Herzflimmern
Dijon, Frühjahr 1954. Im Mittelpunkt der Szenen aus dem Provinzleben steht der 15jährige Gymnasiast Laurent Chevalier (frühreif: Benoît Ferreux), jüngster Sohn eines großbürgerlichen Gynäkologen (schmerzfrei: Daniel Gélin), der nach der Schule Geld für die Verwundeten von Dien Bien Phu sammelt, dem das Camus’sche Problem des Selbstmords zu denken gibt, der sich von seinen älteren Brüdern piesacken lassen muß, dem die temperamentvolle italienische Mama (verführerisch: Lea Massari) alles durchgehen läßt, der Platten des verehrten Charlie Parker klaut, dem der katholische Lehrer an den muskulösen Schenkel geht, der bei einer netten Nutte fast seine Unschuld verliert, den plötzlich auftretende Herzrhythmusstörungen zu einem längeren Kuraufenthalt in mütterlicher Begleitung zwingen. Louis Malles (partiell autobiographische) Erzählung verbindet Weltgeschehen und Intimsphäre zu einer éducation sentimentale ganz ohne Schwere und Gefühlsduselei: Während im fernen Indochina die Totenglocke für den französischen Kolonialismus läutet, sieht sich der halbwüchsige Protagonist mit den existenziellen Nöten (und beiläufigen Freuden) des Erwachsenwerdens konfrontiert. Die Subversion der federleichten (doch keineswegs leichtgewichtigen) Sittenkomödie besteht in erster Linie darin, den skandalösesten Tabubruch (Inzest!) ganz einfach wegzulachen und im Alltäglichen aufzulösen
R Louis Malle B Louis Malle K Ricardo Aronovich M diverse A Jean-Jacques Caziot S Suzanne Baron P Vincent Malle, Claude Nedjar D Benoît Ferreux, Lea Massari, Daniel Gélin, Michael Lonsdale, Ave Ninchi, Gila von Weitershausen | F & I & BRD | 120 min | 1:1,66 | f | 28. April 1971
# 1194 | 7. Juni 2020
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