Der Glanz des Hauses Amberson
Ein prachtvolles Sittenbild mag Orson Welles vorgeschwebt haben, Panorama der amerikanischen Gesellschaft zwischen Civil War und Erstem Weltkrieg, Epos von der Transformation einer Welt, in der Gewicht hat, wer jemand ist, zu einer Welt, in der zählt, wer etwas tut, angesiedelt in einer aufstrebenden Stadt des Mittleren Westens, arrangiert um eine unerfüllte Liebe: Isabel Amberson (Dolores Costello), hochnäsiger Sproß aus bester Familie, gibt ihrem Verehrer, dem linkischen Erfinder Eugene Morgan (Joseph Cotten), den Laufpaß, um einen seriösen Langweiliger zu heiraten. Während sich die vornehme Dame fortan der Verziehung ihres einzigen Sohnes (Tim Holt) zum blasierten Flegel widmet, konstruiert der begabte Ingenieur, ermutigt von seiner patenten Tochter (Anne Baxter), eine Benzinkutsche, deren serienmäßige Herstellung ein gewaltiger Geschäftserfolg wird ... Trotz beeindruckender Kulissen und zahlreicher photographischer Kabinettstücke gibt der Film – von Welles vor seiner Abreise zu Dreharbeiten nach Brasilien lediglich bis zum Rohschnitt ausgearbeitet, vom Studio RKO in Abwesenheit des Regisseurs radikal gekürzt und durch nachgedrehte Szenen teilweise sinnentstellt – nur einen Abglanz des Meisterwerks, das er hätte werden können. Der Erzählung mangelt es an Rhythmus und Atem, der Ton schwankt von ironisch zu elegisch zu hysterisch zu sentimentalisch, wodurch es schwerfällt, den Wegen der (fast durchweg unsympathischen) Figuren zu folgen, und der schicksalhafte Verfall der Ambersons kaum symbolische Kraft, sondern bestenfalls dekoratives Flair entfaltet.
R Orson Welles B Orson Welles V Booth Tarkington K Stanley Cortez M Bernard Herrmann A Albert S. D'Agostino S Robert Wise P Orson Welles D Joseph Cotten, Dolores Costello, Tim Holt, Anne Baxter, Agnes Moorehead | USA | 88 min | 1:1,37 | sw | 9. Juli 1942
# 1138 | 15. Dezember 2018