18.1.51

Die Sünderin (Willi Forst, 1951)

»Auch ich kam ja aus einer guten Familie.« Hildegard Knef als Nutte mit Herz, die – einst vom geilen Stiefbruder auf die schiefe Bahn getrieben – paradoxerweise anständig (und auf ihre Art moralisch) wird, indem sie ihren sterbenskranken Geliebten (Gustav Fröhlich als aufbrausender Kunstmaler) per Veronal von seinem unheilbaren Leiden erlöst und ihm sodann freiwillig in den Tod folgt. Mondäne Nachtbars und verwunschene Gärten, hedonistische Resignation und fromme Hoffnung, Lichtgötter und Todesengel – Willi Forst inszeniert ein süffiges Schicksalsmelodram ohne Hemmung vor schrägem Pathos, plakativer Kolportage und wunderbarer Zufallsdramaturgie, läßt die Handlung virtous durch Zeiten und Orte springen, vor und zurück durch Krieg und Nachkrieg, von Danzig nach Hamburg nach München nach Venedig nach Positano nach Wien. Ein exzessiver Off-Kommentar – von der Knef als rückhaltlose Offenbarung mit einer Stimme gesprochen, die verrät, daß ihre junge Besitzerin schon viel erlebt hat – verdoppelt gleichsam die oft stummfilmhaft arrangierten Bilder (Kamera: Václav Vich) von den Stationen eines kurvenreiches Lebensweges, der aus Öde und Leere, »über Trümmerhaufen, durch Schmutz und Unrat« ins himmlische Reich von Glück und Liebe führt. »Die Sünderin« – ein einzigartiges Meisterwerk des »Ultrarealismus«, ein erregendes Groschentraktat über Geben und Nehmen, über Sex und Gefühl, über coole Selbstbestimmung und restloses Verschenken – schäumt wie süßer Sekt aus einer Flasche, die zu heftig geschüttelt wurde, und steigt fiebrig benebelnd in den Kopf des Betrachters.

R Willi Forst B Gerhard Menzel, Willi Forst, Georg Marischka K Václav Vich M Theo Mackeben A Franz Schroedter S Max Brenner P Rolf Meyer D Hildegard Knef, Gustav Fröhlich, Robert Meyn, Änne Bruck, Jochen-Wolfgang Meyn | BRD | 87 min | 1:1,37 | sw | 18. Januar 1951