»Man muß die Abenteuer in seinem eigenen Land bestehen, auch wenn es manchmal nur kleine, graue Abenteuer sind.« Von Hamburg aus tritt eine geheimnisvolle Krankheit ihren tödlichen Siegeszug durch die Republik an: Menschen sterben wie die Fliegen, vor dem Exitus krümmen sie sich zusammen wie Embryos im Mutterleib. Die Medizin ist ratlos, die Politik errichtet ein autoritäres Gesundheitsregime mit Massenquarantänen und zwangsweisen Breitbandimpfungen. Einem bunt zusammengewürfelten Haufen – junge Naive, geschäftstüchtiger Würstchenbrater, seriöser Wissenschaftler, boshafter Krüppel (¡Fernando Arrabal!) – gelingt die Flucht. Wohin? Ganz egal. Nur weg. Peter Fleischmann folgt dieser sonderbaren Schar, die sich im Verlauf des zunehmend konfusen Geschehens immer wieder neu formiert, auf dem Weg durch die Schneise des zivilisatorischen Zerfalls, den die Epidemie hinterläßt. Auch wenn »Die Hamburger Krankheit« einige Motive aufgreift, die in Erzählungen über die großen Seuchen stets eine Rolle spielen – gemeine Beutelschneiderei, verzweifete Lustigkeit, verquaste Spiritualität –, richtet sich das künstlerische Augenmerk weniger auf sozialkritische Analyse oder gar moralische Bewertung sondern vielmehr auf das Entwickeln einer speziellen Form von filmischem Aktionismus, auf die genüßliche Dekonstruktion gesellschaftlicher Wirklichkeit (durch deren Trümmer unter anderem Peter von Zahn, Rainer Langhans, Romy Haag und Evelyn Künneke irrlichtern). Den adäquat deplazierten Synthie-Sound zu dieser seltsamen Borderline-Satire liefert Jean-Michel Jarre.
R Peter Fleischmann B Peter Fleischmann, Otto Jägersberg, Roland Topor K Colin Mounier M Jean Michel Jarre S Susan Zinowsky P Peter Fleischmann D Helmut Griem, Carline Seiser, Ulrich Wildgruber, Fernando Arrabal, Rainer Langhans | BRD & F | 118 min | 1:1,66 | f | 22. November 1979
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22.11.79
26.5.77
Der amerikanische Freund (Wim Wenders, 1977)
Das Leben, vom Tode aus betrachtet … Ja, da ist auch ein Thriller: betrügerische (Kunst-) Geschäfte, Gangster, die mit Pornos handeln, Auftragsmord in der Eisenbahn, Leichen, die beseitigt werden müssen. Aber vor allem ist da dieser epi-nostalgische, larmo-romantische Kinotraum über Männer: über ihren blöden Stolz und ihre noch blöderen Empfindlichkeiten, über ihre kindische Angst und ihre jungenhaften Sehnsüchte, über ihr Verlangen nach (unmöglicher!) Freundschaft, nach (utopischer!) Liebe, über ihre Fähigkeit zu beiläufiger Zärtlichkeit, zu wortlosem Verstehen. »Der amerikanische Freund« erzählt (frei nach Patricia Highsmiths Roman »Ripley’s Game«) davon, wie diese Männer in geisterhaften Städten, in Hamburg, in New York, in Paris, ihre riskanten, infamen, todbringenden Spiele spielen. Sie leben (?) in grandios-vergammelten Villen (Ripley = Dennis Hopper), in einsam ragenden Häusern am Fluß (Jonathan = Bruno Ganz), in weitläufigen Appartements über dem Häusermeer (Minot = Gérard Blain). Sie sind Tote auf Urlaub in einer Welt hinter Glas, (vergeblich) bemüht, Isolation, Melancholie, Distanz zu überwinden. Wim Wenders (der in Nebenrollen nicht ohne Grund Regielegenden wie Nicholas Ray und Sam Fuller besetzt) verschickt die mythischen Gestalten des Western, des film noir, des Melodrams in eine novembrige Gegenwart, in eine Zeit aus Blei, wo sie in kühlem Edward-Hopper-Licht (Kamera: Robby Müller) durch anonyme Flughäfen und menschenleere U-Bahnhöfe, über verlassene Parkways und urbane Brachflächen irren. Heimatlose. Suchende. Männer: »My thought just weigh me down / And drag me to the ground / And shake my head till there's no more life in me.« PS: Ja, da ist auch eine Frau: Sie heißt … wie heißt sie doch gleich?
R Wim Wenders B Wim Wenders V Patricia Highsmith K Robby Müller M Jürgen Knieper A Heidi Lüdi, Toni Lüdi S Peter Przygodda P Wim Wenders D Bruno Ganz, Dennis Hopper, Lisa Kreuzer, Gérard Blain, Rudolf Schündler | BRD & F | 126 min | 1:1,66 | f | 26. Mai 1977
R Wim Wenders B Wim Wenders V Patricia Highsmith K Robby Müller M Jürgen Knieper A Heidi Lüdi, Toni Lüdi S Peter Przygodda P Wim Wenders D Bruno Ganz, Dennis Hopper, Lisa Kreuzer, Gérard Blain, Rudolf Schündler | BRD & F | 126 min | 1:1,66 | f | 26. Mai 1977
18.10.74
The Odessa File (Ronald Neame, 1974)
Die Akte Odessa
»What was it like? It was like ruling the world. Because we did rule the world, we Germans.« 1963, 18 Jahre nach dem Ende der deutschen Weltherrschaft, stößt ein freiberuflich tätiger Hamburger Journalist (jung und engagiert: Jon Voight) zufällig auf das Tagebuch eines Überlebenden des historischen Schlachtfestes und gelangt – von einem elementaren (wie sich herausstellen wird: biographisch motivierten) inneren Impuls getrieben – auf die Spur der Organisation ehemaliger SS-Angehöriger, die, zu allem entschlossen, an glorreiche Zeiten anknüpfen und ihre noch unerledigte Mission erfüllen wollen ... Nach dem künstlerischen Erfolg von »The Day of the Jackal« bringt Produzent John Woolf einen weiteren Frederick-Forsyth-Reißer auf die Leinwand; Regisseur Ronald Neame erreicht zwar weder die ironische Frostigkeit noch die erzählerische Raffinesse des Zinnemann-Meisterstücks, versteht es aber, mit reichlich bundesrepublikanischem Flair und einer ganzen Kompanie von höchst ungemütlichen deutschen supporting actors – in alphabetical order: Caninenberg, Golling, Kiwe, Löwitsch, Marischka, Meisel, Meisner, Messemer, Möller, Schell, Schröder, Strack – unterhaltsam zu punkten.
R Ronald Neame B Kenneth Ross, George Markstein V Frederick Forsyth K Oswald Morris M Andrew Llod Webber A Rolf Zehetbauer S Ralph Kemplen P John Woolf D Jon Voight, Maximilian Schell, Maria Schell, Mary Tamm, Derek Jacobi | UK & BRD | 130 min | 1:2,35 | f | 18. Oktober 1974
»What was it like? It was like ruling the world. Because we did rule the world, we Germans.« 1963, 18 Jahre nach dem Ende der deutschen Weltherrschaft, stößt ein freiberuflich tätiger Hamburger Journalist (jung und engagiert: Jon Voight) zufällig auf das Tagebuch eines Überlebenden des historischen Schlachtfestes und gelangt – von einem elementaren (wie sich herausstellen wird: biographisch motivierten) inneren Impuls getrieben – auf die Spur der Organisation ehemaliger SS-Angehöriger, die, zu allem entschlossen, an glorreiche Zeiten anknüpfen und ihre noch unerledigte Mission erfüllen wollen ... Nach dem künstlerischen Erfolg von »The Day of the Jackal« bringt Produzent John Woolf einen weiteren Frederick-Forsyth-Reißer auf die Leinwand; Regisseur Ronald Neame erreicht zwar weder die ironische Frostigkeit noch die erzählerische Raffinesse des Zinnemann-Meisterstücks, versteht es aber, mit reichlich bundesrepublikanischem Flair und einer ganzen Kompanie von höchst ungemütlichen deutschen supporting actors – in alphabetical order: Caninenberg, Golling, Kiwe, Löwitsch, Marischka, Meisel, Meisner, Messemer, Möller, Schell, Schröder, Strack – unterhaltsam zu punkten.
R Ronald Neame B Kenneth Ross, George Markstein V Frederick Forsyth K Oswald Morris M Andrew Llod Webber A Rolf Zehetbauer S Ralph Kemplen P John Woolf D Jon Voight, Maximilian Schell, Maria Schell, Mary Tamm, Derek Jacobi | UK & BRD | 130 min | 1:2,35 | f | 18. Oktober 1974
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25.4.74
Dorotheas Rache (Peter Fleischmann, 1974)
Ein Festival der Liebe oder: Was Sie noch nie über Sex wissen wollten ... Peter Fleischmanns Rache am deutschen Report-Film (Schulmädchen, Krankenschwestern, Hausfrauen e tutti quanti) schickt die frühreife Tochter eines Hamburger Lachsack-Produzenten quer durch St. Pauli auf die Suche nach Liebe in den Zeiten der sexuellen Revolution. Um etwas über die große Himmelsmacht zu erfahren, treibt es Dorothea (schnutig: Anna Henkel) mit »künstlerischen Fotografen«, empfängt sie Freier in der tristen Sauberkeit des ›Eros-Center‹, besucht sie Fick-Shows in schmuddligen Etablissements, trifft sie abgelöschte Dominas und flehentliche Masochisten (die schon mal, kopfüber hängend, Rilke zitieren: »Du bist der Anfang, der sich groß ergießt, / ich bin das langsame und bange Amen,
/ das deine Schönheit scheu beschließt.«); Co-Autor Jean-Claude Carrière bringt einige buñueleske Motive in die Stationenposse ein, zum Beispiel den Auftritt des Heilands, der salbungsvoll empfiehlt, mit Kindern und Narren zu schlafen, um glücklich zu werden. Fleischmanns boshaft-kruder Lagebericht aus der Frühgeschichte der Pornographisierung des Abendlandes kombiniert künstlerische Ausdrucksmittel wie Laientheater und home movie, Kiezfolklore und Schlagerrevue (von Jürgen Marcus bis Marianne Rosenberg), um in der Utopie freier Liebe auf dem Lande zu gipfeln. Die bleibende Schockwirkung des Streifens dürfte weniger in der drastisch ausgestellten full-frontal nudity liegen, sondern vielmehr im Anblick des allerorten üppigst sprießenden Haupt-, Brust- und Schamhaars – nie war so viel Pelz wie in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts. PS: »So, Freunde des Sexualsports, das war’s mal wieder für heute. Bis zur nächsten Show noch etwas Unterhaltungsmusik von Johnny Tripper und den Syphilisten.«
R Peter Fleischmann B Peter Fleischmann, Jean-Claude Carrière K Jean-Jacques Flori, Klaus Müller-Laue M Philippe Sarde S Robert Polak, Maria Heidemann, Ernst Witzel P Peter Fleischmann D Anna Henkel, Gunter Thiedeke, Régis Genger, Elisabeth Potchanski, Alexander von Paczensky | BRD & F | 92 min | 1:1,37 | f | 25. April 1974
R Peter Fleischmann B Peter Fleischmann, Jean-Claude Carrière K Jean-Jacques Flori, Klaus Müller-Laue M Philippe Sarde S Robert Polak, Maria Heidemann, Ernst Witzel P Peter Fleischmann D Anna Henkel, Gunter Thiedeke, Régis Genger, Elisabeth Potchanski, Alexander von Paczensky | BRD & F | 92 min | 1:1,37 | f | 25. April 1974
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31.1.74
Supermarkt (Roland Klick, 1974)
»You know I want my celebration, babe, before I die.« Willi rennt. Gegen Wände. Immer wieder weg. Um sein Leben. Willi (lumpenproletarisch-sexy: Charly Wierczejewski), eine arme Sau vom Hamburger Kiez, frettet sich durch, mopst Kleingeld vom Tresen, hat aber immer eine Münze für die Musicbox. Kommen die Bullen, haut er ab, auch wenn er gar nichts getan hat, denn für irgendetwas würden sie ihn schon drankriegen. Da sind welche, die ihm angeblich helfen wollen, aus dem Dreck herauszukommen, aber eigentlich wollen sie alle bloß etwas von ihm: Der berufsbetroffene Reporter (Michael Degen) will eine Story, der wohlhabende Schwule (Hans-Michael Rehberg) will einen Fick, der miese Gauner (Walter Kohut) braucht jemanden, der ihm hilft, ein mieses Ding zu drehen. Willi hat offensichtlich seine Erfahrungen gemacht, beißt konsequent in jede Hand, die sich nähert; ein wenig Zutrauen faßt er nur zu einer blonden Nutte (Eva Mattes), die niemandem helfen kann, noch nicht einmal sich selbst … Roland Klick dreht im Grunde einen typischen deutschen Problemfilm, aber, und das ist der feine große Unterschied, er problematisiert das soziale Elend nicht, skizziert anstattdessen – mit extrem beweglicher Kamera (Jost Vacano rennt so schnell wie der nervöse, immer alarmierte Protagonist) – eine rauhe, unbeseelte Welt, die einerseits ein einziger Supermarkt ist, ein kaltes Paradies der Käuflichkeit, andererseits jedoch gerade dieses eben nicht: Für Willi und Konsorten gibt es nichts zu kaufen, letztlich noch nicht einmal etwas zu klauen …
R Roland Klick B Roland Klick, Georg Althammer, Jane Sperr K Jost Vacano M Peter Hesslein, Udo Lindenberg A Georg von Kieseritzky S Jane Sperr P Roland Klick, Heinz Angermeyer D Charly Wierczejewski, Eva Mattes, Michael Degen, Walter Kohut, Hans-Michael Rehberg | BRD | 84 min | 1:1,66 | f | 31. Januar 1974
R Roland Klick B Roland Klick, Georg Althammer, Jane Sperr K Jost Vacano M Peter Hesslein, Udo Lindenberg A Georg von Kieseritzky S Jane Sperr P Roland Klick, Heinz Angermeyer D Charly Wierczejewski, Eva Mattes, Michael Degen, Walter Kohut, Hans-Michael Rehberg | BRD | 84 min | 1:1,66 | f | 31. Januar 1974
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7.7.72
Der Stoff, aus dem die Träume sind (Alfred Vohrer, 1972)
Schon der knallharte Gegenschnitt von einem tödlich endenden Fluchtversuch an der deutsch-tschechischen Grenze (kurz nach dem Prager Frühling) auf eine Revolverblatt-Redaktionskonferenz zum Thema Verkaufsförderung durch Tittentitel (mit jeder Menge marktforscherisch präzise aufbereitetem Anschauungsmaterial) gleich zu Beginn des Films läßt Alfred Vohrers souverän-triviale Meisterschaft erkennen. In der Romanvorlage verarbeitete Johannes Mario Simmel seine langjährigen Erfahrungen als rasender Reporter und Allesschreiber der Illustrierten »Quick« zu einer (hypo-)kritischen Abrechnung mit den Boulevardmedien und ihrem unstillbaren Hunger auf menschliches Schicksal. »Der Stoff, aus dem die Träume sind« verbindet – vor allem Dank der delirierenden (Hand-)Kamera von Charly Steinberger – ohne große Anstrengung Themen wie Schizophrenie, Spionage, Scheckbuchjournalismus, sexuelle Befreiung, politischen Mord, ideologischen Verrat und Nackttanz zu einem filmischen Quodlibet der Sonderklasse. Dazu kommen eine Reihe eindrücklicher Schauspielerleistungen: Neben alten Kämpen wie Arno Assmann, Paul Edwin Roth oder Walter Buschhoff geht insbesondere Edith Heerdegen als betagte Jugendpflegerin mit dem zweiten Gesicht zu Herzen – ihr stimmenhörendes, langsam in ein (hoffentlich) besseres Jenseits abdriftendes Fräulein Luise bleibt als eine der spukhaftesten Erscheinungen der deutschen Filmgeschichte im Gedächtnis.
R Alfred Vohrer B Manfred Purzer V Johannes Mario Simmel K Charly Steinberger M Peter Thomas A Günther Kob S Susanne Paschen P Luggi Waldleitner D Herbert Fleischmann, Paul Neuhaus, Edith Heerdegen, Hannelore Elsner, Arno Assmann | BRD | 142 min | 1:1,85 | f | 7. Juli 1972
R Alfred Vohrer B Manfred Purzer V Johannes Mario Simmel K Charly Steinberger M Peter Thomas A Günther Kob S Susanne Paschen P Luggi Waldleitner D Herbert Fleischmann, Paul Neuhaus, Edith Heerdegen, Hannelore Elsner, Arno Assmann | BRD | 142 min | 1:1,85 | f | 7. Juli 1972
24.4.70
Perrak (Alfred Vohrer, 1970)
Dialog 1970 – Sohn: »Scheiße!« Vater: »Ich höre immer nur ›scheiße‹ von dir. Was willst du mal sagen, wenn du wirklich in der Scheiße sitzt?« Sohn: »Kacke!« Ruppiger Auftakt eines (laut Plakat) »pulvertrockenen Sittenreißers«. Nach der schmuddligen Titelsequenz (Möwen im Smog) wird auf der Hamburger Müllkippe, gleich neben einem Bild von Exkanzler Kiesinger, die Leiche eines Mädchens gefunden, das ein Junge war – zu Lebzeiten hatte der tote Toni »den schönsten Paraffinbusen von Nordeuropa«. Kommissar Perrak (Horst Tappert) nimmt die Ermittlungen auf und schnüffelt sich durch die Abseiten der winterlichen Hansestadt, um ein (über die Auflösung hinaus) undurchsichtiges, libidinös unterfüttertes Mord- und Erpressungskomplott zu entwirren. Mit der Nachzeichnung seines Weges – über die Schrottplätze des Wirtschaftswunders und in schwule Nachtclubs (»Wir stehen hier alle unter dem Protektorat von Heinemann.«), an die Hafenkante und in die Spiegelkabinette des Lasters, zu den Swimmingpools der Reichen und ins Obdachlosenasyl – entsteht ein kolportagehafter Querschnittsfilm, eine plakative Revue der gesellschaftlichen Zustände in den Wirren der sexuellen Revolution. Regisseur Alfred Vohrer zündet Kofferbomben, vergießt literweise Kunstblut und läßt einen Preßlufthammer als Folterwerkzeug heranstampfen; die Darsteller (unter ihnen Judy Winter, Erika Pluhar, Werner Peters und – als Nachwuchsschurke – Jochen Busse) dieses formal ziemlich notgeilen, dabei durchaus satirisch angehauchten bundesdeutschen Exploitation-Versuchs haben nicht viel zu tun – Autor Manfred Purzer (alias Ernst Flügel) dichtet ihnen Rollennamen an, die eh alles erzählen: Sie heißen ›Bimbo‹ (der Neger), ›Pinky‹ (die Transe), ›Wermuth-Ede‹ (der Penner), ›Trompeten-Emma‹ (die Puffmutter), ›Casanova‹ (der Ganove), ›Kaminski‹, ›Bottke‹ oder ›Dr. Rembold‹ (die Schweinepriester). »Also los, meine Herren, Röcke hoch!«
R Alfred Vohrer B Ernst Flügel (= Manfred Purzer) K Ernst W. Kalinke M Rolf Kühn A Günther Kob, Wolf Englert S Jutta Hering P Luggi Waldleitner D Horst Tappert, Erika Pluhar, Judy Winter, Werner Peters, Hubert Suschka | BRD | 92 min | 1:1,66 | f | 24. April 1970
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20.3.70
Unter den Dächern von St. Pauli (Alfred Weidenmann, 1970)
»Beruf?« – »Machen Se einfach ’n Strich.« Grobkörnige 24-Stunden-Kiez-Kolportage, die mit trivialer Eleganz mehrere Handlungsstränge verknüpft: Ein Geschäftsmann erschießt seine Gattin, weil er es nicht erträgt, daß sie allabendlich vor geilem Publikum ihre Brüste schwingt; ein biederer Studienrat wird von seinen Schülern in die Falle des süßen Lebens gelockt; ein sanfter Bänkelsänger rächt den gewaltsamen Tod seiner Frau; ein rechtschaffener Vater findet seine erlebnishungrige Tochter (»Es war ihr in Flensburg einfach zu langweilig.«) als Striptiseuse in einem Reeperbahn-Etablissement wieder und treibt ungewollt (?) ihren Preis in die Höhe … Ein Vierteljahrhundert nach ihrer ersten Zusammenarbeit (»Junge Adler«) widmen sich Autor Herbert Reinecker und Regisseur Alfred Weidenmann einmal mehr ihrem großen Thema: der Darstellung des Verhältnisses von Jung und Alt unter besonderer Berücksichtigung der (varianten) Grundsätze ethischen Handelns. »Unter den Dächern von St. Pauli«, gleichermaßen schund-veristische Studie der Doppelmoral und lüstern-zwielichtiges On-location-Sittenbild, bietet dabei Raum für markante Darstellerleistungen: Jean-Claude Pascal als melancholischer Mörder, Joseph Offenbach als faunischer Philister, Werner Peters als feister Unterweltbaron. Und Hamburg, der rot illuminierte großstädtische Sündenpfuhl, wird zum Fegefeuer, das der Provinzler notwendigerweise zu durchlaufen hat – denn: »Lübeck muß vernichtet werden!« PS: Nicht zu vergessen die Namen, diese einmaligen Reinecker-Namen: Dr. Pasucha und Hausach, Dr. Himboldt und Egon Mills (nebst Tochter Agnes).
R Alfred Weidenmann B Herbert Reinecker K Karl Löb M Peter Thomas A Horst Dotzauer S Walter von Bonhorst P Reginald Puhl D Jean-Claude Pascal, Joseph Offenbach, Werner Peters, Ralf Schermuly, Inger Zielke | BRD | 88 min | 1:1,66 | f | 20. März 1970
R Alfred Weidenmann B Herbert Reinecker K Karl Löb M Peter Thomas A Horst Dotzauer S Walter von Bonhorst P Reginald Puhl D Jean-Claude Pascal, Joseph Offenbach, Werner Peters, Ralf Schermuly, Inger Zielke | BRD | 88 min | 1:1,66 | f | 20. März 1970
27.2.70
Das gelbe Haus am Pinnasberg (Alfred Vohrer, 1970)
»Die Idee ist so alt wie die Menschheit.« Am Pinnasberg auf St. Pauli
wird die alte Idee leicht variiert: Werner Zibell (Siegfried
Schürenberg), der »General« (so genannt, weil er es im letzten Weltkrieg
beinahe bis zu diesem Dienstgrad gebracht hätte), hat in der
titelgebenden Immobilie kurz nach der Währungsreform einen Männerpuff
aufgezogen, ein Etablissement, das dem Gründer (und seiner Familie) soliden Wohlstand und der chronisch untervögelten weiblichen Kundschaft eindringliche
Wohltaten beschert. Eine Riege sogenannter Eros-Brüder, souverän
dirigiert von Majordomus »Paganini« (Eddi Arent), sorgt im Bordell
Paradox für das Amüsement der zahlenden Besucherinnen; das leidlich
erotische Geschehen im plüschigen Ambiente sowie (sehr
vorhersehbare) zwischenmenschliche Verwicklungen geben Regisseur Alfred
Vohrer Gelegenheit für das Abfeiern mehr oder weniger wohlgeformter
Männerkörper und das Abfeuern einiger Rotlicht-Pointen von tantenhafter
Anzüglichkeit. Der bisweilen ins surreale Kraut schießende Witz des
sexklamottigen Ganzen liegt in der grundehrlichen Naivität der Vorlage,
eines Romans der (von Peter Rühmkorf entdeckten) schreibenden Hamburger
Kapitänswitwe Bengta Bischoff, die als schrullige (und vorurteilsfreie)
Erzählerin höchstpersönlich durch den Film lustwandelt.
R Alfred Vohrer B Ernst Flügel (= Manfred Purzer) V Bengta Bischoff K Ernst W. Kalinke M Rolf Kühn A Wolf Englert S Susanne Paschen P Luggi Waldleitner D Siegfried Schürenberg, Eddi Arent, Gernot Endemann, Tilly Lauenstein, Bengta Bischoff | BRD | 94 min | 1:1,66 | f | 27. Februar 1970
# 984 | 9. Januar 2016
R Alfred Vohrer B Ernst Flügel (= Manfred Purzer) V Bengta Bischoff K Ernst W. Kalinke M Rolf Kühn A Wolf Englert S Susanne Paschen P Luggi Waldleitner D Siegfried Schürenberg, Eddi Arent, Gernot Endemann, Tilly Lauenstein, Bengta Bischoff | BRD | 94 min | 1:1,66 | f | 27. Februar 1970
# 984 | 9. Januar 2016
12.10.67
Wenn es Nacht wird auf der Reeperbahn (Rolf Olsen, 1967)
»Dieser Film ist ein Tatsachenbericht. Er schildert Begebenheiten der jüngsten Zeit.« Kiez-Reporter Danny Sonntag (Erik Schumann) auf der Spur einer brandheißen Story: Jungs aus gutem Hause (unter ihnen Fritz Wepper) versorgen bemittelte ältere Lustmolche mit Partyspaß und flotten Bienen, wobei die Mädchen unter Zuhilfenahme von selbstdestilliertem LSD gefügig gemacht werden, was wiederum nicht ohne gelegentliche (tödliche) Reibungsverluste abgeht. Väter und Söhne zwischen Elbchaussee und Großer Freiheit – in der Hamburger Gesellschaft bleiben das Verlangen in der Familie und der Generationenkonflikt eine Sache des Geschäfts … Rolf Olsen (der in einer markanten Nebenrolle als unsentimentaler Arzt im Hafenkrankenhaus auftritt) erzählt zügig und effizient, dabei streng pseudoauthentisch und vergnügt doppelmoralisch von netten Ganoven und eiskalten Rebellen, läßt Titten hüpfen und Messer blitzen wie ein gewiefter Boulevardjournalist, springt wendig aus dem Puff ins Polizeipräsidium, von der Luxusyacht auf den Schulhof, aus der Unternehmervilla ins Bumslokal. Die Männer in diesem herzlich-harten St.-Pauli-Nachtstück sind brutal oder geil oder sensibel (oder alles zusammen), die Frauen sind naiv oder berechnend oder willig (oder alles zusammen), und das Verbrechen ist die unvermeidliche Zivilisationskrankheit dieser besten aller käuflichen Welten, in der die wahren Monster niemals auf die Titelseite geknallt werden.
R Rolf Olsen B Rolf Olsen K Franz X. Lederle M Erwin Halletz A Günther Kob S Renate Willeg P Heinz Willeg D Erik Schumann, Fritz Wepper, Jürgen Draeger, Konrad Georg, Marianne Hoffmann | BRD | 98 min | 1:1,66 | f | 12. Oktober 1967
R Rolf Olsen B Rolf Olsen K Franz X. Lederle M Erwin Halletz A Günther Kob S Renate Willeg P Heinz Willeg D Erik Schumann, Fritz Wepper, Jürgen Draeger, Konrad Georg, Marianne Hoffmann | BRD | 98 min | 1:1,66 | f | 12. Oktober 1967
13.4.67
St. Pauli zwischen Nacht und Morgen (José Bénazeraf, 1967)
Ein Gangsterfilm zwischen Nacht und Morgen. Ein nebelfeuchter Traum von harten Kerlen, von schönen Frauen, von ehrgeizigen Polizisten. Eine kalte Halluzination vom großen Geld, von der großen Liebe, vom großen Spiel. Helmut Schmidt (!), ein Schweizer Interpol-Inspektor, kommt nach Hamburg, um eine Bande von Drogenhändlern auszuheben, die sich als Betreiber einer Nachtbar tarnen. Der ehrgeizige Helmut (Helmut Förnbacher) verfällt dem traurigen Zauber der schönen Arlette (Eva Christian) und dem rauhen Charme des harten Bernie (Rolf Eden) – und schließlich verfällt er seiner Bestimmung … José Bénazeraf mag seine Figuren. Deswegen sieht er sie lange an. Er betrachtet ausführlich, wie sie sitzen, wie sie laufen, wie sie reden, wie sie trinken, wie sie baden, wie sie weinen, wie sie küssen, wie sie rauchen, wie sie schlagen, wie sie schießen, wie sie sterben. In seinen Wahrnehmungen läßt sich der leidenschaftliche Beobachter von so etwas Banalem wie Handlung kaum stören. Ja, er erzählt. Auch. Nebenbei. Notgedrungen. Für all jene, die einen Anlaß brauchen um hinzugucken: wie sich ein Paar in einer Pfütze spiegelt, wie ein Auto ausbrennt, wie Kiffer in den Rausch sinken, wie eine Möwe über dem Hafen kreist, wie Mädchen tanzen, wie Koks aus dem Brennofen eines Gaswerks fällt, wie St. Pauli aus dem vielverheißenden Schwarz der Nacht dem toten Grau des Morgens entgegengeht.
R José Bénazeraf B Wolfgang Steinhardt K Peter Baumgartner, George Balogh M Frank Valdor S Eva Zeyn P Erwin C. Dietrich D Helmut Förnbacher, Eva Christian, Rolf Eden, Dunja Rajter, Bob Iller | BRD | 88 min | 1:1,37 | sw | 13. April 1967
# 810 | 2. Dezember 2013
R José Bénazeraf B Wolfgang Steinhardt K Peter Baumgartner, George Balogh M Frank Valdor S Eva Zeyn P Erwin C. Dietrich D Helmut Förnbacher, Eva Christian, Rolf Eden, Dunja Rajter, Bob Iller | BRD | 88 min | 1:1,37 | sw | 13. April 1967
# 810 | 2. Dezember 2013
31.3.67
Le scandale (Claude Chabrol, 1967)
Champagner-Mörder
Der Wahnsinn des Geldadels, dargestellt an Hand einer serienmörderischen Familienintrige unter Champagner-Produzenten: Maurice Ronet als dekadenter Lebemann mit (vielleicht todbringenden) Absencen, Anthony Perkins als hochgeschlafener Gigolo mit weitreichenden Ambitionen, Yvonne Furneaux als ehrgeizige Geschäftsfrau ohne Fortune, Stéphane Audran als eiskaltes Biest mit vielen Talenten. Leider entwickelt der (reichlich unübersichtliche) satirisch-schwarzhumorige Krimiplot – trotz mehrerer Strangulierungen sowie Ausflügen in neppige Hamburger Vergnügungstempel und auf radikalschicke Pariser Künstlerpartys – kaum prickelnde Spannung. Claude Chabrols Gesellschaftskritik bleibt dekoratives L’art pour l’art (immerhin in eleganten Techniscope-Kompositionen von Jean Rabier), und lediglich die Schlußszene des Films findet für die (selbst-)zerstörerische Energie der gehobenen Klasse ein überzeugendes Bild.
R Claude Chabrol B Claude Brulé, Derek Prouse K Jean Rabier M Pierre Jansen A Rino Mondellini S Jacques Gaillard P Raymond Eger D Anthony Perkins, Maurice Ronet, Yvonne Furnaux, Stéphane Audran, Henry Jones | f | 99 min | 1:2,35 | f | 31. März 1967
Der Wahnsinn des Geldadels, dargestellt an Hand einer serienmörderischen Familienintrige unter Champagner-Produzenten: Maurice Ronet als dekadenter Lebemann mit (vielleicht todbringenden) Absencen, Anthony Perkins als hochgeschlafener Gigolo mit weitreichenden Ambitionen, Yvonne Furneaux als ehrgeizige Geschäftsfrau ohne Fortune, Stéphane Audran als eiskaltes Biest mit vielen Talenten. Leider entwickelt der (reichlich unübersichtliche) satirisch-schwarzhumorige Krimiplot – trotz mehrerer Strangulierungen sowie Ausflügen in neppige Hamburger Vergnügungstempel und auf radikalschicke Pariser Künstlerpartys – kaum prickelnde Spannung. Claude Chabrols Gesellschaftskritik bleibt dekoratives L’art pour l’art (immerhin in eleganten Techniscope-Kompositionen von Jean Rabier), und lediglich die Schlußszene des Films findet für die (selbst-)zerstörerische Energie der gehobenen Klasse ein überzeugendes Bild.
R Claude Chabrol B Claude Brulé, Derek Prouse K Jean Rabier M Pierre Jansen A Rino Mondellini S Jacques Gaillard P Raymond Eger D Anthony Perkins, Maurice Ronet, Yvonne Furnaux, Stéphane Audran, Henry Jones | f | 99 min | 1:2,35 | f | 31. März 1967
29.1.67
The Night of the Generals (Anatole Litvak, 1967)
Die Nacht der Generale
»What is admirable on the large scale is monstrous on the small.« Im allgemeinen Gemetzel des Zweiten Weltkriegs geht ein Abwehroffizier der Wehrmacht (Omar Sharif) auf die Jagd nach einem Lustmörder im Generalsrang. Drei Verdächtige stehen zur Auswahl: der bärbeißige Charles Gray (General von Seydlitz-Gabler), der zwielichtige Donald Pleasence (Generalmajor Kahlenberg), der unerbittliche Peter O’Toole (Generalleutnant Tanz). Die Nachforschung führt von Warschau über Paris (wo der Ermittler vom Täter zur Strecke gebracht wird) bis in das Hamburg der Nachkriegszeit … Abgesehen von der Verwurstung hochdramatischen zeitgeschichtlichen Materials zu schnöden Unterhaltungszwecken und der der Tatsache, daß alle Deutschen von in der Wolle gefärbten Engländern (bzw. einem Ägypter) gespielt werden, bietet Anatole Litvaks »The Night of the Generals« beste, küchenpsychologisch fundierte Thrillerkolportage.
R Anatole Litvak B Joseph Kessel, Paul Dehn V Hans Hellmut Kirst K Henri Decaë M Maurice Jarre A Alexandre Trauner S Alan Osbiston P Anatole Litvak, Sam Spiegel D Peter O’Toole, Omar Sharif, Tom Courtenay, Donald Pleasence, Joanna Petit | UK & F | 148 min | 1:2,35 | f | 29. Januar 1967
»What is admirable on the large scale is monstrous on the small.« Im allgemeinen Gemetzel des Zweiten Weltkriegs geht ein Abwehroffizier der Wehrmacht (Omar Sharif) auf die Jagd nach einem Lustmörder im Generalsrang. Drei Verdächtige stehen zur Auswahl: der bärbeißige Charles Gray (General von Seydlitz-Gabler), der zwielichtige Donald Pleasence (Generalmajor Kahlenberg), der unerbittliche Peter O’Toole (Generalleutnant Tanz). Die Nachforschung führt von Warschau über Paris (wo der Ermittler vom Täter zur Strecke gebracht wird) bis in das Hamburg der Nachkriegszeit … Abgesehen von der Verwurstung hochdramatischen zeitgeschichtlichen Materials zu schnöden Unterhaltungszwecken und der der Tatsache, daß alle Deutschen von in der Wolle gefärbten Engländern (bzw. einem Ägypter) gespielt werden, bietet Anatole Litvaks »The Night of the Generals« beste, küchenpsychologisch fundierte Thrillerkolportage.
R Anatole Litvak B Joseph Kessel, Paul Dehn V Hans Hellmut Kirst K Henri Decaë M Maurice Jarre A Alexandre Trauner S Alan Osbiston P Anatole Litvak, Sam Spiegel D Peter O’Toole, Omar Sharif, Tom Courtenay, Donald Pleasence, Joanna Petit | UK & F | 148 min | 1:2,35 | f | 29. Januar 1967
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Warschau,
Zweiter Weltkrieg
14.1.66
4 Schlüssel (Jürgen Roland, 1966)
»Jeder wünscht sich Wohlstand und Sicherheit.« Am Sonnabend vor der Bundestagswahl (Erhard gegen Brandt) wollen Alexander Ford (erbarmungslos-charmant: Günther Ungeheuer) und seine Spießgesellen ihr eigenes Wirtschaftwunder realisieren: Die dreieinhalb Millionen Mark im Tresorraum des traditionsreichen Hamburger Bankhauses Traven & Co. sollen den Besitzer wechseln. Dazu müssen die Gangster die vier Schlüssel, mit denen der Safe gesichert ist, bzw. die vier »Schlüsselträger«, allesamt Angestellte des Geldhauses, in ihre Gewalt bringen … Ein straff inszeniertes heist movie, das mit einiger Süffisanz die unterschiedlichen Verhaltensweisen von Menschen in Extremsituationen betrachtet. Jürgen Roland bettet die Schilderung des kriminellen Unternehmens in zahlreiche (lokal-)reportageartige Sequenzen des Tagesgeschehens – Ankunft der Rolling Stones auf dem Flughafen Fuhlsbüttel, Feuerwerk an der Alster, Heimspiel des HSV, Wahlkampfveranstaltungen –, womit er das Verbrechen gleichsam als integralen Aspekt von gesellschaftlicher Wirklichkeit vorführt. Die Mischung aus dokumentarischer Beobachtung und spannender Genre-Stilisierung gelingt vor allem Dank der sehr konzentriert agierenden Schauspieler und Wolfgang Treus dynamischer Kameraarbeit, die situative Aufmerksamkeit mit sorgfältiger Bildkomposition verbindet.
R Jürgen Roland B Max Pierre Schaeffer, Thomas Keck V Max Pierre Schaeffer K Wolfgang Treu M Konrad Elfers A Dieter Bartels S Susanne Paschen P Hanns Eckelkamp D Günther Ungeheuer, Walter Rilla, Monika Peitsch, Hanns Lothar, Hellmuth Lange | BRD | 107 min | 1:1,66 | sw | 14. Januar 1966
# 807 | 25. November 2013
R Jürgen Roland B Max Pierre Schaeffer, Thomas Keck V Max Pierre Schaeffer K Wolfgang Treu M Konrad Elfers A Dieter Bartels S Susanne Paschen P Hanns Eckelkamp D Günther Ungeheuer, Walter Rilla, Monika Peitsch, Hanns Lothar, Hellmuth Lange | BRD | 107 min | 1:1,66 | sw | 14. Januar 1966
# 807 | 25. November 2013
9.9.64
Polizeirevier Davidswache (Jürgen Roland, 1964)
»Alle Geschehnisse dieses Films haben sich tatsächlich zugetragen.« Regisseur Jürgen Roland und Autor Wolfgang Menge, die sich mit ihrer erfolgreichen Fernsehreihe »Stahlnetz« als Spezialisten für halbdokumentarische Kriminalfilme (»Dieser Fall ist wahr!«) ausgewiesen haben, erkunden das Gebiet des Hamburger Polizeireviers 15, »ein halber Quadratkilometer zwischen Millerntor, Hafen und Nobistor«. 48 Stunden auf St. Pauli: Heilsarmee und Herbertstraße, Striptease und Flottenbesuch, reinster Nepp und kalter Mord. Protagonisten der kaleidoskopischen Nachtrevue rund um die Davidswache sind die Hauptwachtmeister Schriever und Glantz (Wolfgang Kieling als braver Beamter, dessen baldiger Tod zu Beginn der Erzählung angekündigt wird) sowie der nach vier Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassene Gentleman-Ganove Bruno Kapp (zynisch-brutal: Günther Ungeheuer) der, ganz anders als seine bieder-naive Freundin, nicht davon träumt, ein kleines Haus im Vorort zu beziehen; dazu gesellen sich Dutzende aus dem Leben (oder aus dem Groschenheft) gegriffene Figuren, die, nach kurzer schlaglichtartiger Beleuchtung, wieder in der Anonymität der Großstadt abtauchen. Im Widerspruch zum Bemühen um journalistische Nüchternheit, versetzen Roland und Menge die pointierten Vignetten aus dem schillernden Amüsierbetrieb mit einer gewissen Portion fatalistischer Melodramatik und einem guten Schuß piefiger Kiez-Sentimentalität, wodurch zwar die Authentizität, nicht aber der Unterhaltungswert ihrer Milieustudie beeinträchtigt wird.
R Jürgen Roland B Wolfgang Menge K Günter Haase M Günter Marschner A Dieter Bartels, Dieter Reinecke S Susanne Paschen P Hans Eckelkamp D Wolfgang Kieling, Günther Neutze, Günther Ungeheuer, Hannelore Schroth, Silvana Sansoni, Jürgen Draeger | BRD | 101 min | 1:1,66 | sw | 9. September 1964
# 1020 | 22. August 2016
R Jürgen Roland B Wolfgang Menge K Günter Haase M Günter Marschner A Dieter Bartels, Dieter Reinecke S Susanne Paschen P Hans Eckelkamp D Wolfgang Kieling, Günther Neutze, Günther Ungeheuer, Hannelore Schroth, Silvana Sansoni, Jürgen Draeger | BRD | 101 min | 1:1,66 | sw | 9. September 1964
# 1020 | 22. August 2016
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20.9.63
Scotland Yard jagt Dr. Mabuse (Paul May, 1963)
Nach der erfrischend respektlosen Remake-Travestie »Das Testament des Dr. Mabuse« (er)schlägt Produzent Artur Brauner zwei Fliegen mit einer Klappe, indem er den unsterblichen Super-Verbrecher in einen (ziemlich banalen) Reißer aus der Feder seines Hausautoren Bryan Edgar Wallace versetzt. Kinematographische Gesellschaftskritik war in den Mabuse-Filmen längst nicht mehr im Spiel, doch mit dem holprigen Crossover aus elektronischer Gedankenkontrolle, seniler Allmachtsphantasie und konventionellem Postraub erreicht die Reihe einen eklatanten Tiefpunkt. Das triste Einerlei aus einfallsarmem Buch (Ladislas Fodor) und lustloser Inszenierung (Paul ›08/15‹ May), aus gelangweiltem Spiel und fader Fotografie durchbricht gelegentlich Agnes Windeck (als kriminalistisch instinktsichere Mutter des ermittelnden Geheimdienstmannes Peter van Eyck) mit der outrierten Zelebrierung jenes Humors, den deutsche Filmschaffende, warum auch immer, für britisch halten.
R Paul May B Ladislas Fodor V Bryan Edgar Wallace, Norbert Jacques K Nenad Jovicic M Rolf Wilhelm A Hanns H. Kuhnert S Walter Wischniewsky P Artur Brauner D Peter van Eyck, Dieter Borsche, Walter Rilla, Werner Peters, Klaus Kinski, Agnes Windeck | BRD | 90 min | 1:1,37 | sw | 20. September 1963
# 860 | 8. Mai 2014
R Paul May B Ladislas Fodor V Bryan Edgar Wallace, Norbert Jacques K Nenad Jovicic M Rolf Wilhelm A Hanns H. Kuhnert S Walter Wischniewsky P Artur Brauner D Peter van Eyck, Dieter Borsche, Walter Rilla, Werner Peters, Klaus Kinski, Agnes Windeck | BRD | 90 min | 1:1,37 | sw | 20. September 1963
# 860 | 8. Mai 2014
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16.10.58
Peter Voss, der Millionendieb (Wolfgang Becker, 1958)
»Die Erde«, schrieb E. G. Seeliger, der Erfinder des Millionendiebes Peter Voss, »ist der Omnibus der freien Menschheit auf ihrer Reise durch die Ewigkeit.« Zwischen dieser absurd-poetischen Erkenntnis und Wolfgang Beckers biederbunter Adaption des oft und gern verfilmten deutschen Abenteuerromans liegen Welten. Dabei klingt die Prämisse recht hübsch: Peter Voss (O. W. Fischer) fingiert einen Einbruch, um einem befreundeten Bankier, dem vorübergehend ein größerer Betrag fehlt, aus der Patsche zu helfen, und flieht sodann, verfolgt von echten Räubern und dem leicht vertrottelten Versicherungsdetektiv Bobby Dodd (Walter Giller), rund um den Globus … »Die Außenaufnahmen wurden in Berlin – Hamburg – Genua – Marseille – Barcelona – Lissabon – Rio de Janeiro – Mexico – Tokio und Hongkong gedreht«, prahlt der Vorspann; die Inszenierung läßt sich jedoch zu keinem Zeitpunkt auf die fremden Orte ein, frühstückt nur hektisch ab, findet, wie ein bornierter Tourist, gerade mal obligate Klischees – wenn überhaupt. Hin und wieder läßt der Film comichaften Charme spielen, etwa wenn sich Peter Voss am brennenden Wrack seines Sportwagens eine Zigarette anzündet oder wenn er in die Rolle eines gefeierten Stierkämpfers schlüpft, um seinen Häschern zu entkommen, aber zumeist degradiert Fischers spöttische Monomanie den nonchalanten Glücksritter zum eitlen Gecken.
R Wolfgang Becker B Curt J. Braun, Gustav Kampendonk V E. G. Seeliger K Klaus von Rautenfeld, Günther Senftleben M Hans-Martin Majewskis A Hanns H. Kuhnert S Klaus M. Eckstein P Kurt Ulrich D O. W. Fischer, Ingrid Andrée, Walter Giller, Margit Saad, Peter Mosbacher | BRD | 111 min | 1:1,37 | f | 16. Oktober 1958
R Wolfgang Becker B Curt J. Braun, Gustav Kampendonk V E. G. Seeliger K Klaus von Rautenfeld, Günther Senftleben M Hans-Martin Majewskis A Hanns H. Kuhnert S Klaus M. Eckstein P Kurt Ulrich D O. W. Fischer, Ingrid Andrée, Walter Giller, Margit Saad, Peter Mosbacher | BRD | 111 min | 1:1,37 | f | 16. Oktober 1958
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19.9.57
Nachts, wenn der Teufel kam (Robert Siodmak, 1957)
Ein politischer film noir aus Deutschland um Fragen von Gerechtigkeit in rechtloser Zeit: Robert Siodmak erzählt die (während des Zweiten Weltkriegs spielende) Geschichte des grenzdebilen Massenmörders Bruno Lüdke (triebhaft-intensiv: Mario Adorf), dem nach zehn Jahren ungestraften Tötens von einem engagierten Ermittler (aufrecht-steif: Claus Holm) das Hand(!)werk gelegt wird. Ein ambitionierter SS-Führer (aasig-schwarz: Hannes Messemer) will den Fall als Rechtfertigung für ein Gesetz zur Vernichtung geistig Behinderter nutzen, wird aber von ganz oben zurückgepfiffen. Ein Unschuldiger (präpotent-schwitzig: Werner Peters) springt über die Klinge … »Nachts, wenn der Teufel kam« zeigt nicht nur, wie unter der Herrschaft des Verbrechens die Willkür zum Führungsprinzip wird, sondern reflektiert auch (sehr zurückhaltend) die Möglichkeiten des Einzelnen in einer totalitaristischen Welt.
R Robert Siodmak B Werner Jörg Lüddecke V Will Berthold K Georg Krause M Siegfried Franz A Rolf Zehetbauer, Gottfried Will S Walter Boos P Walter Traut, Robert Siodmak, Ilse Kubaschewski D Claus Holm, Mario Adorf, Hannes Messemer, Annemarie Düringer, Werner Peters | BRD | 104 min | 1:1,37 | sw | 19. September 1957
R Robert Siodmak B Werner Jörg Lüddecke V Will Berthold K Georg Krause M Siegfried Franz A Rolf Zehetbauer, Gottfried Will S Walter Boos P Walter Traut, Robert Siodmak, Ilse Kubaschewski D Claus Holm, Mario Adorf, Hannes Messemer, Annemarie Düringer, Werner Peters | BRD | 104 min | 1:1,37 | sw | 19. September 1957
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16.4.57
Die Zürcher Verlobung (Helmut Käutner, 1957)
»Ich produziere auch nicht gerne Schnulzen.« Umständlich-romantische Verwicklungskomödie unter Filmfuzzis, Zahnärzten und lilagespülten Schweizer Damen (und Pudeln). Helmut Käutner stichelt anfangs gegen die alten Leiern des Adenauer-Kintopp, macht im folgenden aber eigentlich auch nichts anderes (»Ja, ich glaube, so etwas sehen die Leute immer wieder gern.«) – er verpackt die rosarot-himmelblaue Einfalt allerdings in viel Selbstironie, und statt eines gutaussehenden Försters mit Reh bietet er einen gutaussehenden Arzt (Paul Hubschmid) mit Büffel (Bernhard Wicki): Liselotte Pulver (als beziehungsnotleidende Unterhaltungsschriftstellerin, die nach eigenen Erlebnissen ein Drehbuch verfaßt) glaubt den höflichen Hubschmid zu lieben, kriegt aber den rauhbautzigen Wicki, dem sie in Wirklichkeit zugetan ist, auch wenn sie es hundert Minuten lang nicht wahrhaben wollte – das alles mit viel Berg, viel Schnee, viel Hüttenzauber (»Ja, ja, die Liebe in der Schweiz«). Nett: Werner Finck spielt einen Zahnarzt, der den Nerv trifft, Rudolf Platte spielt Herrn Uri (nach dem gleichnamigen Kanton), Sonja Ziemann spielt Sonja Ziemann, die im Film, der im Film gedreht wird, die Rolle von Liselotte Pulver spielt, und Käutner spielt einen Reporter, der es nicht gut findet, wenn ein Regisseur in seinem eigenen Film mitspielt.
R Helmut Käutner B Heinz Pauck, Helmut Käutner V Barbara Noack K Heinz Pehlke M Michael Jary A Herbert Kirchhoff, Albrecht Becker S Klaus Dudenhöfer P Walter Koppel D Liselotte Pulver, Paul Hubschmid, Bernhard Wicki, Wolfgang Lukschy, Werner Finck, Sonja Ziemann | BRD | 106 min | 1:1,37 | f | 16. April 1957
30.8.56
Heute heiratet mein Mann (Kurt Hoffmann, 1956)
Kurt Hoffmann verlegt seine Adaption des Romans der exilierten Wienerin Annemarie Selinko aus dem Kopenhagen des Spätsommers 1939 ins Hamburg der Wirtschaftswunderjahre. Von den zeithistorischen Bezügen der Vorlage (Siegeszug des Nationalsozialismus, Beginn des Zweiten Weltkriegs) befreit, widmet sich die heitere Romanze mit bisweilen lubitschhafter Nonchalance den Liebeswirren zwischen der quirlig-unbekümmerten Modezeichnerin Thesi (Liselotte Pulver), die es fertigbringt, in einem winzigen Täschchen zwei Opernkarten zu verkramen, und dem väterlich-pedantischen Architekten Robert (Johannes Heersters), der die Dame(n) seines Herzens mit artiger Anzüglichkeit »Bumsi« zu nennen pflegt. Einige Zeit nach der einvernehmlichen Scheidung aufgrung wechselseitiger Enttäuschung erfährt Thesi – zufällig beim Zahnarzt – von Roberts neuerlichen Verlobung, bändelt flott mit eins, zwei, drei Herren an, von denen sie einen (Paul Hubschmid als gefälliger Diplomat) beinahe heiratet, bevor sie – nach einem sechswöchigen Scharlach-Intermezzo – erwartungsgemäß zu ihrem Ex zurückfindet. Wie die Heldin experimentiert Hoffmanns bundesdeutsche Variation einer »comedy of remarriage« kokett mit der Flatterhaftigkeit, um zu guter Letzt in den Hafen der Stabilität einzulaufen – nicht ohne nahezulegen, das, was sich in Partnerschaften abspielt, so leicht wie möglich zu nehmen, denn »in der Ehe bleibt man immer zwei Herzen und zwei Seelen«.
R Kurt Hoffmann B Johanna Sibelius, Eberhard Keindorff V Annemarie Selinko K Günther Anders M Hans-Martin Majewski A Robert Herlth S Gertrud Hinz P Georg Witt D Liselotte Pulver, Johannes Heesters, Paul Hubschmid, Charles Regnier, Gustav Knuth | BRD | 95 min | 1:1,37 | sw | 30. August 1956
# 1071 | 21. August 2017
R Kurt Hoffmann B Johanna Sibelius, Eberhard Keindorff V Annemarie Selinko K Günther Anders M Hans-Martin Majewski A Robert Herlth S Gertrud Hinz P Georg Witt D Liselotte Pulver, Johannes Heesters, Paul Hubschmid, Charles Regnier, Gustav Knuth | BRD | 95 min | 1:1,37 | sw | 30. August 1956
# 1071 | 21. August 2017
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