29.7.57

Will Success Spoil Rock Hunter? (Frank Tashlin, 1957)

Sirene in blond 

Frank Tashlins Holzhammer-Satire auf den (nicht nur) amerikanischen Traum (= Wahn) vom Erfolg trumpft mit einer Vulgarität, die dieses Traumes würdig ist. Im Mittelpunkt des Geschehens steht der aufstiegsorientierte Werbetexter Rockwell P. Hunter (Tony Randall als average mad man), der seiner Agentur den Arsch rettet, indem er – unter Einsatz all seiner Qualitäten – Hollywoodlegende Rita Marlowe (Jayne Mansfield als Monroe-Persiflage mit »oh so kissable lips«) für eine Make-up-Kampagne rekrutiert. Durch die medienwirksame Verbindung zur Leinwand-Ikone erlangt Rockwell selbst Berühmtheit (als »Lover Boy«) und sieht sich plötzlich den Nachstellungen prominentengeiler Teenager ausgesetzt, die wie eine Horde Hirntoter über ihn herfallen; sein bedingungsloses Engagement wird belohnt – mit Beförderung zum ›vice president‹ und der Überreichung des Schlüssels zum legendären ›executive powder room‹ … In grellen CinemaScope-Tableaus (Kamera: Joseph McDonald) karikiert »Will Success Spoil Rock Hunter?« nicht nur genüßlich Phänomene wie Werbung, Starkult oder Fernsehen (»The great thing about television is that it lets you see events live as they happen, like old movies from thirty years ago.«), der Film entlarvt zuvörderst den Nimbus des Erfolges: als Äquivalent von Alkohol und Tranquilizern, als Droge, die den Teilnehmern des kapitalistischen Rattenrennens die permanente Entwürdigung verzuckert. (Und weil es eine Komödie (= ein Märchen) ist, werden die Ratten zu guter Letzt von ihrer Pein erlöst.) PS: »Success is the art of being happy.«

R Frank Tashlin B Frank Tashlin V George Axelrod K Joseph MacDonald M Cyril J. Mockridge, Leland Fuller, Lyle R. Wheeler S Hugh S. Fowler P Frank Tashlin D Tony Randall, Jayne Mansfield, Betsy Drake, Joan Blondell John Williams | USA | 93 min | 1:2,35 | f | 29. Juli 1957

14.7.57

Il grido (Michelangelo Antonioni, 1957)

Der Schrei

Von seiner langjährigen Lebensgefährtin Irma (Alida Valli) wegen eines anderen verlassen, mit einem Schlag aus der (scheinbar) geordeneten Lebensbahn in die (faktische und metaphysische) Unbehaustheit geworfen, streift der Fabrikarbeiter Aldo (Steve Cochran) in Begleitung seiner kleinen Tochter durch die winterliche Po-Ebene, eine beispiellos triste, von Gianni Di Venanzo freilich in überaus delikat komponierten Schwarzweiß-, oder eher: Graubildern fotografierte Landschaft: von kahlen Baumreihen gesäumte Straßen und schlammige Wege zwischen krautigen Wiesen, ärmliche Dörfer und einsame Hütten am Fluß. Bei drei Frauen macht Aldo auf seiner Reise Station – bei der früheren Freundin Elvia (Betsy Blair), die ihn trotz eines Aufflackerns der alten Zuneigung abweist, bei der Tankstellenbesitzerin Virginia (Dorian Gray), deren selbstbewußte Resolutheit ihn in die Flucht schlägt, bei der flotten Gelegenheitsprostiuierten Andreina (Lynn Shaw), die er nach einem kurzen Techtelmechtel in ihrem Elend sitzenläßt –, bevor er schließlich in seinen Heimatort zurückkehrt, wo er ein für alle Mal feststellen muß, daß es dort keinen Platz mehr für ihn gibt, vielleicht nie gegeben hat. Michelangelo Antonioni läßt sein existenzialistisches Roadmovie – eine eindrückliche Studie der Sprachlosigkeit, der Isolation, der Entmutigung – auf einen definitven Augenblick der Wahrheit zielen, den (alles und nichts) entscheidenden Moment, da stille Verzweiflung in schreienden Schmerz umschlägt.

R Michelangelo Antonioni B Michelangelo Antonioni, Elio Bartolini, Ennio De Concini K Gianni Di Venanzo M Giovanni Fusco A Franco Fontana S Eraldo Da Roma P Franco Cancellieri D Steve Cochran, Mirna Girardi, Alida Valli, Betsy Blair, Dorian Gray, Lynn Shaw | I & USA | 116 min | 1:1,37 | sw | 14. Juli 1957

# 1162 | 2. Juli 2019