25.12.58

Bell Book and Candle (Richard Quine, 1958)

Meine Braut ist übersinnlich 

»You gave me something wonderful: You made me unhappy.« Magisch-skurrile love story zwischen einem älteren Vernunftmenschen (James Stewart) und einer gutaussehenden jungen Hexe (Kim Novak), angesiedelt im verschneit-weihnachtlichen New York. (Nachdem ihre Romanze in Hitchcocks »Vertigo« kurz zuvor tragisch endete, gewährt Richard Quine dem Paar gleichsam eine zweite Chance…) Hexen, so lernt man anfangs, vermögen weder zu erröten, noch zu weinen – und lieben können sie auch nicht. Zur Vorhersage, daß Novak in »Bell Book and Candle« erröten, weinen und lieben wird, bedarf es mithin keiner übersinnlichen Fähigkeiten. Der Weg ins Glück führt über allerlei Hürden (und durch einige Längen), die von gutaufgelegten Darsteller aus dem Weg geräumt (beziehungsweise charmant verkürzt) werden: Jack Lemmon als bongospielender Nachwuchszauberer, Ernie Kovacs als alkoholischer Sachbuchautor (»Magic in Mexico«, »Voodoo Among the Virgins«), Elsa Lancaster (kichernd) und Hermione Gingold (hochtönend) als Hexen von altem (!) Schrot und Korn. »Ring the bell. Close the book. Quench the candle.«

R Richard Quine B Daniel Taradash V John Van Druten K James Wong Howe M George Duning A Cary Odell S Charles Nelson P Julian Blaustein D James Stewart, Kim Novak, Jack Lemmon, Ernie Kovacs, Hermione Gingold, Elsa Lanchester | USA | 106 min | 1:1,85 | f | 25. Dezember 1958

18.12.58

Romarei, das Mädchen mit den grünen Augen (Harald Reinl, 1958)

Ein deutscher Abenteuerfilm »nach dem gleichnamigen in der Bild-Zeitung erschienenen Roman« – das klingt doch vielversprechend: abgedroschene Exotik (der Zauber Arabiens und die Geheimnisse der Wüste), tödliche Rivalität unter internationalen Wirtschaftsbossen, eine gehörige Portion Okkultismus (der abergläubische Magnat und das Fräulein mit dem zweiten Gesicht), obendrein wahre Liebe, ein blinder Junge sowie ein treuer Hund – der Stoff, aus dem die guten schlechten Filme sind. Dazu die exzentrischen Rollennamen: Sir Boris Olinzoff, Papas Leonidas, Kees Falkenried, nicht zu vergessen der unsichtbar im Hintergrund spukende Schurke ›Mazareff‹ – was kann da noch schiefgehen? So manches, wie man in dieser erznaiven Geschichte um ein hellseherisch begabtes Waisenkind sieht: Harald Reinl (der Adenauer des bundesrepublikanischen B-Films) eiert unentschlossen zwischen Heimatkitsch, Reißer, Märchen und Romanze. Trotz pappiger Kulissen und billiger Flitterkostüme, trotz hanebüchener Kolonialklischees und hochkarätiger Knallchargen wie Dominique Wilms oder Reggie Nalder sinkt »Romarei, das Mädchen mit den grünen Augen« nur selten auf jenes Niveau, wo schlichter Blödsinn in brillanten Eskapismus umschlägt – wie etwa, wenn der verrückte Hobbybotaniker Baron de Tavel (Kurt Meisel) seinen staunenden Tischgenossen erklärt, daß der Mensch von den Pflanzen abstamme: »Sie sollten einmal die Form einer knospenden Lilia aphrodisia betrachten, wie sich in ihr die Gestalt eines schlanken Mädchenkörpers abzeichnet. Und wenn sich die Blume auftut, dann ...« Mit »Romarei« tut sich leider keine Blume auf.

R Harald Reinl B Gerda Corbett V Gerda Corbett K Hans Schneeberger M Willi Mattes A Ernst H. Albrecht S Johanna Meisel P Gero Wecker D Carola von Kayser, Leonard Steckel, Joachim Hansen, Reggie Nalder, Werner Peters | BRD & I | 89 min | 1:1,37 | f | 18. Dezember 1958

Some Came Running (Vincente Minnelli, 1958)

Verdammt sind sie alle 

Tomographie einer amerikanischen Kleinstadt: Nach 16 Jahren kehrt der blockiert-verkrachte Schriftsteller Dave (Frank Sinatra) in seine Heimat zurück; im Gepäck trägt er viel Hader – mit sich und mit der Welt seines älteren Bruders (Arthur Kennedy), eines bigotten Gliedes der sogenannten besseren Gesellschaft. Untermalt von Elmer Bernsteins bald lyrisch-melancholischen, bald bedrohlich stampfenden Kompositionen, entwirft Vincente Minnelli das trostlos-ergreifende Cinema-Scope-Bild (Kamera: William H. Daniels) einer Lebensart, die von Frustration, Kleingeistigkeit, emotionaler Vereisung und Alkohol beherrscht wird. Beziehungen, Talente, Hoffnungen – alles ist irgendwie verpfuscht, und Mitleid scheint auf diesem Jahrmarkt der Traurigkeiten das höchste der möglichen Gefühle. Dean Martin verkörpert (als Inkarnation seiner selbst) einen professionellen Spieler, der – in einer hochprozentigen splendid isolation lebend – niemals den Hut absetzt (nur einmal, ganz zum Schluß, wird er ihn lüften); Martha Hyer flüchtet sich als hochmütig-mutlose Lehrerin ins platonische Unglück; im heimlichen Zentrum der Erzählung steht die von Shirley MacLaine gespielte Ginny: Das (nur vordergründig) sonnige Doofchen mit der rührenden Plüschtiertasche ist weit und breit die einzige, die in der Lage ist, ganz unverstellt Liebe zu geben und zu zeigen – im apokalyptisch illuminierten Finale wird ihr genau das zum Verhängnis. In seiner expressiv-analytischen Überspanntheit wirkt »Some Came Running« wie ein von Frank Tashlin inszeniertes Douglas-Sirk-Melodram.

R Vincente Minnelli B John Patrick, Arthur Sheekman V James Jones K William H. Daniels M Elmer Bernstein A William A. Horning, Urie McCleary S Adrienne Fazan P Sol C. Siegel D Frank Sinatra, Dean Martin, Shirley MacLaine, Arthur Kennedy, Martha Hyer | USA | 137 min | 1:2,35 | f | 18. Dezember 1958

17.12.58

Der Schinderhannes (Helmut Käutner, 1958)

»Einmalig in der rheinländischen Kriminalität! Hier werden die schauerlichen und pikanten Einzelheiten enthüllt!« Eine Räuber-Dramödie aus der Franzosenzeit, von Helmut Käutner als komparsenreiches Bauerntheater mit speckigen Wämsern und kecken Filzhütchen, struppigen Perücken und böllernden Doppelflinten dargeboten. Curd Jürgens (in der Titelrolle des legendären Bandenführers, eines vermeintlichen »Robin Hood aus dem Hunsrück«) und Maria Schell (als liebende Kebse des edelmütigen Schurken) plagen sich hörbar mit dem angelernten Dialekt und machen, trotz ihres jeweiligen Star-Nimbus, auch ansonsten keine besonders überzeugende Figur. »Der Schinderhannes« hätte ein interessantes Lehrstück sein können: über einen berühmten Mann, der sich allgemach für denjenigen hält, den die Öffentlichkeit in ihm sieht, der seiner eigenen Legende auf den Leim geht und eben daran scheitert. Käutner jedoch, in anderen Fällen für spöttische Distanz durchaus zu haben, inszeniert einen kreuzbraven Bilderbogen, zeichnet das unkritische Bild eines selbstherrlichen Kerls, der (angeblich) »die Reichen schröpft und den Armen kein Haar krümmt« und deshalb (sowie Verrats wegen) mit seinen Konsorten aufs Schafott steigen muß. So bleibt der Film nichts als eine zweifelhafte Moritat in malerischer Landschaft: »Das ist der Schinderha-hannes, / der Lumpenhund, der Galgenstrick, / der Schrecken jedes Ma-hannes / und auch der Weiber Stück.«

R Helmut Käutner B Georg Hurdalek V Carl Zuckmayer K Heinz Pehlke M Bernhard Eichhorn A Herbert Kirchhoff, Albrecht Becker S Klaus Dudenhöfer P Gyula Trebitsch, Walter Koppel D Curd Jürgens, Maria Schell, Christian Wolff, Fritz Tillmann, Siegfried Lowitz | BRD | 115 min | 1:1,66 | f | 17. Dezember 1958

# 890 | 30. Juni 2014

1.12.58

Murder by Contract (Irving Lerner, 1958)

Der Tod kommt auf leisen Sohlen

»Now why would a stranger kill a stranger? Because somebody’s willing to pay. It's business.« Claude (Vince Edwards), ein adretter junger Mann mit sicherer Stellung und akzeptablem Gehalt, möchte sich verbessern: »I want to be a contractor.« Claude hat einen Traum: ein Haus am Fluß. Jeder Auftrag bringt ihm 500 $. So rückt das Ziel in greifbare Nähe: »When you do a good job, the money comes.« Nachdem er sich – in kurzen, elliptisch gestalteten Episoden – mehrfach bewährt hat (unter anderem durch Beseitigung seines Anwerbers), wird der umsichtige Killer (»I don’t make mistakes.«) nach Los Angeles geschickt, wo er, unterstützt und überwacht von zwei Komplizen, einen Kronzeugen vor der gerichtlichen Vernehmung eliminieren soll … Ein kühler Thriller, schnell produziert, ohne formale Schnörkel, eine existenzialistische Farce voll makabrer Komik und absurder Situationen, das lakonische Porträt eines Loners, der von sich behauptet, jedes persönliche Gefühl ausgeschaltet zu haben: »I feel hot, I feel cold, I get sleepy, and I get hungry.« Claude beginnt bezeichnenderweise die Kontrolle in jenem Moment zu verlieren, da er erfährt, daß der abzuservierende Zeuge eine Zeugin ist: »I don’t like women. They don’t stand still.« Irving Lerner und sein Kameramann Lucien Ballard (der auch Stanley Kubricks meisterlichen Spät-Noir »The Killing« fotografierte) geben diesem B-Movie das Gepräge eines grotesken (Genre-)Totentanzes mit parodistischem Unterton: Eine der schönsten Szenen von »Murder by Contract« spielt in den schäbigen Kulissen eines aufgelassenen Hollywood-Studios. Die kongeniale Endspiel-Musik von Perry Botkin zitiert Anton Karas’ legendären Wiener Zithersound: Ein grandioser, minimalistisch-melancholischer Gitarrenscore (die Tracks tragen so wunderbare Titel wie »The Executioner Theme« und »Waltz of the Hunter«) vereinigt, ebenso wie Lerners souveräne Regie, ironisch gebrochenes Pathos und todtraurigen Humor.

R Irving Lerner B Ben Simcoe K Lucien Ballard M Perry Botkin Sr. A Jack Poplin S Carlo Lodato P Leon Chooluck D Vince Edwards, Philip Pine, Herschel Bernardi, Caprice Toriel, Kathie Browne | USA | 81 min | 1:1,85 | sw | 1. Dezember 1958

# 885 | 25. Juni 2014