Der Pfandleiher
»Everything that I loved was taken away from me, and ... I did not die.« Rod Steiger als menschlich gefrorener KZ-Überlebender Sol Nazerman: Der Betreiber einer Pfandleihe in Spanish Harlem sieht alltäglich dem Elend ins Gesicht – doch was sind die Wunden, die Schmerzen, die Narben der anderen gegen seine eigene Verletzung, die ihn zum lebenden Toten gemacht hat? New York wird zum grauen Spiegel der Gespenster, die Nazerman heimsuchen: Eine überfüllte U-Bahn gemahnt an den Transport ins Vernichtungslager, in einer Bandenkeilerei hallt das Echo wachmannschaftlicher Prügelorgien wider, der Verführungsversuch durch eine Prostituierte evoziert Bilder des SS-Bordells, in dem seine Frau geschändet wurde. Steiger, kein Darsteller, der für Subtilität oder underplay bekannt wäre, bleibt auch als seelisch Gelähmter ein Ausbund an explosiver schauspielerischer Energie, wodurch das Porträt eines Paralysierten zur vibrierenden Demonstration gerät. Ebenso ambivalent erscheint – neben dem von sanftem Lyrismus in pulsierende Hektik kippenden Score (Quincy Jones) – der Gegensatz zwischen der gestalterischen Überhöhung der im Studio gebauten Innenräume sowie den (mitunter recht kitschigen) Erinnerungssequenzen und dem ganz unmittelbaren filmischen Zugriff auf die urbane Realität, der an Meister der street photography wie William Klein oder Robert Frank denken läßt (Kamera: Boris Kaufman). Zur Vergegenwärtigung der biographischen Zerrissenheit seiner Titelfigur kontrastiert Regisseur Sidney Lumet peinigende Nähe und eisige Distanzierung, die inszenatorischen Doppelbelichtungen von Faktizität und Mystifikation machen »The Pawnbroker« zu einem Beispiel für etwas, das man vielleicht »abstrakten Naturalismus« nennen könnte.
R Sidney Lumet B Morton Fine, David Friedkin V Edward Lewis Wallant K Boris Kaufman M Quincy Jones A Richard Sylbert S Ralph Rosenblum P Philip Langner, Roger Lewis D Rod Steiger, Geraldine Fitzgerald, Brock Peters, Jaime Sánchez, Thelma Oliver | USA | 116 min | 1:1,85 | sw | 26. Juni 1964
26.6.64
23.6.64
A Shot in the Dark (Blake Edwards, 1964)
Ein Schuß im Dunkeln
»You fell of the sofa, you stupid …« – »Everything I do is carefully planned, Madame.« Tatsächlich überlassen Blake Edwards und Peter Sellers nichts dem Zufall – jeder Moment ihrer clouseauesken Whodunit-Farce ist minutiös choreographiert. Mit starrem Entsetzen blickt die Kamera (Christopher Challis) auf die Spasmen des unaufhaltsamen Pariser Inspektors, der seine Ermittlung mit der stattlichen Bilanz von vierzehn Leichen und einem verrückt gewordenen Vorgesetzten (»Give me ten men like Clouseau and I could destroy the world.« – Herbert Lom) abschließt. Die Stiff-upper-lip-Inszenierung setzt wie im Vorgänger auf den Kontrast zwischen geschmackvoller Unmoral der oberen Zehntausend und achtbarem Aufklärungswahn des biederen Polizisten, verschiebt (und simplifiziert) das meisterhafte »Pink Panther«-Gleichgewicht von Romantik und Slapstick jedoch grundsätzlich zugunsten des (von Sellers zugegebenermaßen begnadet dargebotenen) Körperwitzes.
R Blake Edwards B Blake Edwards, William Peter Blatty V Harry Kurnitz, Marcel Achard K Christopher Challis M Henry Mancini A Michael Stringer S Ralph E. Winters P Blake Edwards D Peter Sellers, Elke Sommer, George Sanders, Herbert Lom, Tracy Reed | USA & UK | 101 min | 1:2,35 | f | 23. Juni 1964
»You fell of the sofa, you stupid …« – »Everything I do is carefully planned, Madame.« Tatsächlich überlassen Blake Edwards und Peter Sellers nichts dem Zufall – jeder Moment ihrer clouseauesken Whodunit-Farce ist minutiös choreographiert. Mit starrem Entsetzen blickt die Kamera (Christopher Challis) auf die Spasmen des unaufhaltsamen Pariser Inspektors, der seine Ermittlung mit der stattlichen Bilanz von vierzehn Leichen und einem verrückt gewordenen Vorgesetzten (»Give me ten men like Clouseau and I could destroy the world.« – Herbert Lom) abschließt. Die Stiff-upper-lip-Inszenierung setzt wie im Vorgänger auf den Kontrast zwischen geschmackvoller Unmoral der oberen Zehntausend und achtbarem Aufklärungswahn des biederen Polizisten, verschiebt (und simplifiziert) das meisterhafte »Pink Panther«-Gleichgewicht von Romantik und Slapstick jedoch grundsätzlich zugunsten des (von Sellers zugegebenermaßen begnadet dargebotenen) Körperwitzes.
R Blake Edwards B Blake Edwards, William Peter Blatty V Harry Kurnitz, Marcel Achard K Christopher Challis M Henry Mancini A Michael Stringer S Ralph E. Winters P Blake Edwards D Peter Sellers, Elke Sommer, George Sanders, Herbert Lom, Tracy Reed | USA & UK | 101 min | 1:2,35 | f | 23. Juni 1964
15.6.64
För att inte tala om alla dessa kvinnor (Ingmar Bergman, 1964)
Ach, diese Frauen
Ingmar Bergmans manieriert-bonbonbuntes Satyrspiel zum harten Schwarzweiß seiner »Kammerspiel-Trilogie«: Der Starkritiker (und Hobbykomponist) Cornelius will die Biographie des berühmten Cellisten Felix schreiben, dringt zum (unsichtbar bleibenden) Meister jedoch nicht vor – und verliert sich stattdessen in den Liebeshändeln und Ränkespielen des künstlerischen Hofstaates, der neben Impressario und Chauffeur einen siebenköpfigen Harem umfaßt. In ultrakünstlich-zuckerbäckerigen Kulissen (P. A. Lundgren) wird ein weitgehend blutleerer Retorten-Slapstick abgespult, eine ungalante Marivaudage, die als mokanter Racheakt an inkompetent-parasitären Kunstrichtern noch am ehesten nachzuvollziehen ist. Vor dem (meist starren) Auge von Sven Nykvists formal meisterlicher Kamera hampeln und chargieren die Akteure und Aktricen, daß die dünnen Wände wackeln. Für die provozierende Verweigerung von Ernst und Tiefgründigkeit gebührt Bergman (zumal nach einem so ernsten und tiefgründigen Werk wie »Tystnaden«) allerdings ein gewisser Respekt.
R Ingmar Bergman B Ingmar Bergman, Erland Josephson K Sven Nykvist M Erik Nordgren A P. A. Lundgren S Ulla Ryghe P Allan Ekelund D Jarl Kulle, Bibi Andersson, Harriet Andersson, Eva Dahlbeck, Gertrud Fridh | S | 80 min | 1:1,37 | f | 15. Juni 1964
Ingmar Bergmans manieriert-bonbonbuntes Satyrspiel zum harten Schwarzweiß seiner »Kammerspiel-Trilogie«: Der Starkritiker (und Hobbykomponist) Cornelius will die Biographie des berühmten Cellisten Felix schreiben, dringt zum (unsichtbar bleibenden) Meister jedoch nicht vor – und verliert sich stattdessen in den Liebeshändeln und Ränkespielen des künstlerischen Hofstaates, der neben Impressario und Chauffeur einen siebenköpfigen Harem umfaßt. In ultrakünstlich-zuckerbäckerigen Kulissen (P. A. Lundgren) wird ein weitgehend blutleerer Retorten-Slapstick abgespult, eine ungalante Marivaudage, die als mokanter Racheakt an inkompetent-parasitären Kunstrichtern noch am ehesten nachzuvollziehen ist. Vor dem (meist starren) Auge von Sven Nykvists formal meisterlicher Kamera hampeln und chargieren die Akteure und Aktricen, daß die dünnen Wände wackeln. Für die provozierende Verweigerung von Ernst und Tiefgründigkeit gebührt Bergman (zumal nach einem so ernsten und tiefgründigen Werk wie »Tystnaden«) allerdings ein gewisser Respekt.
R Ingmar Bergman B Ingmar Bergman, Erland Josephson K Sven Nykvist M Erik Nordgren A P. A. Lundgren S Ulla Ryghe P Allan Ekelund D Jarl Kulle, Bibi Andersson, Harriet Andersson, Eva Dahlbeck, Gertrud Fridh | S | 80 min | 1:1,37 | f | 15. Juni 1964
Labels:
Bibi Andersson,
Erotik,
Harriet Andersson,
Ingmar Bergman,
Jahrhundertwende,
Komödie,
Musik,
Villa
12.6.64
Tim Frazer jagt den geheimnisvollen Mister X (Ernst Hofbauer, 1964)
»J’ai péché.« Eine geheimnisvolle Mordserie erschüttert Antwerpen: Alle zehn Tage stirbt ein Hafenarbeiter durch einen Stilettstich in den Rücken. Der überforderte Inspektor Stoffels (Paul Löwinger) erhält Verstärkung aus London: Tim Frazer (Adrian Hoven) stellt fest, daß Opfer und Täter durch Mitgliedschaft in einer Bande von Rauschgiftschmugglern – beteiligt sind unter anderem eine frivole Schankwirtin, eine leopardige Barbesitzerin und der hinkende Konsul von Anatolien – miteinander verbunden sind … Die ausgedehnten Hafenanlagen Antwerpens und die winkligen Straßen der Altstadt bilden die atmosphärische Kulisse für eine (abgesehen von einigen expressiv beleuchteten Nachtszenen, ein paar überraschenden jump-cuts à la Godard sowie zwei visuell recht attraktiven Verfolgungsjagden auf eine Klappbrücke und durch die Röhre des Sint-Annatunnels unter der Schelde) eher behäbig inszenierte Krimiplotte (die mit Francis Durbridges »Tim Frazer«-Romanen nichts zu tun hat); mindestens ebensosehr wie für die Aufklärung der Bluttaten interessiert sich Ernst Hofbauer für weibliche Dekolletés, denen zu dekorativen Folterzwecken schon mal eine glühende Zigarette gefährlich naherückt. Eine gewisse Originalität beweist die Besetzung Ady Berbers: In den Edgar-Wallace- und Mabuse-Filmen auf die Rolle des debilen Schergen abonniert, darf sich der sympathische Wiener Koloß in diesem Falle einmal als tapferer Helfer der Gesetzeshüter beweisen.
R Ernst Hofbauer B Ernst Hofbauer K Raimund Herold M Heinz Neubrand A Hans Zehetner S Arnd Heyne P Josef Eckert D Adrian Hoven, Paul Löwinger, Corny Collins, Ellen Schwiers, Mady Rahl, Ady Berber | A & B | 87 min | 1:1,66 | sw | 12. Juni 1964
# 916 | 13. November 2014
R Ernst Hofbauer B Ernst Hofbauer K Raimund Herold M Heinz Neubrand A Hans Zehetner S Arnd Heyne P Josef Eckert D Adrian Hoven, Paul Löwinger, Corny Collins, Ellen Schwiers, Mady Rahl, Ady Berber | A & B | 87 min | 1:1,66 | sw | 12. Juni 1964
# 916 | 13. November 2014
Banco à Bangkok pour OSS 117 (André Hunebelle, 1964)
Heiße Hölle Bangkok
»L’avenir est une illusion. Le passé n’est qu’un souvenir. Seul le présent conte.« – OSS 117, der französische Smokingtaschen-Bond (in diesem Abenteuer verkörpert von Kerwin Mathews), ermittelt in Bangkok gegen einen gewissen Dr. Gunnar Sinn (Robert Hossein), Modearzt und Parapsychologe, der die Welt mittels eines verbesserten Pestvirus von Überbevölkerung und atomarem Wahnsinn befreien möchte. Guter Plan – aber der Film trödelt ziemlich gedankenlos vor sich hin. Pier Angeli als Lila Sinn (die gute Schwester des Bösen), der rasante, jazzig-thailandisierende Score von Michel Magne sowie eine (vor allem ausstattungsmäßig) angemessen abgedrehte Schlußsequenz heben »Banco à Bangkok« immerhin auf akzeptables Niveau.
R André Hunebelle B Pierre Foucaud, Michel Lebrun, André Hunebelle V Jean Bruce K Raymond Pierre Lemoigne M Michel Magne A René Moulaert S Jean Feyte P Paul Cadéac D Kerwin Mathews, Robert Hossein, Pier Angeli, Dominique Wilms, Gamil Ratib | F & I | 105 min | 1:2,35 | f | 12. Juni 1964
»L’avenir est une illusion. Le passé n’est qu’un souvenir. Seul le présent conte.« – OSS 117, der französische Smokingtaschen-Bond (in diesem Abenteuer verkörpert von Kerwin Mathews), ermittelt in Bangkok gegen einen gewissen Dr. Gunnar Sinn (Robert Hossein), Modearzt und Parapsychologe, der die Welt mittels eines verbesserten Pestvirus von Überbevölkerung und atomarem Wahnsinn befreien möchte. Guter Plan – aber der Film trödelt ziemlich gedankenlos vor sich hin. Pier Angeli als Lila Sinn (die gute Schwester des Bösen), der rasante, jazzig-thailandisierende Score von Michel Magne sowie eine (vor allem ausstattungsmäßig) angemessen abgedrehte Schlußsequenz heben »Banco à Bangkok« immerhin auf akzeptables Niveau.
R André Hunebelle B Pierre Foucaud, Michel Lebrun, André Hunebelle V Jean Bruce K Raymond Pierre Lemoigne M Michel Magne A René Moulaert S Jean Feyte P Paul Cadéac D Kerwin Mathews, Robert Hossein, Pier Angeli, Dominique Wilms, Gamil Ratib | F & I | 105 min | 1:2,35 | f | 12. Juni 1964
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