28.1.44

Die Feuerzangenbowle (Helmut Weiss, 1944)

Weil er privat erzogen wurde, Glanz und Elend einer echten »Penne« mithin nie kennenlernte, wird Erfolgsschriftsteller Dr. Johannes Pfeiffer (Heinz Rühmann) von einer nostalgisch-beduselten Herrenrunde zurück auf die Schulbank gezaubert: Bart ab, Haare gestutzt, Primanermütze auf den Kopf – und los geht die Reise in eine Vergangenheit, die es nie gab. Die demonstrativ lustigen Abenteuer, die Pfeiffer mit seinen überaus lausbübischen Klassenkameraden und den selten einfältigen Lehrerkarikaturen »Schnauz«, »Bömmel« und »Zeus« erlebt, sind an drolliger Harmlosigkeit kaum zu überbieten. Angesiedelt in einem illusionär-kleinstädtischen, beschaulich-verträumten Nirgendwo, schleichen sich nichtsdestoweniger die ideologischen Untertöne einer »neuen Zeit« in das selbsternannte »Loblied auf die Schule«: »Junge Bäume, die wachsen wollen, muß man anbinden, daß sie schön gerade wachsen, nicht nach allen Seiten ausschlagen – und genauso ist es mit den jungen Menschen.« Sagt Musterpädagoge Dr. Brett (!), der allseits respektierte »feine Kerl«. Nachdem er seine braven (noch dazu erklärtermaßen fiktiven) Tollheiten genüßlich ausgekostet hat, fügt sich der kleine Waghals Pfeiffer (»mit drei F«) denn auch wieder ins wunschlose Normalmaß: »Wahr sind nur die Erinnerungen, die wir mit uns tragen, die Träume, die wir spinnen, und die Sehnsüchte, die uns treiben. Damit wollen wir uns bescheiden.« Amen. Zu deutsch: So sei es.

R Helmut Weiss B Heinrich Spoerl V Heinrich Spoerl K Ewald Daub M Werner Bochmann A Willi A. Herrmann S Helmuth Schönnenbeck P Heinz Rühmann D Heinz Rühmann, Karin Himboldt, Erich Ponto, Paul Henckels, Hans Leibelt | D | 94 min | 1:1,37 | sw | 28. Januar 1944

19.1.44

The Lodger (John Brahm, 1944)

Scotland Yard greift ein

»Mine, too, are the problems of life and death.« Seit dem Herbst des Jahres 1888, als bei Nacht und Nebel in kurzer Abfolge etwa ein halbes Dutzend Prostituierte aufgeschlitzt wurden, fasziniert der Fall des Londoner Serienmörders ›Jack the Ripper‹ Kriminologen ebensosehr wie Historiker, Künstler und nicht zuletzt eine lustvoll schaudernde weltweite Öffentlichkeit – zumal die nie geklärte Identität des Killers bis heute Anlaß zu immer neuen Spekulationen gibt. Nachdem bereits Alfred Hitchcock, noch zu Stummfilmzeiten, den um diese mythische Figur der Moderne kreisenden Roman »The Lodger« der britischen Autorin Marie Belloc Lowndes auf die Leinwand gebracht hatte, liefert auch John Brahm seine kinematographische Fantasie über die historischen Vorfälle. In der Verkörperung durch Laird Cregar erscheint der legendäre Gewaltverbrecher als kultivierter Koloß mit traurigen Augen und sanfter Stimme, der davon besessen ist, das Böse aus der Schönheit herauszuschneiden, und mit seinen blutigen Taten den unverwundenen Tod des innigst geliebten Bruders rächt. »It’s such lovely women as you who drag men down!« sagt Mr. Slade, wie sich der Ripper bei seiner gutmütigen Vermieterin vorgestellt hat, zu deren Nichte Kitty, einer attraktiven Sängerin (Merle Oberon), die den geheimnisvollen Hausgenossen mit ihren Reizen bestrickt. Brahms Version des Geschehens, von Lucien Ballard in expressivem Helldunkel fotografiert, bereichert die mit Motiven des Horrorfilms ausgestaltete Thrillerhandlung um eine melancholische Reflexion über die unstillbare Sehnsucht nach Reinheit und Frieden: »Have you ever held your face close to the water? Deep water is dark and restful and ... full of peace.«

R John Brahm B Barré Lyndon V Marie Belloc Lowndes K Lucien Ballard M Hugo Friedhofer A James Basevi, John Ewing S J. Watson Webb Jr. P Robert Bassler D Laird Cregar, Merle Oberon, George Sanders, Sir Cedric Hardwicke, Sara Allgood | USA | 84 min | 1:1,37 | sw | 19. Januar 1944

# 1086 | 5. Dezember 2017