Karl Achilles (Erwin Geschonneck), langgedienter Werkmeister in einem volkseigenen Chemiebetrieb, geht – nolens volens – in den Ruhestand: mit den technischen Entwicklungen hat er zuletzt nur noch mühsam Schritt halten können, sein knorrig-paternalistischer Führunsstil paßt nicht mehr so recht in die Zeit. Ein Aktivist der ersten Stunde hat seine Schuldigkeit getan. Roland Gräfs still beobachtender, die Alltagsrealität immer wieder poetisch überhöhender Film ist eine Art doppeltes Endspiel über das Altern des Menschen und das Sterben der Natur. Zum einen zeigen Gräf und sein Autor Martin Stephan, mit leisem Humor, den werdenden Pensionär, der an seinem letzten Arbeitstag trotzig Normalität behauptet, um die Gefühligkeiten des unvermeidlichen Abschieds abzuwehren; zum anderen entwerfen sie, ohne Schönfärberei, ein Bild der kaputten Industrielandschaft um Bitterfeld mit ihren Wäldern von gelblich qualmenden Schornsteinen, ihren grauschwarzen Abraumhalden, aus denen kein Pflänzchen mehr sprießt. Achilles träumt davon, eine blaue Blume zu züchten (eine Kreuzung aus Wegwarte und Kornblume), die auf dem toten Boden gedeihen könnte. Seine romantische Sehnsucht erscheint nicht weniger illusorisch als das politisch-administrative Bemühen, die geschundene Erde per Abwurf von Krume und Samen aus dem Hubschrauber zu befruchten.
R Roland Gräf B Martin Stephan K Jürgen Lenz M Gerhard Rosenfeld A Georg Wratsch S Monika Schindler P Uwe Klimek D Erwin Geschonneck, Else Grube-Deister, Jutta Wachowiak, Gert Gütschow, Fred Delmare | DDR | 89 min | 1:1,66 | f | 20. November 1975
# 975 | 4. November 2015