22.12.49

D.O.A. (Rudolph Maté, 1949)

Opfer der Unterwelt

Ein Mann stapft durch die endlosen Flure des Polizeipräsidiums von Los Angeles – geradewegs ins Büro der Mordkommission. »I want to report a murder.« – »Who was murdered?« – »I was.« Und mit letzter Kraft schildert der lebende Tote das Verbrechen, dem er anheimgefallen ist ... »Rasch tritt der Tod den Menschen an, / Es ist ihm keine Frist gegeben.« Keine – oder nur eine kurze: »A day, two days, a week at the most.« Frank Bigelow (Edmond O’Brien), Wirtschaftsprüfer aus dem kalifornischen Städtchen Banning, stürzt im Urlaub, beim Besuch des Nachtclubs »The Fisherman« in San Francisco, aus der Bahn. Wilder Jive, der begehrliche Blick auf eine Blondine, ein unbemerkt vertauschter Drink. Das Unwohlsein am Morgen danach erweist sich als Symptom einer tödlichen Vergiftung. Bigelow (Regisseur Rudolph Maté zeigt ihn als Mann, der sich dem Ernst des Lebens bislang gerne entzog, der die ihm ergebene Freundin immer wieder auf später, demnächst, irgendwann vertröstete) rast nach der Diagnose wie ein Irrer durch die quirlige Stadt, als könnte er vor seinem Schicksal davonlaufen, und plötzlich erscheint die ganze menschliche Geschäftigkeit wie der verzweifelter Versuch, dem Unausweichlichen zu entfliehen. Im Bemühen, die Hintergründe der Tat zu erhellen, trifft das Opfer (angstfrei aber schmerzgeplagt) auf verhängnisvolle Frauen, skrupellose Geschäftsleute, einen sadistischen Killer (denkwürdig: Neville Brand). Das Motiv, das enthüllt wird, erweist sich als so banal wie ein zweitklassiger Krimiplot, der Grund, warum Bigelow sterben muß, ist so gut oder schlecht wie jeder andere. Der Titel des Films (D.O.A .= dead on arrival) läßt von Anfang an keinen Zweifel über den Ausgang der Geschichte – ein entsprechender Stempel quittiert abschließend die kafkaeske Ironie dieses archetypischen Noir-Thrillers.

R Rudolph Maté B Russell Rouse, Clarence Greene K Ernest Laszlo M Dimitri Tiomkin A Duncan Cramer S Arthur H. Nadel P Leo C. Popkin D Edmond O’Brien, Pamela Britton, Luther Adler, Beverly Campbell, Neville Brand | USA | 84 min | 1:1,37 | sw | 22. Dezember 1949

# 1095 | 31. Januar 2018

8.12.49

On the Town (Stanley Donen & Gene Kelly, 1949)

Heut’ gehn wir bummeln

»New York, New York, a wonderful town. / The Bronx is up and the Battery down.« Drei Matrosen auf Landgang: einen Tag lang, von sechs Uhr morgens bis sechs Uhr morgens, sind sie unterwegs in der erstaunlichsten Stadt des Universums. Zu Beginn klappern Gabey (Gene Kelly), Chip (Frank Sinatra) und Ozzie (Jules Munshin) in einer rasanten, on location gedrehten Montagenummer singend und tanzend die Sehenswürdigkeiten der Metropole ab – dann geht es um das eigentliche Ziel der (von Leonard Bernstein in Töne gesetzten) 24-Stunden-Expedition: »Somewhere in the world there’s a right girl for every boy.« Ein schnippisches Showgirl, eine forsche Taxifahrerin, eine überdrehte Anthropologin erregen die Aufmerksamkeit der Seeleute, deren Liebeswerben, -zagen, -taumeln das Regieduo Kelly/Donen und das Autorenpaar Comden/Green in ihrer ersten komödiantisch-musikalischen Zusammenarbeit (der zwei weitere folgen werden) mit unbeschwerter Ironie und Begeisterung für die irdischen und himmlichen Wunder des Großstadtbetriebs verfolgen. »The people ride in a hole in the ground. / New York, New York, it’s a wonderful town!«

R Gene Kelly, Stanley Donen B Betty Comden, Adolph Green K Harold Rosson M Leonard Bernstein, Roger Edens A Cedric Gibbons, Jack Martin Smith S Ralph E. Winters P Arthur Freed D Gene Kelly, Frank Sinatra, Jules Munshin Vera-Ellen Ann Miller Betty Garrett | USA | 98 min | 1:1,37 | f | 8. Dezember 1949

# 1152 | 10. März 2019

6.12.49

Rendez-vous de juillet (Jacques Becker, 1949)

Jugend von heute

Ein Gruppenbild, eine Momentaufnahme, das Porträt eines Freundeskreises in der Probezeit fürs Leben. Jacques Becker folgt seinen quirligen Protagonisten – einer Clique von Schauspielschülerinnen und -schülern, einem angehenden Dramatiker, dessen erstes Stück aufgeführt wird, einem diplomierten Kameramann (Maurice Ronet), der mangels adäquater Jobs in einem Jazzklub Trompete bläst, einem leidenschaftlichen Ethnologiestudenten (Daniel Gélin), der von Pontius zu Pilatus läuft, um eine Filmexpedition nach Zentralafrika zu organisieren – schnellen Schnittes durch das Paris des Nachkriegs, in Kellerlokale und Dachstuben, in Theater und Hörsäle, gelegentlich auch in die Wohnungen und Geschäfte der nicht mehr ganz zeitgemäßen Eltern. So wie die impressionistisch-episodenhafte Erzählung zwischen den Tonlagen schwebt – dramatische Romanze, romantische Komödie, komisches Drama –, bewegen sich auch Lucien, Thérèse, Roger, Christine, Pierrot und die anderen in einem (noch) unbestimmten Raum, zwischen Jugend und Erwachsensein, zwischen Scherz und Ernst, zwischen großen Illusionen und den Spielregeln der Gesellschaft.

R Jacques Becker B Jacques Becker, Maurice Griffe K Claude Renoir M Jean Wiener A Robert Jules-Garnier S Marguerite Renoir P René Gaston Vuattoux D Daniel Gélin, Brigitte Auber, Nicole Courcel, Pierre Trabaud, Maurice Ronet | F | 112 min | 1:1,37 | sw | 6. Dezember 1949

# 1113 | 22. Mai 2018