Das Todeshaus am Fluß
Ein Haus am Fluß, im Garten ein Pavillon mit Blick über das gemächlich dahinziehende Wasser. Das Idyll trügt: Schon in der allerersten Sequenz treibt ein Rinderkadaver auf dem Strom vorbei. »I hate this river«, ruft eine Anrainerin aus. »It’s people you should be blaming for the filth, not the river«, entgegnet ihr Nachbar Stephen Byrne, ein erfolg- und (wie sich erweisen wird) ziemlich gewissenloser Schriftsteller, der kurz darauf im alkoholisierten Affekt sein Hausmädchen erwürgen wird. Stephens seriöser (und verkrüppelter) Bruder John hilft, höchst unwillig, die Leiche im Fluß zu versenken. Er tut es im Grunde nur, um seine Schwägerin Marjorie, die er heimlich liebt, vor Kummer zu bewahren – und gerät selbst unter Mordverdacht … Angesiedelt in einem spätviktorianischen Irgendwo voller flackernder Kerzen und wehender Vorhänge, inszeniert Fritz Lang »House by the River« als Melange aus gothic melodrama, Noir-Groschenheft und thrillereskem Künstlerroman mit Kain-und-Abel-Unterton, schildert, nicht ohne Malice, wie ein bislang kreativ gehemmter Romancier (Louis Hayward) durch eine böse Tat und ihre Folgen zu sich selbst, will sagen: zum ureigenen schöpferischen Ausdruck findet. Einige krude Symbolismen, die bühnenhaften Dekors sowie das bisweilen marionettenartige Spiel der B-Film-Akteure verleihen der filmischen Hybride einen zusätzlichen, irrealen Reiz.
R Fritz Lang B Mel Dinelli V A. P. Herbert K Edward Cronjager M George Antheil A Boris Leven S Arthur Hilton P Howard Welsch D Louis Hayward, Lee Bowman, Jane Wyatt, Ann Shoemaker, Jody Gilbert | USA | 88 min | 1:1,37 | sw | 25. März 1950
25.3.50
16.3.50
La beauté du diable (René Clair, 1950)
Der Pakt mit dem Teufel
»Le véritable enfer existe sur la terre. C’est la misère, la solitude, la méchanceté des hommes.« René Clairs sehr freie Adaption des Faust-Stoffes spiegelt den (alten) wissensdurstigen Gelehrten in seinem (jungen) satanischen Versucher, stellt die beiden einander als Doppelgänger im Geiste gegenüber, als Herzensfeinde auf der Jagd nach dem irdischen Paradies, das in Trugbildern von ewiger Jugend, Geld, Macht und Fortschritt aufflackert. Durch den schlagenden Einfall, die Kontrahenten ihre Körper tauschen zu lassen, verwischt »La beauté du diable« nicht nur die Grenze von Gut und Böse, der Film bereitet auch – für den Betrachter höchst vergnüglich – seinen Hauptdarstellern eine große Bühne: Gérard Philipe, leichtfüßig-romantisch, und Michel Simon, höhnisch-derb, spielen sich, mal als Faust, mal als Mephisto, gegenseitig die Seele aus dem Leib. Für Clair, der seine Version der Legende in einer imaginären Zwischenzeit von alchimistischem Spätmittelalter, beginnender Industrialisierung und Nuklearepoche (Ausstattung: Léon Barsacq) ansiedelt, führen der menschliche (teuflische) Erkenntnisdrang, der starke Wille, die Welt mit Hilfe der Wissenschaft zu verändern, der Materie ihr Geheimnis zu entreißen, die Energie noch des letzten Staubkorns zu entfesseln, zwangsläufig in die Katastrophe: Das Streben nach Glück endet in der Hölle auf Erden. Der (ein wenig hilflos wirkende) konservative Moralismus der Erzählung (die auf ein fragwürdiges Happy End hinausläuft) wird bekömmlich durch die Beweglichkeit der zirzensischen Inszenierung, die Träume, Visionen und Chimären kunstfertig zusammen bindet.
R René Clair B René Clair, Armand Salacrou K Michel Kelber M Roman Vlad A Léon Barsacq S James Cuenet P Salvo D’Angelo D Michel Simon, Gérard Philipe, Nicole Besnard, Simon Valère, Carlo Ninchi | F & I | 96 min | 1:1,37 | sw | 16. März 1950
»Le véritable enfer existe sur la terre. C’est la misère, la solitude, la méchanceté des hommes.« René Clairs sehr freie Adaption des Faust-Stoffes spiegelt den (alten) wissensdurstigen Gelehrten in seinem (jungen) satanischen Versucher, stellt die beiden einander als Doppelgänger im Geiste gegenüber, als Herzensfeinde auf der Jagd nach dem irdischen Paradies, das in Trugbildern von ewiger Jugend, Geld, Macht und Fortschritt aufflackert. Durch den schlagenden Einfall, die Kontrahenten ihre Körper tauschen zu lassen, verwischt »La beauté du diable« nicht nur die Grenze von Gut und Böse, der Film bereitet auch – für den Betrachter höchst vergnüglich – seinen Hauptdarstellern eine große Bühne: Gérard Philipe, leichtfüßig-romantisch, und Michel Simon, höhnisch-derb, spielen sich, mal als Faust, mal als Mephisto, gegenseitig die Seele aus dem Leib. Für Clair, der seine Version der Legende in einer imaginären Zwischenzeit von alchimistischem Spätmittelalter, beginnender Industrialisierung und Nuklearepoche (Ausstattung: Léon Barsacq) ansiedelt, führen der menschliche (teuflische) Erkenntnisdrang, der starke Wille, die Welt mit Hilfe der Wissenschaft zu verändern, der Materie ihr Geheimnis zu entreißen, die Energie noch des letzten Staubkorns zu entfesseln, zwangsläufig in die Katastrophe: Das Streben nach Glück endet in der Hölle auf Erden. Der (ein wenig hilflos wirkende) konservative Moralismus der Erzählung (die auf ein fragwürdiges Happy End hinausläuft) wird bekömmlich durch die Beweglichkeit der zirzensischen Inszenierung, die Träume, Visionen und Chimären kunstfertig zusammen bindet.
R René Clair B René Clair, Armand Salacrou K Michel Kelber M Roman Vlad A Léon Barsacq S James Cuenet P Salvo D’Angelo D Michel Simon, Gérard Philipe, Nicole Besnard, Simon Valère, Carlo Ninchi | F & I | 96 min | 1:1,37 | sw | 16. März 1950
Labels:
Clair,
Drama,
Gesellschaft,
Legende,
Michel Simon,
Phantastik,
Philipe,
Teufel,
Wissenschaft
1.3.50
Orphée (Jean Cocteau, 1950)
Orpheus
L'amour à mort ... Der antike Mythos, gesehen durch die Brille eines künstlerischen Tausendsassas – Jean Cocteau hat Esprit, Geschmack, Fantasie genug, den legendären Dichter der griechischen Sagenwelt plausibel und originell in eine pariserisch anmutende Nachkriegsgegenwart (samt dekorativer Trümmerszenerien und existentialistischer Literatenbohème) zu versetzen. Clou der kinematographischen Adaption: Der hochfahrend-selbstgewisse Poet (Jean Marais in der Titelrolle) gerät in einen gefühlsmäßigen Zwiespalt zwischen der beabsichtigten Rückführung der geliebten (wenn auch bisweilen vernachlässigten) Gattin Eurydike (Marie Déa) aus der Unterwelt – wo ein kafkaesker Gerichtshof nach unerforschlichem Ratschluß über das Schicksal der Verstorbenen (wie auch der Lebenden) befindet – und der amourösen Verfallenheit an den Tod selbst, den die aparte Maria Casarès mit feurig-dunkler Faszinationskraft verkörpert. Cocteaus Stärke als Cinéast liegt insbesondere in der Verwendung ebenso einfacher wie kostbarer filmischer Mittel: Zeitlupen und rückwärts laufende Aufnahmen, negative Bilder und quecksilbrige Spiegeltricks transformieren scheinbare Alltäglichkeiten in außerordentliche Phänomene und lassen die literarische Illusion zur greifbaren Realität werden.
R Jean Cocteau B Jean Cocteau K Nicolas Hayer M Georges Auric A Jean d’Eaubonne S Jacqueline Sadoul P André Paulvé D Jean Marais, Maria Casares, François Périer, Maria Déa, Juliette Gréco | F | 95 min | 1:1,37 | sw | 1. März 1950
# 1032 | 18. November 2016
L'amour à mort ... Der antike Mythos, gesehen durch die Brille eines künstlerischen Tausendsassas – Jean Cocteau hat Esprit, Geschmack, Fantasie genug, den legendären Dichter der griechischen Sagenwelt plausibel und originell in eine pariserisch anmutende Nachkriegsgegenwart (samt dekorativer Trümmerszenerien und existentialistischer Literatenbohème) zu versetzen. Clou der kinematographischen Adaption: Der hochfahrend-selbstgewisse Poet (Jean Marais in der Titelrolle) gerät in einen gefühlsmäßigen Zwiespalt zwischen der beabsichtigten Rückführung der geliebten (wenn auch bisweilen vernachlässigten) Gattin Eurydike (Marie Déa) aus der Unterwelt – wo ein kafkaesker Gerichtshof nach unerforschlichem Ratschluß über das Schicksal der Verstorbenen (wie auch der Lebenden) befindet – und der amourösen Verfallenheit an den Tod selbst, den die aparte Maria Casarès mit feurig-dunkler Faszinationskraft verkörpert. Cocteaus Stärke als Cinéast liegt insbesondere in der Verwendung ebenso einfacher wie kostbarer filmischer Mittel: Zeitlupen und rückwärts laufende Aufnahmen, negative Bilder und quecksilbrige Spiegeltricks transformieren scheinbare Alltäglichkeiten in außerordentliche Phänomene und lassen die literarische Illusion zur greifbaren Realität werden.
R Jean Cocteau B Jean Cocteau K Nicolas Hayer M Georges Auric A Jean d’Eaubonne S Jacqueline Sadoul P André Paulvé D Jean Marais, Maria Casares, François Périer, Maria Déa, Juliette Gréco | F | 95 min | 1:1,37 | sw | 1. März 1950
# 1032 | 18. November 2016
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