Stardust Memories
»An homage? Not exactly. We just stole the idea outright.« – Allen goes Fellini. Und das gar nicht schlecht. Sehr gut sogar. Genau genommen brillant. Erzählt wird – à la »8½« – die fragmentarisch-elliptisch-assoziativ-(auto)biographische Geschichte des New Yorker Regisseurs Sandy Bates, der Schwierigkeiten mit seinen Produzenten (und seinen Fans) hat, weil er partout keine komischen Filme mehr drehen will. Anläßlich der Retrospektive seiner Werke gerät Sandy (= (?) Woody) unter hyänenhafte Cinéphile, nimmt seine (berufliche und private) Vergangenheit (und seine potentielle Zukunft) kritisch unter die Lupe, verliert sich im Gestrüpp der Erinnerungen an seine einstige große Liebe Dorrie (genial-psychotisch: Charlotte Rampling), bekommt die Beziehung zur seiner Derzeitigen (verzickt-normal: Marie-Christine Barrault) nicht so recht auf die Reihe und bändelt mit einer vielversprechenden Dritten an (kompliziert-zerbrechlich: Jessica Harper). Die elstermäßige Chuzpe, mit der sich Woody (beigestanden vom unkorrumpierbaren Gordon Willis hinter der Kamera) bei seinem Vorbild Federico bedient, ist erstaunlich wie effektiv: »Stardust Memories« verliert sich so lust- und frustvoll in Themen wie Selbstmitleid, Selbstzweifel, Selbstgerechtigkeit und Selbstbefriedigung, daß ein gewisser (Selbst-) Erkenntniswert auch für den unbeteiligten (und fachfremden) Zuschauer nicht ausbleibt. Ein monomanes Meisterwerk von allgemeiner Geltung. PS: »What do you think the Rolls Royce represented?« – »I think that represented his car.«
R Woody Allen B Woody Allen K Gordon Willis M diverse A Mel Bourne Ko Santo Loquasto S Susan E. Morse P Robert Greenhut D Woody Allen, Charlotte Rampling, Jessica Harper, Marie-Christine Barrault, Tony Roberts | USA | 89 min | 1:1,85 | sw | 25. September 1980
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25.9.80
25.7.80
Dressed to Kill (Brian De Palma, 1980)
Dressed to Kill
»I moaned with pleasure at his touch. Isn’t that what every man wants?« – »I don't know ... is it?« Eine Frau unter der Dusche und ein blutiger Messermord, der verhängnisvolle Schritt vom Wege und die abgründige Erotik der Blondinen, feinschmeckerische Brutalität und elegant inszenierte Schaulust ... Man könnte behaupten, daß Brian De Palma mit seinen Filmen vor der Tatsache kapituliert, daß seit Alfred Hitchcock jeder Thriller in dessen Schatten steht, man kann aber auch der Ansicht sein, daß De Palma seine Werke ganz bewußt in das Licht stellt, das Hitchcock angezündet hat. Schon mit dem wunderbar aufschlußreichen Titel »Dressed to Kill« wird klargelegt, daß es sich bei dem Werk – das von einer frustrierten Ehefrau (Angie Dickinson) und einem ambivalenten Seelenklempner (Michael Caine), von einem sonderlingshaftem Sohn und einer Nutte mit Herz erzählt – um eine hingebungsvoll-schmalose Be- und Verarbeitung von »Psycho« handelt – dessen pornographische, pathologische und voyeuristische Aspekte De Palma genüßlich ins Surreale steigert. Dadurch geht er allerdings der kontrollierten Kälte und Modellhaftigkeit seines Vorbildes verlustig – aber irgendwie muß sich ja auch ein genialischer Adept vom Vorturner unterscheiden ...
R Brian De Palma B Brian De Palma K Ralf Bode M Pino Donaggio A Gary Weist Ko Gary Jones, Ann Roth S Jerry Greenberg P George Litto D Michael Caine, Angie Dickinson, Nancy Allen, Keith Gordon, Dennis Franz | USA | 105 min | 1:2,35 | f | 25. Juli 1980
»I moaned with pleasure at his touch. Isn’t that what every man wants?« – »I don't know ... is it?« Eine Frau unter der Dusche und ein blutiger Messermord, der verhängnisvolle Schritt vom Wege und die abgründige Erotik der Blondinen, feinschmeckerische Brutalität und elegant inszenierte Schaulust ... Man könnte behaupten, daß Brian De Palma mit seinen Filmen vor der Tatsache kapituliert, daß seit Alfred Hitchcock jeder Thriller in dessen Schatten steht, man kann aber auch der Ansicht sein, daß De Palma seine Werke ganz bewußt in das Licht stellt, das Hitchcock angezündet hat. Schon mit dem wunderbar aufschlußreichen Titel »Dressed to Kill« wird klargelegt, daß es sich bei dem Werk – das von einer frustrierten Ehefrau (Angie Dickinson) und einem ambivalenten Seelenklempner (Michael Caine), von einem sonderlingshaftem Sohn und einer Nutte mit Herz erzählt – um eine hingebungsvoll-schmalose Be- und Verarbeitung von »Psycho« handelt – dessen pornographische, pathologische und voyeuristische Aspekte De Palma genüßlich ins Surreale steigert. Dadurch geht er allerdings der kontrollierten Kälte und Modellhaftigkeit seines Vorbildes verlustig – aber irgendwie muß sich ja auch ein genialischer Adept vom Vorturner unterscheiden ...
R Brian De Palma B Brian De Palma K Ralf Bode M Pino Donaggio A Gary Weist Ko Gary Jones, Ann Roth S Jerry Greenberg P George Litto D Michael Caine, Angie Dickinson, Nancy Allen, Keith Gordon, Dennis Franz | USA | 105 min | 1:2,35 | f | 25. Juli 1980
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Tod
8.2.80
Cruising (William Friedkin, 1980)
Cruising
»I am with someone.« – »Aren’t we all?« William Friedkins in eiskaltes Blau und ledernes Schwarz getauchter Großstadt-Thriller bietet zwar eine Reihe von brutal abgestochenen schwulen Leichen auf, aber mehr als für die Identität des Täters interessiert sich »Cruising« für die Identität des (verdeckten) Ermittlers: Steve Burns (Al Pacino) entdeckt als Undercover-Cop nicht nur eine fremde, seltsame Welt, sondern stößt dort vor allem auf ihm bislang unbekannte Seiten seiner selbst. Während die hochempfindliche Kamera (James Contner) sowie der flimmernd-nächtliche Score (Jack Nitzsche) zu jedem Zeitpunkt das Schlimmste erwarten lassen, verstört die (niemals abschätzige) Inszenierung immer wieder gezielt durch radikale Ellipsen, in denen fünfaktige persönliche Dramen verschwunden sein könnten, und durch unbegreifliche Momente, die keinerlei Erklärung erfahren – wie zum Beispiel der Deus-ex-machina-Auftritt eines muskelbepackten, Cowboyhut, Jockstrap und Stiefel tragenden Schwarzen, der beim Verhör auf dem Polizeirevier schallende Ohrfeigen verabfolgt. Wenn Steve am Ende der Erzählung sich selbst – und damit dem Zuschauer – via Spiegel in die Augen schaut, scheint er weniger zu fragen, wer er (geworden) ist, als vielmehr die – vielleicht unbequeme, vielleicht befreiende – Antwort zu kennen. Seine Freundin (Karen Allen) probiert unterdessen die Ledermütze auf … »Who’s here? I’m here. You’re here.«
R William Friedkin B William Friedkin V Gerald Walker K James Contner M Jack Nitzsche A Bruce Weintraub Ko Robert De Mora S Bud Smith P Jerry Weintraub D Al Pacino, Paul Sorvino, Karen Allen, Richard Cox, Don Scardino | USA & BRD | 102 min | 1:1,85 | f | 8. Februar 1980
»I am with someone.« – »Aren’t we all?« William Friedkins in eiskaltes Blau und ledernes Schwarz getauchter Großstadt-Thriller bietet zwar eine Reihe von brutal abgestochenen schwulen Leichen auf, aber mehr als für die Identität des Täters interessiert sich »Cruising« für die Identität des (verdeckten) Ermittlers: Steve Burns (Al Pacino) entdeckt als Undercover-Cop nicht nur eine fremde, seltsame Welt, sondern stößt dort vor allem auf ihm bislang unbekannte Seiten seiner selbst. Während die hochempfindliche Kamera (James Contner) sowie der flimmernd-nächtliche Score (Jack Nitzsche) zu jedem Zeitpunkt das Schlimmste erwarten lassen, verstört die (niemals abschätzige) Inszenierung immer wieder gezielt durch radikale Ellipsen, in denen fünfaktige persönliche Dramen verschwunden sein könnten, und durch unbegreifliche Momente, die keinerlei Erklärung erfahren – wie zum Beispiel der Deus-ex-machina-Auftritt eines muskelbepackten, Cowboyhut, Jockstrap und Stiefel tragenden Schwarzen, der beim Verhör auf dem Polizeirevier schallende Ohrfeigen verabfolgt. Wenn Steve am Ende der Erzählung sich selbst – und damit dem Zuschauer – via Spiegel in die Augen schaut, scheint er weniger zu fragen, wer er (geworden) ist, als vielmehr die – vielleicht unbequeme, vielleicht befreiende – Antwort zu kennen. Seine Freundin (Karen Allen) probiert unterdessen die Ledermütze auf … »Who’s here? I’m here. You’re here.«
R William Friedkin B William Friedkin V Gerald Walker K James Contner M Jack Nitzsche A Bruce Weintraub Ko Robert De Mora S Bud Smith P Jerry Weintraub D Al Pacino, Paul Sorvino, Karen Allen, Richard Cox, Don Scardino | USA & BRD | 102 min | 1:1,85 | f | 8. Februar 1980
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Pacino,
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Serienmörder,
Thriller
20.12.79
All That Jazz (Bob Fosse, 1979)
Hinter dem Rampenlicht
»It’s showtime, folks!« Egomaner Workaholic, unersättlicher Schürzenjäger, ketterauchender Amphetamin-Junkie, perfektionistischer Alleskönner (und -woller) – Joe Gideon (Roy Scheider als Bob-Fosse-Substitut), als Regisseur am Broadway so erfolgreich wie in Hollywood, emotional hin- und hergerissen zwischen Exfrau und Freundin, Betthäschen und Tochter, probt seine neue Bühnenshow, während er seinen zuletzt abgedrehten Film ein ums andere Mal umschneidet ... und in den Kulissen seines Lebens schon ein lächelnder Todesengel (Jessica Lange) auf ihn wartet. »Sometimes I don’t know where the bullshit ends and the truth begins.« Fosse knallt eine radikal narzißtische, um nicht zu sagen: eine einmalig eitle Selbstbespiegelung in der Tradition von Federico Fellinis »8 ½ « auf die Leinwand – und durch seine traumwandlerisch sichere Beherrschung der erzählerischen und formalen Mittel schlägt der im Übermaß versprühte Flitter dieses autobiographischen Backstage-Musicals in fröhliche, traurige, glamouröse, herzergreifende Wahrheit (und atemberaubende Filmkunst) um. Das Porträt des Künstlers als sterbender Mann gipfelt –konsequent makaber – in einer fulminanten Abschiedsnummer (»Bye-bye, my life, goodbye!«), die unmißverständlich klarmacht: There’s no people like show people.
R Bob Fosse B Bob Fosse, Robert Alan Aurthur K Giuseppe Rotunno M Ralph Burns A Philip Rosenberg S Alan Heim P Robert Alan Aurthur D Roy Scheider, Jessica Lange, Leland Palmer, Ann Reinking, Ben Vereen | USA | 123 min | 1:1,85 | f | 20. Dezember 1979
»It’s showtime, folks!« Egomaner Workaholic, unersättlicher Schürzenjäger, ketterauchender Amphetamin-Junkie, perfektionistischer Alleskönner (und -woller) – Joe Gideon (Roy Scheider als Bob-Fosse-Substitut), als Regisseur am Broadway so erfolgreich wie in Hollywood, emotional hin- und hergerissen zwischen Exfrau und Freundin, Betthäschen und Tochter, probt seine neue Bühnenshow, während er seinen zuletzt abgedrehten Film ein ums andere Mal umschneidet ... und in den Kulissen seines Lebens schon ein lächelnder Todesengel (Jessica Lange) auf ihn wartet. »Sometimes I don’t know where the bullshit ends and the truth begins.« Fosse knallt eine radikal narzißtische, um nicht zu sagen: eine einmalig eitle Selbstbespiegelung in der Tradition von Federico Fellinis »8 ½ « auf die Leinwand – und durch seine traumwandlerisch sichere Beherrschung der erzählerischen und formalen Mittel schlägt der im Übermaß versprühte Flitter dieses autobiographischen Backstage-Musicals in fröhliche, traurige, glamouröse, herzergreifende Wahrheit (und atemberaubende Filmkunst) um. Das Porträt des Künstlers als sterbender Mann gipfelt –konsequent makaber – in einer fulminanten Abschiedsnummer (»Bye-bye, my life, goodbye!«), die unmißverständlich klarmacht: There’s no people like show people.
R Bob Fosse B Bob Fosse, Robert Alan Aurthur K Giuseppe Rotunno M Ralph Burns A Philip Rosenberg S Alan Heim P Robert Alan Aurthur D Roy Scheider, Jessica Lange, Leland Palmer, Ann Reinking, Ben Vereen | USA | 123 min | 1:1,85 | f | 20. Dezember 1979
29.6.79
Bloodline (Terence Young, 1979)
Blutspur
Nach dem Mord an ihrem Vater sieht sich die Erbin eines Schweizer Pharmakonzerns tödlichen Nachstellungen aus der geldgeilen Verwandtschaft ausgesetzt; alle sind verdächtig, denn jeder hat triftigen Grund, das traditionsreiche Familienunternehmen an der Börse in Cash zu verwandeln … Die Panik in den Augen von Audrey Hepburn ist vermutlich nicht der Höllenangst der von ihr gespielten Elizabeth Roffe geschuldet sondern dem blanken Entsetzen über das hirnverbrannte Unterfangen, auf das sie sich eingelassen hat, als sie die (Haupt-)Rolle in diesem Film annahm. »Bloodline«, eine konfuse amerikanisch-bundesdeutsche Coproduktion mit apathischem All-Star-Cast, geht bei aller handwerklichen Stümperhaftigkeit und erzählerischen Idiotie leider nicht als guilty pleasure durch: Auch wenn Gert Fröbe als Kommissar neckische Zwiesprache mit einem Ermittlungscomputer hält oder, in einer völlig unerklärlichen Parallelhandlung, ein Frauenkiller seine Taten snuff-cinéastisch auswertet, versandet in diesem Fall das heimliche Vergnügen, das manch andere filmische Entartung mit sich bringt, in hochgestochener Langeweile und in der Erschütterung, Profis wie Terence Young, Ennio Morricone, Freddie Young und Schauspiellegenden wie Romy Schneider, James Mason, Maurice Ronet so tief sinken zu sehen.
R Terence Young B Laird Koenig V Sidney Sheldon K Freddie Young M Ennio Morricone A Ted Haworth S Bud Molin P Sidney Beckermann, David V. Picker D Audrey Hepburn, Ben Gazarra, James Mason, Omar Sharif, Gert Fröbe | USA & BRD | 116 min | 1:1,66 | f | 29. Juni 1979
Nach dem Mord an ihrem Vater sieht sich die Erbin eines Schweizer Pharmakonzerns tödlichen Nachstellungen aus der geldgeilen Verwandtschaft ausgesetzt; alle sind verdächtig, denn jeder hat triftigen Grund, das traditionsreiche Familienunternehmen an der Börse in Cash zu verwandeln … Die Panik in den Augen von Audrey Hepburn ist vermutlich nicht der Höllenangst der von ihr gespielten Elizabeth Roffe geschuldet sondern dem blanken Entsetzen über das hirnverbrannte Unterfangen, auf das sie sich eingelassen hat, als sie die (Haupt-)Rolle in diesem Film annahm. »Bloodline«, eine konfuse amerikanisch-bundesdeutsche Coproduktion mit apathischem All-Star-Cast, geht bei aller handwerklichen Stümperhaftigkeit und erzählerischen Idiotie leider nicht als guilty pleasure durch: Auch wenn Gert Fröbe als Kommissar neckische Zwiesprache mit einem Ermittlungscomputer hält oder, in einer völlig unerklärlichen Parallelhandlung, ein Frauenkiller seine Taten snuff-cinéastisch auswertet, versandet in diesem Fall das heimliche Vergnügen, das manch andere filmische Entartung mit sich bringt, in hochgestochener Langeweile und in der Erschütterung, Profis wie Terence Young, Ennio Morricone, Freddie Young und Schauspiellegenden wie Romy Schneider, James Mason, Maurice Ronet so tief sinken zu sehen.
R Terence Young B Laird Koenig V Sidney Sheldon K Freddie Young M Ennio Morricone A Ted Haworth S Bud Molin P Sidney Beckermann, David V. Picker D Audrey Hepburn, Ben Gazarra, James Mason, Omar Sharif, Gert Fröbe | USA & BRD | 116 min | 1:1,66 | f | 29. Juni 1979
25.4.79
Manhattan (Woody Allen, 1979)
Manhattan
»He was as tough and romantic as the city he loved. Behind his black-rimmed glasses was the coiled sexual power of a jungle cat. New York was his town, and it always would be.« Der Film eines großen Könners im Einklang mit seiner Zeit – und seiner Stadt: eine messerscharfe Analyse der Lebens-, Liebes- und Leidenswelt urbaner Intellektueller in den späten 70er Jahren des 20. Jahrhunderts, umgesetzt in brillant-abgründige Komik. Alles stimmt: Drehbuch (Dialoge: geschliffen / Konstruktion: vorbildlich), Photographie (Gordon Willis: ein Gott des Schwarzweiß), Darsteller (Allen, Michael Murphy, Meryl Streep: umwerfend / Diane Keaton, Mariel Hemingway: nie zuvor, nie danach so gut), Inszenierung. Woody Allen zeigt nichts anderes als Leute, die gehen, sitzen, stehen, essen, fernsehen, Auto fahren, lieben, leiden, reden – vor allem reden; aber wie er das tut … »Why is life worth living?« Wegen Filmen wie »Manhattan« zum Beispiel. PS: »I think people should mate for life, like pigeons or Catholics.«
R Woody Allen B Woody Allen, Marshall Brickman K Gordon Willis M diverse A Mel Bourne S Susan E. Morse P Jack Rollins, Charles H. Joffe D Woody Allen, Diane Keaton, Michael Murphy, Mariel Hemingway, Meryl Streep | USA | 96 min | 1:2,35 | sw | 25. April 1979
»He was as tough and romantic as the city he loved. Behind his black-rimmed glasses was the coiled sexual power of a jungle cat. New York was his town, and it always would be.« Der Film eines großen Könners im Einklang mit seiner Zeit – und seiner Stadt: eine messerscharfe Analyse der Lebens-, Liebes- und Leidenswelt urbaner Intellektueller in den späten 70er Jahren des 20. Jahrhunderts, umgesetzt in brillant-abgründige Komik. Alles stimmt: Drehbuch (Dialoge: geschliffen / Konstruktion: vorbildlich), Photographie (Gordon Willis: ein Gott des Schwarzweiß), Darsteller (Allen, Michael Murphy, Meryl Streep: umwerfend / Diane Keaton, Mariel Hemingway: nie zuvor, nie danach so gut), Inszenierung. Woody Allen zeigt nichts anderes als Leute, die gehen, sitzen, stehen, essen, fernsehen, Auto fahren, lieben, leiden, reden – vor allem reden; aber wie er das tut … »Why is life worth living?« Wegen Filmen wie »Manhattan« zum Beispiel. PS: »I think people should mate for life, like pigeons or Catholics.«
R Woody Allen B Woody Allen, Marshall Brickman K Gordon Willis M diverse A Mel Bourne S Susan E. Morse P Jack Rollins, Charles H. Joffe D Woody Allen, Diane Keaton, Michael Murphy, Mariel Hemingway, Meryl Streep | USA | 96 min | 1:2,35 | sw | 25. April 1979
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Woody Allen
9.2.79
The Warriors (Walter Hill, 1979)
Die Warriors
»Thálatta! Thálatta!« (»When we see the ocean, we figure we’re home. We’re safe.«) Ein urbaner Kriegsfilm, eine Reise ans Ende der Nacht. Der Schauplatz: eine exemplarische Großstadt – New York. Die Protagonisten: ›Kool Killers‹ – gang members. Eines der klassischen Geschichtswerke des Abendlandes paraphrasierend, liegt Walter Hill wohl nichts ferner, als eine filmische Enquête über Jugendgewalt als Symptom gesellschaftlicher Verrohung zu liefern. Er erzählt (mit Sinn für Rhythmus, Stil und Posen) die archaische Geschichte eines versprengten Trupps auf dem Weg nach Hause – Ausgangspunkt: die Bronx, Ziel: Coney Island (Das Meer! Das Meer!) – und beschreibt, ganz en passant, den Krieg aller gegen alle als Normalzustand der verdämmernden westlichen Zivilisation. »Somewhere out on that horizon / Faraway from the neon sky / I know there must be somethin’ must be somethin’ better.«
R Walter Hill B Walter Hill, David Shaber V Sol Yurick, Xenophon K Andrew Laszlo M Barry De Vorzon A Don Swanagan, Robert Wightman S Freeman Davis, David Holden, Susan E. Morse, Billy Weber P Lawrence Gordon D Michael Beck, James Remar, Dorsey Whright, Brian Tyler, David Harris | USA | 92 min | 1:1,78 | f | 9. Februar 1979
»Thálatta! Thálatta!« (»When we see the ocean, we figure we’re home. We’re safe.«) Ein urbaner Kriegsfilm, eine Reise ans Ende der Nacht. Der Schauplatz: eine exemplarische Großstadt – New York. Die Protagonisten: ›Kool Killers‹ – gang members. Eines der klassischen Geschichtswerke des Abendlandes paraphrasierend, liegt Walter Hill wohl nichts ferner, als eine filmische Enquête über Jugendgewalt als Symptom gesellschaftlicher Verrohung zu liefern. Er erzählt (mit Sinn für Rhythmus, Stil und Posen) die archaische Geschichte eines versprengten Trupps auf dem Weg nach Hause – Ausgangspunkt: die Bronx, Ziel: Coney Island (Das Meer! Das Meer!) – und beschreibt, ganz en passant, den Krieg aller gegen alle als Normalzustand der verdämmernden westlichen Zivilisation. »Somewhere out on that horizon / Faraway from the neon sky / I know there must be somethin’ must be somethin’ better.«
R Walter Hill B Walter Hill, David Shaber V Sol Yurick, Xenophon K Andrew Laszlo M Barry De Vorzon A Don Swanagan, Robert Wightman S Freeman Davis, David Holden, Susan E. Morse, Billy Weber P Lawrence Gordon D Michael Beck, James Remar, Dorsey Whright, Brian Tyler, David Harris | USA | 92 min | 1:1,78 | f | 9. Februar 1979
5.10.77
Valentino (Ken Russell, 1977)
Valentino
»To my public, I will never die!« Sanft lächelnd liegt die geschminkte Leiche der Leinwandikone im Sarg: Rudolph Valentino ist tot – und damit unsterblich. In Citizen-Kane-Manier wirft Ken Russell aus der Aufbahrungshalle Rückblicke in die turbulente Vergangenheit des entschlafenen Kinogottes – auffälligerweise sind es nur Frauen, die wichtige Stationen seiner Vita in Erinnerung rufen: eine frühe Geliebte und eine hellwache Drehbuchautorin, eine exaltierte Schauspielerin und die hochambitiöse Ehefrau entsinnen sich an Valentinos Zeiten als Gigolo und als Nachtclubtänzer, als Kleindarsteller in Hollywood und als sexsymbolische Weltberühmtheit. Valentino (Rudolf Nurejew) geht durch dieses sein Leben seltsam reglos, wie eine Puppe am Faden – lediglich der öffentliche Zweifel an seiner Männlichkeit (was auch immer das sein soll) bringen ihn in eine Rage, die letztlich den frühen Tod befördert. Trotz treffender Seitenhiebe auf Traumfabrik (»Every day is Halloween in Tinseltown.«), Starkult (»YOU – are the fount of all pleasure.«), Sexismus (»We hate him now / he uses talcum powder.«) zeigt Russels Methode der grellen Überzeichnung biographischer Sachverhalte gewisse Ermüdungstendenzen; entfesselte Massenchoreographien, wüste Art-Deco-Reminiszenzen, outrierte Darstellerleistungen (all over the top: Leslie Caron als Alla Nazimowa) verleihen dem pop-erotischen Schauspielerportrait immerhin den soliden Unterhaltungswert einer Beerdigung erster Klasse.
R Ken Russell B Ken Russell, Mardik Martin V Chaw Mank, Brad Steiger K Peter Suschitzky M Stanley Black A Philip Harrison S Stuart Baird P Irwin Winkler, Robert Chartoff D Rudolf Nurejew, Michelle Phillips, Felicity Kendal, Leslie Caron, Seymour Cassel | USA & UK | 128 min | 1:1,85 | f | 5. Oktober 1977
# 1144 | 13. Januar 2019
»To my public, I will never die!« Sanft lächelnd liegt die geschminkte Leiche der Leinwandikone im Sarg: Rudolph Valentino ist tot – und damit unsterblich. In Citizen-Kane-Manier wirft Ken Russell aus der Aufbahrungshalle Rückblicke in die turbulente Vergangenheit des entschlafenen Kinogottes – auffälligerweise sind es nur Frauen, die wichtige Stationen seiner Vita in Erinnerung rufen: eine frühe Geliebte und eine hellwache Drehbuchautorin, eine exaltierte Schauspielerin und die hochambitiöse Ehefrau entsinnen sich an Valentinos Zeiten als Gigolo und als Nachtclubtänzer, als Kleindarsteller in Hollywood und als sexsymbolische Weltberühmtheit. Valentino (Rudolf Nurejew) geht durch dieses sein Leben seltsam reglos, wie eine Puppe am Faden – lediglich der öffentliche Zweifel an seiner Männlichkeit (was auch immer das sein soll) bringen ihn in eine Rage, die letztlich den frühen Tod befördert. Trotz treffender Seitenhiebe auf Traumfabrik (»Every day is Halloween in Tinseltown.«), Starkult (»YOU – are the fount of all pleasure.«), Sexismus (»We hate him now / he uses talcum powder.«) zeigt Russels Methode der grellen Überzeichnung biographischer Sachverhalte gewisse Ermüdungstendenzen; entfesselte Massenchoreographien, wüste Art-Deco-Reminiszenzen, outrierte Darstellerleistungen (all over the top: Leslie Caron als Alla Nazimowa) verleihen dem pop-erotischen Schauspielerportrait immerhin den soliden Unterhaltungswert einer Beerdigung erster Klasse.
R Ken Russell B Ken Russell, Mardik Martin V Chaw Mank, Brad Steiger K Peter Suschitzky M Stanley Black A Philip Harrison S Stuart Baird P Irwin Winkler, Robert Chartoff D Rudolf Nurejew, Michelle Phillips, Felicity Kendal, Leslie Caron, Seymour Cassel | USA & UK | 128 min | 1:1,85 | f | 5. Oktober 1977
# 1144 | 13. Januar 2019
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Tod
26.5.77
Der amerikanische Freund (Wim Wenders, 1977)
Das Leben, vom Tode aus betrachtet … Ja, da ist auch ein Thriller: betrügerische (Kunst-) Geschäfte, Gangster, die mit Pornos handeln, Auftragsmord in der Eisenbahn, Leichen, die beseitigt werden müssen. Aber vor allem ist da dieser epi-nostalgische, larmo-romantische Kinotraum über Männer: über ihren blöden Stolz und ihre noch blöderen Empfindlichkeiten, über ihre kindische Angst und ihre jungenhaften Sehnsüchte, über ihr Verlangen nach (unmöglicher!) Freundschaft, nach (utopischer!) Liebe, über ihre Fähigkeit zu beiläufiger Zärtlichkeit, zu wortlosem Verstehen. »Der amerikanische Freund« erzählt (frei nach Patricia Highsmiths Roman »Ripley’s Game«) davon, wie diese Männer in geisterhaften Städten, in Hamburg, in New York, in Paris, ihre riskanten, infamen, todbringenden Spiele spielen. Sie leben (?) in grandios-vergammelten Villen (Ripley = Dennis Hopper), in einsam ragenden Häusern am Fluß (Jonathan = Bruno Ganz), in weitläufigen Appartements über dem Häusermeer (Minot = Gérard Blain). Sie sind Tote auf Urlaub in einer Welt hinter Glas, (vergeblich) bemüht, Isolation, Melancholie, Distanz zu überwinden. Wim Wenders (der in Nebenrollen nicht ohne Grund Regielegenden wie Nicholas Ray und Sam Fuller besetzt) verschickt die mythischen Gestalten des Western, des film noir, des Melodrams in eine novembrige Gegenwart, in eine Zeit aus Blei, wo sie in kühlem Edward-Hopper-Licht (Kamera: Robby Müller) durch anonyme Flughäfen und menschenleere U-Bahnhöfe, über verlassene Parkways und urbane Brachflächen irren. Heimatlose. Suchende. Männer: »My thought just weigh me down / And drag me to the ground / And shake my head till there's no more life in me.« PS: Ja, da ist auch eine Frau: Sie heißt … wie heißt sie doch gleich?
R Wim Wenders B Wim Wenders V Patricia Highsmith K Robby Müller M Jürgen Knieper A Heidi Lüdi, Toni Lüdi S Peter Przygodda P Wim Wenders D Bruno Ganz, Dennis Hopper, Lisa Kreuzer, Gérard Blain, Rudolf Schündler | BRD & F | 126 min | 1:1,66 | f | 26. Mai 1977
R Wim Wenders B Wim Wenders V Patricia Highsmith K Robby Müller M Jürgen Knieper A Heidi Lüdi, Toni Lüdi S Peter Przygodda P Wim Wenders D Bruno Ganz, Dennis Hopper, Lisa Kreuzer, Gérard Blain, Rudolf Schündler | BRD & F | 126 min | 1:1,66 | f | 26. Mai 1977
20.4.77
Annie Hall (Woody Allen, 1977)
Der Stadtneurotiker
»There’s an old joke… two elderly women are at a mountain resort, and one of them says: ›Boy, the food at this place is really terrible.‹ The other one says: ›Yeah, I know; and such small portions.‹« Mit »Annie Hall« wird Woody zu Woody Allen. Die Federleichtigkeit, mit der die formalen Register gezogen werden, läßt immer wieder staunen. Dank einer kongenialen Hauptdarstellerin (Diane Keaton), eines begnadeten Kameramanns (Gordon Willis), eines virtuosen Cutters (Ralph Rosenblum), eines Ausstatters (Mel Bourne) und eines Kostümbildners (Ralph Lauren), die den Lifestyle ihrer Ära auf den Punkt bringen, sowie natürlich aufgrund von Allens untrüglichem Gespür für Situationen und Dialoge, seines philosophischen Esprits, seines großstädtischen Flairs sowie einer grundsoliden Halbbildung, die es ihm erlaubt, über alles und jeden seine (klugen) Witze zu reißen, entsteht nicht nur ein tiefgründig-hochkomisches Zeit- und Gesellschaftsbild sondern eine völlig neue Form von Lustspiel: die realistische urban-intellektuelle Komödie. In einer raffiniert-simplen Boy-meets-girl-boy-loses-girl-Story öffnet sich ein ganzes Universum von Themenpaaren – Widersprüchen der menschlichen Existenz –, aus denen Allen sein erzählerisches Kapital schlägt: Männer und Frauen, Juden und Christen, Stadt und Land, Liebe und Tod, Gestern und Heute, New York und Hollywood, Hoffnung und Angst, schlechtes Essen und kleine Portionen.
R Woody Allen B Woody Allen, Marshall Brickman K Gordon Willis M diverse A Mel Bourne S Ralph Rosenblum P Jack Rollins, Charles H. Joffe D Woody Allen, Diane Keaton, Tony Roberts, Paul Simon, Shelley Duvall | USA | 93 min | 1:1,85 | f | 20. April 1977
»There’s an old joke… two elderly women are at a mountain resort, and one of them says: ›Boy, the food at this place is really terrible.‹ The other one says: ›Yeah, I know; and such small portions.‹« Mit »Annie Hall« wird Woody zu Woody Allen. Die Federleichtigkeit, mit der die formalen Register gezogen werden, läßt immer wieder staunen. Dank einer kongenialen Hauptdarstellerin (Diane Keaton), eines begnadeten Kameramanns (Gordon Willis), eines virtuosen Cutters (Ralph Rosenblum), eines Ausstatters (Mel Bourne) und eines Kostümbildners (Ralph Lauren), die den Lifestyle ihrer Ära auf den Punkt bringen, sowie natürlich aufgrund von Allens untrüglichem Gespür für Situationen und Dialoge, seines philosophischen Esprits, seines großstädtischen Flairs sowie einer grundsoliden Halbbildung, die es ihm erlaubt, über alles und jeden seine (klugen) Witze zu reißen, entsteht nicht nur ein tiefgründig-hochkomisches Zeit- und Gesellschaftsbild sondern eine völlig neue Form von Lustspiel: die realistische urban-intellektuelle Komödie. In einer raffiniert-simplen Boy-meets-girl-boy-loses-girl-Story öffnet sich ein ganzes Universum von Themenpaaren – Widersprüchen der menschlichen Existenz –, aus denen Allen sein erzählerisches Kapital schlägt: Männer und Frauen, Juden und Christen, Stadt und Land, Liebe und Tod, Gestern und Heute, New York und Hollywood, Hoffnung und Angst, schlechtes Essen und kleine Portionen.
R Woody Allen B Woody Allen, Marshall Brickman K Gordon Willis M diverse A Mel Bourne S Ralph Rosenblum P Jack Rollins, Charles H. Joffe D Woody Allen, Diane Keaton, Tony Roberts, Paul Simon, Shelley Duvall | USA | 93 min | 1:1,85 | f | 20. April 1977
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Komödie,
Los Angeles,
New York,
Romanze,
Woody Allen
6.10.76
Marathon Man (John Schlesinger, 1976)
Der Marathon-Mann
»Is it safe?« Nein, ist es nicht. Nichts ist sicher. Gar nichts. Im Bewußtsein dieser existentiellen Gefährdung funktioniert »Marathon Man« auf (mindestens) zwei Ebenen: zum einen als perfekter Thriller, der souverän mit den wesentlichen Ingredienzien des Genres umgeht: Spannung und Schock, Blick in den Abgrund und Flucht in die Tapferkeit; zum anderen als Bild einer Welt, die keine Gewißheit kennt, nur Bedrohung und Angst, Mißtrauen und Lüge. Aus der Konfrontation des früheren KZ-Zahnarztes Christian Szell (teuflisch-starr: Laurence Olivier) und des jungen jüdischen Intellektuellen ›Babe‹ Levy (dynamisch-verkrampft: Dustin Hoffman) – beide auf spezifische Weise Überlebende (sowie Gefangene) ihrer eigenen Biographie und der Zeitgeschichte – destilliert John Schlesinger wiederum (mindestens) zweierlei Resultate: ein bodenloses Kaleidoskop der Paranoia (als aktuellen politischen Kommentar = Nachlese der epochalen ›Watergate‹-Erschütterung) und eine diamantharte Rachephantasie (als historisch-kinematographische Vergeltungsmaßnahme = Auschwitzprozeß à la Hollywood). Formal brillant orchestriert – insbesondere durch Conrad Halls ungerührte Bilder und den eisigen Score von Michael Small – verortet »Marathon Man« das Diesseits im Jenseits einer zerstörerisch fortwirkenden Vergangenheit, in der tristen Ewigkeit von Verbrechen (≈ Schuld) und Strafe (≈ Sühne). PS: »Life can be that simple: relief – discomfort.« Sagt der »weiße Engel«. Und bohrt.
R John Schlesinger B William Goldman V William Goldman K Conrad Hall M Michael Small A Richard Macdonald S Jim Clark P Robert Evans, Sidney Beckerman D Dustin Hoffman, Laurence Olivier, Roy Scheider, William Devane, Marthe Keller | USA | 125 min | 1:1,85 | f | 6. Oktober 1976
»Is it safe?« Nein, ist es nicht. Nichts ist sicher. Gar nichts. Im Bewußtsein dieser existentiellen Gefährdung funktioniert »Marathon Man« auf (mindestens) zwei Ebenen: zum einen als perfekter Thriller, der souverän mit den wesentlichen Ingredienzien des Genres umgeht: Spannung und Schock, Blick in den Abgrund und Flucht in die Tapferkeit; zum anderen als Bild einer Welt, die keine Gewißheit kennt, nur Bedrohung und Angst, Mißtrauen und Lüge. Aus der Konfrontation des früheren KZ-Zahnarztes Christian Szell (teuflisch-starr: Laurence Olivier) und des jungen jüdischen Intellektuellen ›Babe‹ Levy (dynamisch-verkrampft: Dustin Hoffman) – beide auf spezifische Weise Überlebende (sowie Gefangene) ihrer eigenen Biographie und der Zeitgeschichte – destilliert John Schlesinger wiederum (mindestens) zweierlei Resultate: ein bodenloses Kaleidoskop der Paranoia (als aktuellen politischen Kommentar = Nachlese der epochalen ›Watergate‹-Erschütterung) und eine diamantharte Rachephantasie (als historisch-kinematographische Vergeltungsmaßnahme = Auschwitzprozeß à la Hollywood). Formal brillant orchestriert – insbesondere durch Conrad Halls ungerührte Bilder und den eisigen Score von Michael Small – verortet »Marathon Man« das Diesseits im Jenseits einer zerstörerisch fortwirkenden Vergangenheit, in der tristen Ewigkeit von Verbrechen (≈ Schuld) und Strafe (≈ Sühne). PS: »Life can be that simple: relief – discomfort.« Sagt der »weiße Engel«. Und bohrt.
R John Schlesinger B William Goldman V William Goldman K Conrad Hall M Michael Small A Richard Macdonald S Jim Clark P Robert Evans, Sidney Beckerman D Dustin Hoffman, Laurence Olivier, Roy Scheider, William Devane, Marthe Keller | USA | 125 min | 1:1,85 | f | 6. Oktober 1976
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William Goldman
18.3.76
The Man Who Fell to Earth (Nicolas Roeg, 1976)
Der Mann, der vom Himmel fiel
»I’m just visiting.« – »Oh, a traveler!« Ein Außerirdischer landet auf der Erde. Unter dem Namen Thomas Jerome Newton verschafft sich der rothaarige Besucher Bargeld und baut mittels einiger bahnbrechender Patente einen der größten Konzerne der Vereinigten Staaten auf – es sind weder Macht noch Reichtum, die ihn dabei interessieren, ihm geht es einzig um die Mittel, seinen verdurstenden Heimatplaneten (auf dem er Frau und Kinder zurückließ) mit Wasser zu versorgen. Die Science-Fiction-Erzählung bildet den Rahmen, um aus der Sicht eines Fremden auf Bekanntes – oder: für bekannt Gehaltenes – zu blicken, auf Talmiglanz und Elend der westlichen Zivilisation, auf ihre Gesetze des Marktes und der Stärkeren. In kühnen Ellipsen, in fragmentierten Szenen, in Bildern von halluzinatorischer Qualität verschmilzt Nicolas Roeg hochartifizielle Gesellschaftskritik und rigorose Genredekonstruktion zu einer sarkastische Dystopie, die nicht als Zukunftsvision daherkommt, sondern, vermittelt durch die Perspektive eines Alien, als beklemmendes Zeitbild. David Bowie, der als Popstar zuvor selbst mit außerirdischen Identitäten jonglierte, spielt Newton, den genialischen Magnaten und einzelgängerischen Exzentriker, Simplicissimus, Messias, Ikarus, Freak, ultimativer »stranger in a strange land«. Mit seltsam aufgekratzter Ungerührtheit zeigt Roeg, wie sich »The Man Who Fell to Earth« in eine problematische Beziehung verwickelt, wie er dem Alkohol und hemmungslosem Fernsehkonsum verfällt, wie er sein großes Ziel allmählich aus den Augen verliert – ein fataler Prozeß der Entfremdung (und zugleich Menschwerdung), der in stiller Melancholie endet. »I may not stay sober anymore. But, I still have money.«
R Nicolas Roeg B Paul Mayersberg V Walter Tevis K Anthony Richmond M diverse A Brian Eatwell S Graeme Clifford P Michael Deeley, Barry Spikings D David Bowie, Candy Clark, Rip Torn, Buck Henry, Bernie Casey | UK | 139 min | 1:2,35 | f | 18. März 1976
# 1065 | 31. Juli 2017
»I’m just visiting.« – »Oh, a traveler!« Ein Außerirdischer landet auf der Erde. Unter dem Namen Thomas Jerome Newton verschafft sich der rothaarige Besucher Bargeld und baut mittels einiger bahnbrechender Patente einen der größten Konzerne der Vereinigten Staaten auf – es sind weder Macht noch Reichtum, die ihn dabei interessieren, ihm geht es einzig um die Mittel, seinen verdurstenden Heimatplaneten (auf dem er Frau und Kinder zurückließ) mit Wasser zu versorgen. Die Science-Fiction-Erzählung bildet den Rahmen, um aus der Sicht eines Fremden auf Bekanntes – oder: für bekannt Gehaltenes – zu blicken, auf Talmiglanz und Elend der westlichen Zivilisation, auf ihre Gesetze des Marktes und der Stärkeren. In kühnen Ellipsen, in fragmentierten Szenen, in Bildern von halluzinatorischer Qualität verschmilzt Nicolas Roeg hochartifizielle Gesellschaftskritik und rigorose Genredekonstruktion zu einer sarkastische Dystopie, die nicht als Zukunftsvision daherkommt, sondern, vermittelt durch die Perspektive eines Alien, als beklemmendes Zeitbild. David Bowie, der als Popstar zuvor selbst mit außerirdischen Identitäten jonglierte, spielt Newton, den genialischen Magnaten und einzelgängerischen Exzentriker, Simplicissimus, Messias, Ikarus, Freak, ultimativer »stranger in a strange land«. Mit seltsam aufgekratzter Ungerührtheit zeigt Roeg, wie sich »The Man Who Fell to Earth« in eine problematische Beziehung verwickelt, wie er dem Alkohol und hemmungslosem Fernsehkonsum verfällt, wie er sein großes Ziel allmählich aus den Augen verliert – ein fataler Prozeß der Entfremdung (und zugleich Menschwerdung), der in stiller Melancholie endet. »I may not stay sober anymore. But, I still have money.«
R Nicolas Roeg B Paul Mayersberg V Walter Tevis K Anthony Richmond M diverse A Brian Eatwell S Graeme Clifford P Michael Deeley, Barry Spikings D David Bowie, Candy Clark, Rip Torn, Buck Henry, Bernie Casey | UK | 139 min | 1:2,35 | f | 18. März 1976
# 1065 | 31. Juli 2017
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4.2.76
Next Stop, Greenwich Village (Paul Mazursky, 1975)
Ein Haar in der Suppe
Bohemian Rhapsody im New York der frühen 1950er. Larry Lapinsky (schlaksig: Lenny Baker), Brando-Fan aus Brooklyn, Schauspielschüler auf der Flucht vor seiner jüdischen Übermutter (göttlich: Shelley Winters), und seine exzentrischen Freunde – die depressive Dichterin und die schwarze Tunte, der arrogante junge Romancier (vielversprechend: Christopher Walken) und der vegetarische Saftladenbesitzer – treiben sich rum, schlagen sich durch, verkrachen sich, vertragen sich, lieben sich und schneiden sich die Pulsadern auf. »Next Stop, Greenwich Villlage« ist Paul Mazurskys »I Remember«, ein Film wie das Wühlen in einer Fotokiste: Echos von Momenten – existenziell und belanglos, hysterisch lustig und herzzerreißend traurig, ungeschminkt und posenhaft. Wie das Leben eben ist.
R Paul Mazursky B Paul Mazursky K Arthur J. Ornitz M Bill Conti A Philip Rosenberg S Richard Halsey P Paul Mazursky, Anthony Ray D Lenny Baker, Shelley Winters, Ellen Greene, Lois Smith, Christopher Walken | USA | 111 min | 1:1,85 | f | 4. Februar 1976
Bohemian Rhapsody im New York der frühen 1950er. Larry Lapinsky (schlaksig: Lenny Baker), Brando-Fan aus Brooklyn, Schauspielschüler auf der Flucht vor seiner jüdischen Übermutter (göttlich: Shelley Winters), und seine exzentrischen Freunde – die depressive Dichterin und die schwarze Tunte, der arrogante junge Romancier (vielversprechend: Christopher Walken) und der vegetarische Saftladenbesitzer – treiben sich rum, schlagen sich durch, verkrachen sich, vertragen sich, lieben sich und schneiden sich die Pulsadern auf. »Next Stop, Greenwich Villlage« ist Paul Mazurskys »I Remember«, ein Film wie das Wühlen in einer Fotokiste: Echos von Momenten – existenziell und belanglos, hysterisch lustig und herzzerreißend traurig, ungeschminkt und posenhaft. Wie das Leben eben ist.
R Paul Mazursky B Paul Mazursky K Arthur J. Ornitz M Bill Conti A Philip Rosenberg S Richard Halsey P Paul Mazursky, Anthony Ray D Lenny Baker, Shelley Winters, Ellen Greene, Lois Smith, Christopher Walken | USA | 111 min | 1:1,85 | f | 4. Februar 1976
24.9.75
Three Days of the Condor (Sydney Pollack, 1975)
Die drei Tage des Condor
»Three Days of the Condor« leuchtet nicht nur in die Schattenbereiche des geheim(dienstlich)en Amerika, der Film entwirft das definitive Bild der Spionage als Spiel – Spiel der Möglichkeiten, der Manipulation, der Kontrolle, des Verrats. Sydney Pollack, der gute Mensch von Hollywood, portraitiert eine Figur, die nicht mehr mitspielen will: Joe Turner (Robert Redford) – ein subalterner CIA-Angestellter, der zufällig auf die Spur einer von der Zentrale ausgeheckten Riesenschweinerei stößt – versucht das (sein? unser?) Blatt zu wenden, indem er mitten in der Partie die Regeln ändert. Ob es ihm gelingt? Die Frage bleibt offen, muß offen bleiben, in einem novembertrüben Geschäft, in dem längst nicht mehr das »Warum?« interessiert, sondern das »Wann?«, das »Wo?«, in jedem Fall aber das »Wieviel?«.
R Sydney Pollack B Lorenzo Semple Jr., David Rayfiel V James Grady K Owen Roizman M Dave Grusin A Stephen B. Grimes S Don Guidice P Stanley Schneider D Robert Redford, Faye Dunaway, Cliff Robertson, Max von Sydow, John Houseman | USA | 117 min | 1:2,35 | f | 24. September 1975
»Three Days of the Condor« leuchtet nicht nur in die Schattenbereiche des geheim(dienstlich)en Amerika, der Film entwirft das definitive Bild der Spionage als Spiel – Spiel der Möglichkeiten, der Manipulation, der Kontrolle, des Verrats. Sydney Pollack, der gute Mensch von Hollywood, portraitiert eine Figur, die nicht mehr mitspielen will: Joe Turner (Robert Redford) – ein subalterner CIA-Angestellter, der zufällig auf die Spur einer von der Zentrale ausgeheckten Riesenschweinerei stößt – versucht das (sein? unser?) Blatt zu wenden, indem er mitten in der Partie die Regeln ändert. Ob es ihm gelingt? Die Frage bleibt offen, muß offen bleiben, in einem novembertrüben Geschäft, in dem längst nicht mehr das »Warum?« interessiert, sondern das »Wann?«, das »Wo?«, in jedem Fall aber das »Wieviel?«.
R Sydney Pollack B Lorenzo Semple Jr., David Rayfiel V James Grady K Owen Roizman M Dave Grusin A Stephen B. Grimes S Don Guidice P Stanley Schneider D Robert Redford, Faye Dunaway, Cliff Robertson, Max von Sydow, John Houseman | USA | 117 min | 1:2,35 | f | 24. September 1975
24.3.74
The Great Gatsby (Jack Clayton, 1974)
Der große Gatsby
Poetisches Zeitbild, Revue des amerikanischen Traums, Geschichte einer großen Sehnsucht – Jack Claytons Verfilmung des Romans von F. Scott Fitzgerald (nach einem Drehbuch von Francis Ford Coppola) ist wenig bis nichts davon, und auch die reichlich kolportagehafte Handlung will kaum in die Gänge kommen. Vielleicht liegt es an der ohne jedes Feingefühl herumzoomenden und -schwenkenden Kamera (Douglas Slocombe), vielleicht an den vielen scheußlichen Überblendungen, vielleicht an der mal platt-illustrativen, mal schwerfällig-schleppenden Regie, daß »The Great Gatsby« nicht in den Rhythmus des Jazz Age findet, auch wenn Kostümbild, Ausstattung und Musikarrangements den einen oder anderen nostalgischen Schlüsselreiz setzen. Die gestalterischen Halbherzigkeiten sind um so bedauerlicher, als alle Mitglieder des großartigen Ensembles willens und fähig scheinen, ihr Bestes zu geben. Immer wieder spielen die Darsteller – Robert Redford in der Titelrolle des enigmatischen New Yorker Neureichen, Mia Farrow als übernervöses (und letztlich wertloses) Objekt der Begierde, Bruce Dern als Matador des Establishments, Lois Chiles als High-Snobiety-Girl, Karen Black als teures Flittchen, Scott Wilson als Vollstrecker aus dem Tal der Asche, Sam Waterston als Erzähler – an der transusigen Inszenierung ganz einfach vorbei, lassen immer wieder die Ahnung eines wunderbaren Films aufblitzen: Gatsby, der Reichtümer nur anhäuft, um die Zukunft nach dem Bild einer für immer vergangenen Vergangenheit zu malen, ist der romantische Held einer Welt, die, indem sie sich zerstört, zu ihrer Unschuld zurückzufinden hofft. Das grüne Licht, nach dem Gatsby hascht, das Signal auf der anderen Seite des Long-Island-Sundes, beim Haus der verlorenen Geliebten, bleibt so nah, so fern, so gegenwärtig, so unerreichbar wie das vor Zeiten gelebte oder verpaßte Leben, das, so oder so, niemals wiederkehren wird.
R Jack Clayton B Francis Ford Coppola V F. Scott Fitzgerald K Douglas Slocombe M Nelson Riddle A John Box S Tom Priestley P David Merrick D Robert Redford, Mia Farrow, Sam Waterston, Bruce Dern, Karen Black | USA | 144 min | 1:1,85 | f | 24. März 1974
Poetisches Zeitbild, Revue des amerikanischen Traums, Geschichte einer großen Sehnsucht – Jack Claytons Verfilmung des Romans von F. Scott Fitzgerald (nach einem Drehbuch von Francis Ford Coppola) ist wenig bis nichts davon, und auch die reichlich kolportagehafte Handlung will kaum in die Gänge kommen. Vielleicht liegt es an der ohne jedes Feingefühl herumzoomenden und -schwenkenden Kamera (Douglas Slocombe), vielleicht an den vielen scheußlichen Überblendungen, vielleicht an der mal platt-illustrativen, mal schwerfällig-schleppenden Regie, daß »The Great Gatsby« nicht in den Rhythmus des Jazz Age findet, auch wenn Kostümbild, Ausstattung und Musikarrangements den einen oder anderen nostalgischen Schlüsselreiz setzen. Die gestalterischen Halbherzigkeiten sind um so bedauerlicher, als alle Mitglieder des großartigen Ensembles willens und fähig scheinen, ihr Bestes zu geben. Immer wieder spielen die Darsteller – Robert Redford in der Titelrolle des enigmatischen New Yorker Neureichen, Mia Farrow als übernervöses (und letztlich wertloses) Objekt der Begierde, Bruce Dern als Matador des Establishments, Lois Chiles als High-Snobiety-Girl, Karen Black als teures Flittchen, Scott Wilson als Vollstrecker aus dem Tal der Asche, Sam Waterston als Erzähler – an der transusigen Inszenierung ganz einfach vorbei, lassen immer wieder die Ahnung eines wunderbaren Films aufblitzen: Gatsby, der Reichtümer nur anhäuft, um die Zukunft nach dem Bild einer für immer vergangenen Vergangenheit zu malen, ist der romantische Held einer Welt, die, indem sie sich zerstört, zu ihrer Unschuld zurückzufinden hofft. Das grüne Licht, nach dem Gatsby hascht, das Signal auf der anderen Seite des Long-Island-Sundes, beim Haus der verlorenen Geliebten, bleibt so nah, so fern, so gegenwärtig, so unerreichbar wie das vor Zeiten gelebte oder verpaßte Leben, das, so oder so, niemals wiederkehren wird.
R Jack Clayton B Francis Ford Coppola V F. Scott Fitzgerald K Douglas Slocombe M Nelson Riddle A John Box S Tom Priestley P David Merrick D Robert Redford, Mia Farrow, Sam Waterston, Bruce Dern, Karen Black | USA | 144 min | 1:1,85 | f | 24. März 1974
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3.3.74
Alice in den Städten (Wim Wenders, 1974)
»Erzählst du mir eine Geschichte?« – »Ich weiß keine Geschichte.« Ein Mann und ein Mädchen. Philip (Rüdiger Vogler) ist 31, Alice (Yella Rottländer) ist 9. Sie begegnen sich zufällig, am New Yorker Flughafen, in einer Drehtür. Die Umstände binden sie aneinander, schicken sie auf die Reise, von Amerika nach Amsterdam, weiter nach Wuppertal, durch das Ruhrgebiet (»Essen ist gut.«), den Rhein hinunter. Ein Journalist, der die geplante Reportage nicht zustande bringt, und ein Kind, dessen Mutter vorübergehend eigene Wege geht, gemeinsam unterwegs, er auf der Suche nach dem verlorenen Gefühl von sich selbst, sie auf der Suche nach dem Haus der Großmutter, von dem es ein verwaschenes Foto gibt, aber keine Adresse. Wim Wenders entwickelt mit zärtlicher Aufmerksamkeit die Chronik der laufenden Ereignisse eines schwierigen Kennenlernens, einer zaghaften Annährung, einer Expedition in die aufregend unbekannte Gegenwart: Tankstellen, Hotelzimmer, Telefonzellen, Imbißstuben, Hochhäuser, Schwimmbäder, Wohnsiedlungen. Dazu der minimalistische Soundtrack von »Can« und die Aufnahmen, die Philip mit seiner Polaroid SX-70 schießt: sich Bilder machen von der Welt, wenn schon die Worte fehlen, sie zu beschreiben … aber: »Es ist doch nie das drauf, was man gesehen hat.« Film als Registrieren von Oberflächenreizen – Fassaden, Neonschriften, TV-Programme –, als Kompendium von Verkehrsmitteln – Auto, Bus, U-Bahn, Flugzeug, Zug, Schwebebahn, Fähre –, als Erkundungstour ohne festes Ziel: sich verlaufen, um sich zu finden. »Und du? Was machst du?«
R Wim Wenders B Wim Wenders, Veith von Fürstenberg K Robby Müller M Can S Peter Przygodda P Peter Genée D Rüdiger Vogler, Yella Rottländer, Lisa Kreuzer, Edda Köchl, Hans Hirschmüller | BRD | 112 min | 1:1,37 | sw | 3. März 1974
# 1035 | 28. November 2016
R Wim Wenders B Wim Wenders, Veith von Fürstenberg K Robby Müller M Can S Peter Przygodda P Peter Genée D Rüdiger Vogler, Yella Rottländer, Lisa Kreuzer, Edda Köchl, Hans Hirschmüller | BRD | 112 min | 1:1,37 | sw | 3. März 1974
# 1035 | 28. November 2016
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19.10.73
The Way We Were (Sydney Pollack, 1973)
So wie wir waren | Cherrie Bitter
»I don’t see how you can do it.« – »And I don’t see how you can’t.« Die großen, die unvergeßlichen Liebesgeschichten sind in der Regel nicht jene, die gut ausgehen, nicht die Happily-ever-after-Romanzen aus dem Märchenbuch, es sind die bittersüß-aussichtlosen Erzählungen von feindlichen Umständen, von opfervollem Verzicht, von unauflöslichem Gegensatz: Tristan und Isolde, Rick und Ilsa, Hubbell Gardiner und Katie Morosky. Der immer lächelnde Neuengland-Beau (Robert Redford), dem alles – das Schreiben, die Liebe, das Leben – viel zu leicht fällt, und die jüdische Jungkommunistin (Barbra Streisand), die alles – die Politik, die Arbeit, das Leben – viel zu ernst nimmt, lernen sich Ende der 1930er Jahre während des Studiums kennen, treffen sich kurz vor Schluß des Zweiten Weltkriegs wieder, verlieben sich, trennen sich, finden aufs Neue zusammen, gehen gemeinsam von New York nach Hollywood, wo er seinen ersten Roman (»A Country Made of Ice Cream«) für die Leinwand adaptieren soll, werden von der Kommunistenhatz der beginnenden McCarthy-Ära endgültig entzweit – wo er, talentiert, lässig und flexibel, Menschen für wichtiger als ihre Prinzipien hält, ist sie, konsequent, engagiert und streitbar, davon überzeugt, daß Menschen ihre Prinzipien sind. Sydney Pollack inszeniert Arthur Laurents’ intelligentes Melodram mit unaufdringlichem nostalgischen Flair und leisen, aber unüberhörbaren politischen Untertönen; das kongeniale Spiel der Hauptdarsteller wahrt die Integrität der so unterschiedlichen Protagonisten, beschreibt einen schmerzlichen Dissens ohne Parteinahme, ohne Schuldzuweisung. PS: »Memories / Light the corners of my mind / Misty watercolor memories / Of the way we were.«
R Sydney Pollack B Arthur Laurents K Harry Stradling Jr. M Marvin Hamlish A Stephen B. Grimes S Margaret Booth P Ray Stark D Barbra Streisand, Robert Redford, Bradford Dillman, Lois Chiles, Patrick O’Neal, Viveca Lindfors | USA | 118 min | 1:2,35 | f | 19. Oktober 1973
# 1148 | 2. Februar 2019
»I don’t see how you can do it.« – »And I don’t see how you can’t.« Die großen, die unvergeßlichen Liebesgeschichten sind in der Regel nicht jene, die gut ausgehen, nicht die Happily-ever-after-Romanzen aus dem Märchenbuch, es sind die bittersüß-aussichtlosen Erzählungen von feindlichen Umständen, von opfervollem Verzicht, von unauflöslichem Gegensatz: Tristan und Isolde, Rick und Ilsa, Hubbell Gardiner und Katie Morosky. Der immer lächelnde Neuengland-Beau (Robert Redford), dem alles – das Schreiben, die Liebe, das Leben – viel zu leicht fällt, und die jüdische Jungkommunistin (Barbra Streisand), die alles – die Politik, die Arbeit, das Leben – viel zu ernst nimmt, lernen sich Ende der 1930er Jahre während des Studiums kennen, treffen sich kurz vor Schluß des Zweiten Weltkriegs wieder, verlieben sich, trennen sich, finden aufs Neue zusammen, gehen gemeinsam von New York nach Hollywood, wo er seinen ersten Roman (»A Country Made of Ice Cream«) für die Leinwand adaptieren soll, werden von der Kommunistenhatz der beginnenden McCarthy-Ära endgültig entzweit – wo er, talentiert, lässig und flexibel, Menschen für wichtiger als ihre Prinzipien hält, ist sie, konsequent, engagiert und streitbar, davon überzeugt, daß Menschen ihre Prinzipien sind. Sydney Pollack inszeniert Arthur Laurents’ intelligentes Melodram mit unaufdringlichem nostalgischen Flair und leisen, aber unüberhörbaren politischen Untertönen; das kongeniale Spiel der Hauptdarsteller wahrt die Integrität der so unterschiedlichen Protagonisten, beschreibt einen schmerzlichen Dissens ohne Parteinahme, ohne Schuldzuweisung. PS: »Memories / Light the corners of my mind / Misty watercolor memories / Of the way we were.«
R Sydney Pollack B Arthur Laurents K Harry Stradling Jr. M Marvin Hamlish A Stephen B. Grimes S Margaret Booth P Ray Stark D Barbra Streisand, Robert Redford, Bradford Dillman, Lois Chiles, Patrick O’Neal, Viveca Lindfors | USA | 118 min | 1:2,35 | f | 19. Oktober 1973
# 1148 | 2. Februar 2019
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Streisand,
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18.10.73
Les aventures de Rabbi Jacob (Gérard Oury, 1973)
Die Abenteuer des Rabbi Jacob
»Une grimace et vous êtes mort!« Polternd-subtiles Kabinettstück des hysterischen Realismus: Louis de Funès als erzrassistisches Pariser Unternehmer-Arschloch, das (nicht zuletzt wegen seiner stupenden Borniertheit) in namenlose Schwierigkeiten gerät und, ungewollt begleitet von einem arabischen Volkstribun, in Maske und Kostüm eines New Yorker Rabbiners vor den Nachstellungen heimischer Polizisten sowie fremdländischer Geheimdienstler flüchtet. »Die Revolution«, sagte Che Guevara, »ist wie ein Fahrrad – wenn sie stehenbleibt, fällt sie um.« Gérard Oury überträgt dieses Diktum auf die pädagogisch-boulevardeske Filmkomödie: Ohne ihm eine Atempause zu gönnen, schickt er seinen fratzenschneidenden Protagonisten – durch eine blubbernde Kaugummifabrik und über das kurvenreiche Gepäckband des Flughafens Orly, durch eine rappelvolle Synagoge im Marais und über den nationalstolzen Hof des Invalidendoms – auf den Weg der Menschwerdung … Ein abenteuerliches Vaudeville über den schönen Traum von Religionsfrieden, Völkerverständigung und Zivilisierung, über eine bessere Welt, in der es keine Schande wäre, jüdisch oder nicht jüdisch zu sein: »Ça ne fait rien, on vous garde quand même!«
R Gérard Oury B Gérard Oury, Danièle Thompson, Josy Eisenberg K Henri Decaë M Vladimir Cosma A Théo Meurisse S Albert Jurgenson P Bertrand Javal D Louis de Funès, Claude Giraud, Marcel Dalio, Suzy Delair, Henri Guybet | F & I | 100 min | 1:1,66 | f | 18. Oktober 1973
»Une grimace et vous êtes mort!« Polternd-subtiles Kabinettstück des hysterischen Realismus: Louis de Funès als erzrassistisches Pariser Unternehmer-Arschloch, das (nicht zuletzt wegen seiner stupenden Borniertheit) in namenlose Schwierigkeiten gerät und, ungewollt begleitet von einem arabischen Volkstribun, in Maske und Kostüm eines New Yorker Rabbiners vor den Nachstellungen heimischer Polizisten sowie fremdländischer Geheimdienstler flüchtet. »Die Revolution«, sagte Che Guevara, »ist wie ein Fahrrad – wenn sie stehenbleibt, fällt sie um.« Gérard Oury überträgt dieses Diktum auf die pädagogisch-boulevardeske Filmkomödie: Ohne ihm eine Atempause zu gönnen, schickt er seinen fratzenschneidenden Protagonisten – durch eine blubbernde Kaugummifabrik und über das kurvenreiche Gepäckband des Flughafens Orly, durch eine rappelvolle Synagoge im Marais und über den nationalstolzen Hof des Invalidendoms – auf den Weg der Menschwerdung … Ein abenteuerliches Vaudeville über den schönen Traum von Religionsfrieden, Völkerverständigung und Zivilisierung, über eine bessere Welt, in der es keine Schande wäre, jüdisch oder nicht jüdisch zu sein: »Ça ne fait rien, on vous garde quand même!«
R Gérard Oury B Gérard Oury, Danièle Thompson, Josy Eisenberg K Henri Decaë M Vladimir Cosma A Théo Meurisse S Albert Jurgenson P Bertrand Javal D Louis de Funès, Claude Giraud, Marcel Dalio, Suzy Delair, Henri Guybet | F & I | 100 min | 1:1,66 | f | 18. Oktober 1973
27.6.73
Live and Let Die (Guy Hamilton, 1973)
James Bond 007 – Leben und sterben lassen
In seinem ersten Auftritt als Bond, James Bond verschlägt es Moore, Roger Moore nach Harlem, New Orleans und (mal wieder) in die Karibik. Auf der Jagd nach dem Superschurken Mr. Big (dessen zweites Ich Dr. Kananga als UN-Botschafter des Inselstaates San Monique (die heilige Monika: Schutzpatronin der Mütter, Frauen und somit auch Bondgirls) fungiert), gerät der britische Geheimagent in einen handfesten Blaxploitation-Voodoo-Zauber auf dem Subtilitätsniveau von »Tim im Kongo«. Nach der herrlich übergeschnappten Las-Vegas-Burlesque »Diamonds Are Forever« zügelt Guy Hamilton seinen Erfindungsreichtum und erdet das 007-Abenteuer durch Konzentration auf das (natürlich ironische) Zelebrieren der physischen Unwiderstehlichkeit des Protagonisten sowie auf die Inszenierung einiger wirkungsvoller Actionsequenzen (Höhepunkt: eine Speedboot-Verfolgungsjagd im Mississippi-Delta). Dazu paßt, daß sich Mr. Dr. Big Kananga (Yaphet Kotto) letztlich nicht als irrsinniger Welteroberer sondern nur als aufgeblasener Drogenbaron mit Tarot-Macke erweist.
R Guy Hamilton B Tom Mankiewicz V Ian Fleming K Ted Moore M George Martin A Syd Cain S Bert Bates, Raymond Poulton, John Shirley P Albert R. Broccoli, Harry Saltzman D Roger Moore, Yaphet Kotto, Jane Semour, Clifton James, Julius Harris | UK | 121 min | 1:1,66 | f | 27. Juni 1973
# 981 | 3. Dezember 2015
In seinem ersten Auftritt als Bond, James Bond verschlägt es Moore, Roger Moore nach Harlem, New Orleans und (mal wieder) in die Karibik. Auf der Jagd nach dem Superschurken Mr. Big (dessen zweites Ich Dr. Kananga als UN-Botschafter des Inselstaates San Monique (die heilige Monika: Schutzpatronin der Mütter, Frauen und somit auch Bondgirls) fungiert), gerät der britische Geheimagent in einen handfesten Blaxploitation-Voodoo-Zauber auf dem Subtilitätsniveau von »Tim im Kongo«. Nach der herrlich übergeschnappten Las-Vegas-Burlesque »Diamonds Are Forever« zügelt Guy Hamilton seinen Erfindungsreichtum und erdet das 007-Abenteuer durch Konzentration auf das (natürlich ironische) Zelebrieren der physischen Unwiderstehlichkeit des Protagonisten sowie auf die Inszenierung einiger wirkungsvoller Actionsequenzen (Höhepunkt: eine Speedboot-Verfolgungsjagd im Mississippi-Delta). Dazu paßt, daß sich Mr. Dr. Big Kananga (Yaphet Kotto) letztlich nicht als irrsinniger Welteroberer sondern nur als aufgeblasener Drogenbaron mit Tarot-Macke erweist.
R Guy Hamilton B Tom Mankiewicz V Ian Fleming K Ted Moore M George Martin A Syd Cain S Bert Bates, Raymond Poulton, John Shirley P Albert R. Broccoli, Harry Saltzman D Roger Moore, Yaphet Kotto, Jane Semour, Clifton James, Julius Harris | UK | 121 min | 1:1,66 | f | 27. Juni 1973
# 981 | 3. Dezember 2015
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Insel,
James Bond,
Karibik,
Moore,
New Orleans,
New York,
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Thriller,
Voodoo
27.3.73
Sisters (Brian De Palma, 1973)
Die Schwestern des Bösen
Eine Journalistin (Jeniffer Salt) meint einen Mord beobachtet zu haben und verdächtigt ein junges Model (Margot Kidder) bzw. deren siamesische Zwillingsschwester der Tat. Brian De Palmas erste Variation über Motive von Hitchcock imponiert durch den unbedingten Formwillen sowie die gelungene Verbindung von Reflexion und Überhöhung der Vorbilder mit hochemotionalen Spannungsmomenten – Kino als gut geölte Manipulationsmaschine, die gleichzeitig (durch parodistische Distanzierung) ihre Funktionsweisen ausstellt und kommentiert. Mit scheinbar simplen filmischen Mitteln dringt De Palma weit in die deformierte Psyche seiner Figuren vor. Insbesondere das Ende (das auch »Dr. Caligari« sowie Bergmans »Persona« benutzt und verarbeitet) – die Ereignisse in der Irrenanstalt, die Hypnose, die Freakshow, die »Operation« der Schwestern – hat eine nachhaltig verstörende Wirkung. Nicht zu vergessen: der Score von Bernard Herrmann, der eine überkandidelte (und dabei sehr effektive) Travestie seiner eigenen Meisterkompositionen beisteuert.
R Brian De Palma B Brian De Palma, Louisa Rose K Gregory Sandor M Bernard Herrmann A Gary Weist S Paul Hirsch P Edward R. Pressman D Margot Kidder, Jennifer Salt, Charles Durning, William Finley, Barnard Hughes | USA | 93 min | 1:1,85 | f | 27. März 1973
Eine Journalistin (Jeniffer Salt) meint einen Mord beobachtet zu haben und verdächtigt ein junges Model (Margot Kidder) bzw. deren siamesische Zwillingsschwester der Tat. Brian De Palmas erste Variation über Motive von Hitchcock imponiert durch den unbedingten Formwillen sowie die gelungene Verbindung von Reflexion und Überhöhung der Vorbilder mit hochemotionalen Spannungsmomenten – Kino als gut geölte Manipulationsmaschine, die gleichzeitig (durch parodistische Distanzierung) ihre Funktionsweisen ausstellt und kommentiert. Mit scheinbar simplen filmischen Mitteln dringt De Palma weit in die deformierte Psyche seiner Figuren vor. Insbesondere das Ende (das auch »Dr. Caligari« sowie Bergmans »Persona« benutzt und verarbeitet) – die Ereignisse in der Irrenanstalt, die Hypnose, die Freakshow, die »Operation« der Schwestern – hat eine nachhaltig verstörende Wirkung. Nicht zu vergessen: der Score von Bernard Herrmann, der eine überkandidelte (und dabei sehr effektive) Travestie seiner eigenen Meisterkompositionen beisteuert.
R Brian De Palma B Brian De Palma, Louisa Rose K Gregory Sandor M Bernard Herrmann A Gary Weist S Paul Hirsch P Edward R. Pressman D Margot Kidder, Jennifer Salt, Charles Durning, William Finley, Barnard Hughes | USA | 93 min | 1:1,85 | f | 27. März 1973
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