Die Frau, von der man spricht
»Women should be kept illiterate and clean, like canaries.« Selten brillierte eine Frauenfigur auf der Leinwand so scharfsinnig, so witzig, so selbstbewußt wie Tess Harding, kaum je sah ein weiblicher Star so modern, so exklusiv, so unwiderstehlich aus wie Katharine Hepburn als »Woman of the Year« … Unglaublich, daß (und vor allem: wie herablassend) die Komödie – von George Stevens mit aller Weltläufigkeit und dem ganzen visuellen Raffinement der MGM-Studios inszeniert – dieses role model deklassiert, demontiert, denunziert: Tess, berühmte politische Kolumnistin des ›New York Chronicle‹, trifft auf Sam Craig (Spencer Tracy), einen sympathischen, bodenständigen Sportreporter desselben Blattes. Es funkt – natürlich – sofort, es vibriert und knistert, es prasselt und lodert. (Die (intellektuelle und erotische) Chemie zwischen Hepburn und Tracy ist eines der magischen Phänomene der Kinogeschichte.) Die beiden heiraten – Hals über Kopf –, und schon in der Hochzeitsnacht geht es irgendwie schief (ein europäischer Staatsmann auf der Flucht sitzt unversehens im Ehebett); in der Folge (Tess arbeitet, schreibt, denkt – Skandal! – einfach weiter) macht Sam eine sensationelle Entdeckung: »The ›Outstanding Woman of the Year‹ isn’t a woman at all.« Tess lernt die männliche Lektion, geht nach Canossa (= in die Küche), bereitet Frühstück für den Gatten. Das heißt, sie versucht es. Denn selbstverständlich erweist sie sich als unfähig, einen Kaffee zu kochen, ein Toastbrot zu toasten, eine Waffel zu backen. Die Frau, vor deren geschliffenen Worten selbst Präsidenten zittern, kann keine Eier trennen. Eine Farce. Ein Trauerspiel.
R George Stevens B Ring Lardner Jr., Michael Kanin K Joseph Ruttenberg M Franz Waxman A Cedric Gibbons S Frank Sullivan P Joseph L. Mankiewicz D Katharine Hepburn, Spencer Tracy, Fay Bainter, Minor Watson, Dan Tobin | USA | 114 min | 1:1,37 | sw | 19. Januar 1942
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