21.9.45

Les dames du Bois de Boulogne (Robert Bresson, 1945)

Die Damen vom Bois de Boulogne

Eine hochgradig emotionale Dreiecksgeschichte – vorgetragen (fast) ohne Emotion. Ein komplexes psychologisches Drama – verhandelt (fast) ohne Psychologie. Eine exemplarische moralische Erzählung – entwickelt (fast) ohne Moral. Kino als Schachpartie, als Gedankenspiel, als Modellversuch: Hélène (María Casares – eisig) wird, nicht ohne ihr Zutun, von ihrem Gefährten Jean (Paul Bernard – blind) verlassen und treibt ihn, um Rache für ihre enttäuschte Liebe zu nehmen, in die Arme von Agnès (Elina Labourdette – (un-)schuldig), einer jungen Frau mit zweifelhaftem Vorleben (sie war, vulgo: eine Nutte). Situiert im, gestalterisch stark abstrahierten, Milieu der gehobenen (bzw. abgestürzten) Bourgeoisie, läuft »Les dames du Bois de Boulogne« auf einen melodramatischen Höhepunkt zu, der (dann doch) ein gewisses filmisches Quantum an Emotion, Psychologie sowie Moral freisetzt und dabei die Strippenzieherin (auch noch) um den Genuß der Vergeltung bringt… Robert Bressons entschiedene erzählerische Verknappung, Jean Cocteaus strenger literarischer Dialog, Philippe Agostinis subtil schlichte Bilder, nicht zu vergessen die klassizistisch inspirierten Roben von Madame Grès, einer der großen Couturières des 20. Jahrhunderts – all dies zusammen formt einen Film von hoher ästhetischer Noblesse, von großer intellektueller Klarheit und, ja: von tiefer menschlicher Empfindung.

R Robert Bresson B Robert Bresson, Jean Cocteau V Denis Diderot K Philippe Agostini M Jean-Jacques Grunenwald A Max Douy S Jean Feyte P Raoul Ploquin D María Casares, Paul Bernard, Elina Labourdette, Lucienne Bogaert, Jean Marchat | F | 86 min | 1:1,37 | sw | 21. September 1945

10.9.45

The House on 92nd Street (Henry Hathaway, 1945)

Das Haus in der 92. Straße

»War is thought, and thought is information. And he who knows most strikes hardest.« Extratrockene Eloge auf die mühselige, gefahrvolle, effektive Arbeit der G-Men des ›Federal Bureau of Investigation‹ zum Wohle ihrer Nation. In Form eines informationsdichten Dokumentarspiels rollt »The House on 92nd Street« ein Kapitel aus dem Kampf der US-Bundespolizei gegen die Fünfte Kolonne der Nationalsozialisten auf: Das Zusammenwirken eines mutigen field agent, eines klugen Top-Ermittlers sowie des Überwachungs- und Analyseapparates der Behörde verhindert die Weiterleitung brisanter Informationen über den Bau der amerikanischen Atombombe an den Feind. Produzent Louis de Rochemont (Erfinder der Wochenschau »The March of Time«) und Regisseur Henry Hathaway enthalten sich (fast) aller Hollywood-üblichen erzählerischen Emotionalisierungen, setzen stattdessen auf die Authentizität der Originalschauplätze, die Mitwirkung echter FBI-Leute, die intensive Demonstration geheimpolizeilicher Techniken und eine schnarrende Erklärstimme aus dem Off, um das spröde Aktenmaterial, auf dem die Story beruht, in spannendes Faction-Kino mit Noir-Touch zu verwandeln.

R Henry Hathaway B Barré Lyndon, Charles G. Booth, John Monks Jr. K Norbert Brodine M David Buttolph A Lewis Creber, Lyle R. Wheeler S Harmon Jones P Louis de Rochemont D William Eythe, Lloyd Nolan, Signe Hasso, Gene Lockhart, Leo G. Carroll | USA | 88 min | 1:1,37 | sw | 10. September 1945