüme: Hubert de Givenchy) und exquisiter Bilder (Kamera: Charles Lang). Reggie Lampert (fashionable: Audrey Hepburn), eine in Paris lebende Amerikanerin, deren Mann kürzlich ermordet wurde, sieht sich den gemeinen Nachstellungen einer Reihe von pittoresk-sinistren Gestalten (James Coburn, George Kennedy, Ned Glass) ausgesetzt, die hinter dem angeblich vorhandenen nachgelassenen Geld (250.000 $) des Verblichenen her sind. Cary Grant wechselt als ebenso charmanter wie schleierhafter Gentleman im Laufe des komplexen Geschehens mehrmals den Namen (Peter Joshua – Alexander Dyle – Adam Canfield – Brian Cruikshank) und die Seiten, während Walter Matthaus einprägsame Performance zwischen beamtenhafter Jovialität und kalter Wut schillert. Stanley Donen – herausragender Choreograph und Musical-Regisseur des klassischen Hollywood – beweist ein einzigartiges Gefühl für den Zauber des Drehortes (selten sah die französische Hauptstadt so verführerisch gut, so märchenhaft pariserisch aus), für die spezifischen Qualitäten der Darsteller, vor allem aber für Rhythmus und Timing der Erzählung. »Charade« ist nicht nur eine Hitchcock-Hommage von tänzerischer Leichtigkeit, sondern einer der elegantesten Filme ever made. »Do you know what's wrong with you?« – »No, what?« – »Nothing!«
R Stanley Donen B Peter Stone, Marc Behm K Charles Lang M Henry Mancini A Jean d’Eaubonne S Jim Clark P Stanley Donen D Cary Grant, Audrey Hepburn, Walter Matthau, James Coburn, George Kennedy | USA | 113 min | 1:1,85 | f | 5. Dezember 1963
4.12.63
Judex (Georges Franju, 1963)
Judex
Poetische Reanimation eines Stummfilm-Mythos: Georges Franju läßt Louis Feuillades rächenden Serienhelden ›Judex‹ als romantischen Richter von eigenen Gnaden wiederauferstehen (die Titelrolle spielt der amerikanische Magier Channing Pollock, der für Präsidenten und Königinnen zauberte). Die Handlung verwickelt einen bösen Bankier und seine ätherische Tochter, ein gieriges Frauenzimmer und ihren verschlagenen Liebhaber, einen vorwitzgen Bengel und einen gutmütigen Detektiv in ein naiv-spukhaftes Abenteuer voller Camouflagen (u. a. falsche Nonnen) und Enthüllungen (z. B. verlorene Söhne), voller doppelter Böden und ungestorbener Tode. »Judex« sucht die Atmosphäre einer verlorenen Zeit (»qui ne fut pas heureuse – 1914«) und findet sie wieder als zärtlichen Alptraum, als schwarz-weiße Dichtung über Rache und Gerechtigkeit sowie (indirekt) über das Geld, jene dämonische Kraft, die alles bewegt und vieles zerstört. Franju, ein später Surrealist, nimmt gestalterischen Bezug auf die unheimliche Klarheit des ganz frühen Kinos, auf die Collagen von Max Ernst, in der sich die Gespenster der Vergangenheit zu beklemmenden Gegenwarten formieren, und auf die animalisch-anthropomorphen Figurationen des Illustrators Grandville: In der vielleicht schönsten und geheimnisvollsten des Szene dieses schönen und geheimnisvollen Werks werden, anläßlich eines festlichen Kostümballs, die Protagonisten mittels realistischer Vogelmasken in phantastische Tierwesen verwandelt – das Sichtbare (die Gestalt) und das Unsichtbare (der Gehalt) verschmelzen bildhaft zu filmischer Einheit.
R Georges Franju B Jacques Champreux, Francis Lacassin V Louis Feuillade K Marcel Fradetal M Maurice Jarre A Robert Giordani S Gilbert Natot P Robert de Nesle D Channing Pollock, Francine Bergé, Edith Scob, Michel Vitold, Jacques Jouanneau | F & I | 104 min | 1:1,66 | sw | 4. Dezember 1963
Poetische Reanimation eines Stummfilm-Mythos: Georges Franju läßt Louis Feuillades rächenden Serienhelden ›Judex‹ als romantischen Richter von eigenen Gnaden wiederauferstehen (die Titelrolle spielt der amerikanische Magier Channing Pollock, der für Präsidenten und Königinnen zauberte). Die Handlung verwickelt einen bösen Bankier und seine ätherische Tochter, ein gieriges Frauenzimmer und ihren verschlagenen Liebhaber, einen vorwitzgen Bengel und einen gutmütigen Detektiv in ein naiv-spukhaftes Abenteuer voller Camouflagen (u. a. falsche Nonnen) und Enthüllungen (z. B. verlorene Söhne), voller doppelter Böden und ungestorbener Tode. »Judex« sucht die Atmosphäre einer verlorenen Zeit (»qui ne fut pas heureuse – 1914«) und findet sie wieder als zärtlichen Alptraum, als schwarz-weiße Dichtung über Rache und Gerechtigkeit sowie (indirekt) über das Geld, jene dämonische Kraft, die alles bewegt und vieles zerstört. Franju, ein später Surrealist, nimmt gestalterischen Bezug auf die unheimliche Klarheit des ganz frühen Kinos, auf die Collagen von Max Ernst, in der sich die Gespenster der Vergangenheit zu beklemmenden Gegenwarten formieren, und auf die animalisch-anthropomorphen Figurationen des Illustrators Grandville: In der vielleicht schönsten und geheimnisvollsten des Szene dieses schönen und geheimnisvollen Werks werden, anläßlich eines festlichen Kostümballs, die Protagonisten mittels realistischer Vogelmasken in phantastische Tierwesen verwandelt – das Sichtbare (die Gestalt) und das Unsichtbare (der Gehalt) verschmelzen bildhaft zu filmischer Einheit.
R Georges Franju B Jacques Champreux, Francis Lacassin V Louis Feuillade K Marcel Fradetal M Maurice Jarre A Robert Giordani S Gilbert Natot P Robert de Nesle D Channing Pollock, Francine Bergé, Edith Scob, Michel Vitold, Jacques Jouanneau | F & I | 104 min | 1:1,66 | sw | 4. Dezember 1963
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