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16.7.76

The Shootist (Don Siegel, 1976)

Der letzte Scharfschütze

Januar 1901. Queen Victoria ist tot, und John Bernard Books (John Wayne) geht es auch nicht besonders gut. In Carson City erhält der berühmt-berüchtigte Revolverheld vom Arzt seines Vertrauens (James Stewart) die niederschmetternde Diagnose: Krebs im Endstadium. Books nimmt Quartier im boarding house der ehrbaren Witwe Mrs. Rogers (Lauren Bacall), wo er in Ruhe (und Würde) auf den Tod warten will – aber ganz so einfach ist es natürlich nicht, wenn (Anti-)Helden abdanken. Im Handumdrehen treten die Legendenfledderer auf den Plan: alerte Journalisten und geschäftige Bestatter, frühere Geliebte und alte Gegenspieler des Moribunden (»I’m a dying man, scared of the dark.«) wittern leichtes Geld und/oder schnellen Ruhm ... Don Siegel zeichnet das respektvoll-unsentimentale Porträt eines Mannes, der seine Zeit überlebt hat, und bietet John Wayne (dem Western-Star schlechthin, der drei Jahre später an Krebs sterben wird) die Gelegenheit, einen ironisch-melancholischen (Genre-)Abschied von gestern zu zelebrieren; so fährt der alte Kämpe zwar mit der Straßenbahn zum finalen Duell, darf aber die letzten Dinge auf altbewährte Weise regeln.

R Don Siegel B Miles Hood Swarthout, Scott Hale V Glendon Swarthout K Bruce Surtees M Elmer Bernstein A Robert Boyle S Douglas Stewart P M. J. Frankovich, William Self D John Wayne, Lauren Bacall, Ron Howard, James Stewart, John Carradine | USA | 100 min | 1:1,85 | f | 16. Juli 1976

# 1192 | 6. Juni 2020

9.5.74

Mahler (Ken Russell, 1974)

Mahler

»What religion are you?« – »I am a composer.« Auf der Zugreise zurück ins heimatliche Wien erinnert sich der sterbenskranke Komponist Gustav Mahler (Robert Powell) an wichtige – vom exzessiven Schöpferdrang des Regisseurs Ken Russell melodramatisch überzeichnete – Stationen seines Lebens: jüdische Kindheit mit cholerisch-ehrgeizigem Vater, finanzielle Sorgen und antisemitisches Geläster, berechnende Konversion zum katholischen Glauben (arrangiert als stummfilmhaftes Pop-Weihespiel mit Cosima Wagner als hohepriesterlicher Nazi-Domina), neoromantisches Eheglück und profanes Liebesleid an der Seite der passiv-repressiven Gattin Alma (die schon mal einen table dance auf dem Sarg ihres (noch nicht ganz) verstorbenen Ehemanns hinlegt), sodann Tod der Tochter, Suizid des Bruders, Umnachtung des Freundes (Hugo Wolf als Kaiser Franz Josef). Die Vita des Tondichters verwandelt sich zur schillernden (gelegentlich etwas beliebigen) Illustration seiner Musik, umgekehrt liefern die Kompositionen den Soundtrack zu einer fragilen Aufsteiger-Biographie. »Mahler« imaginiert Mahler als provokant-parodistischen Fiebertraum, als üppig-assoziatives Barockbukett: »We're going to live forever!«

R Ken Russell B Ken Russell K Dick Bush M Gustav Mahler A Ian Whittacker S Michael Bradsell P Roy Baird D Robert Powell, Georgina Hale, Richard Morant, Lee Montague, Antonia Ellis | UK | 115 min | 1:1,85 | f | 9. Mai 1974

21.12.72

Viskningar och rop (Ingmar Bergman, 1972)

Schreie und Flüstern

Ein Traumspiel der Emotionen. Ein Totentanz der Lebenden. Eine Gespenstersonate in Rot. Drei Schwestern in einem Landhaus: Agnes (Harriet Andersson) stirbt einen langsamen, qualvollen Tod, Karin (Ingrid Thulin) und Maria (Liv Ullmann) stehen dabei, sitzen daneben, schauen hin und doch weg. Das glühende Innere des vornehmen Baus – rote Wände, rote Böden, rot bezogene Möbel – als Inneres des Schmerzes, der die drei Frauen umfängt, als Bühne eines Kammerspiels der falschen Liebe und des echten Zorns: Maria, oberflächlich-kokett, verheiratet mit einem weinerlichen Schwächling, sucht vergebens Bestätigung bei einem Geliebten, der ihr (als Arzt) mit wissenschaftlicher Präzision die Spuren ihres körperlichen Verfalls erläutert; Karin, an der Seite eines eisigen Karrieristen selbst bis aufs Blut erkaltet, findet sinnliches Erleben nur mehr in selbst beigebrachten Verletzungen; Agnes krümmt sich in körperlicher Qual, schreit nach Hilfe, fragt nach dem Sinn ihres unverdienten Leidens. Wahre Berührungen scheinen unter den Schwestern unmöglich, bleiben der in ihrer Natürlichkeit ruhenden Zofe Anna überlassen, die die Sterbende in den Armen wiegt wie die Schmerzensmutter den Gekreuzigten… Mit der Sicherheit des großen Meisters flicht Ingmar Bergman Gestern und Heute seiner Erzählung kunstvoll ineinander, läßt eine Tote auferstehen und Rechenschaft fordern, wirft, nach einer Überfahrt über das Meer der Tränen, Anker an der Insel der seligen Erinnerung: Agnes, die vielleicht aufrichtigste, unverdorbenste der drei Schwestern, die einzige anscheinend, die sich selbst (und damit anderen) im Leben nahe kommen konnte, beschreibt (imaginiert?) – nach ihrem Tod noch einmal lebendig geworden in den Zeilen ihres Tagebuchs – einen fast überirdischen Moment des Glücks: drei Schwestern auf einer Schaukel vereint, sanft bewegt im weichen Licht eines heiteren Frühlingstages. Nach den Exzessen der Kälte und Fremdheit, die »Viskningar och rop« ausgebreitet hat, kann diese Reminiszenz eigentlich nur eine schöne Lüge sein – aber wen sollte es kümmern, wenn sie denn tief empfunden ist…

R Ingmar Bergman B Ingmar Bergman K Sven Nykvist M Johann Sebastian Bach A Marik Vos S Siv Lundgren P Lars-Owe Carlberg D Harriet Andersson, Ingrid Thulin, Liv Ullmann, Kari Sylwan, Erland Josephson | S | 91 min | 1:1,66 | f | 21. Dezember 1972

25.5.71

The Go-Between (Joseph Losey, 1971)

Der Mittler

»The past is a foreign country. They do things differently there.« Das Jahr 1900. Ein Sommer auf dem Lande. Zuerst: Hitze, Geheimnis, Mutmaßung. Dann: Gewitter, Erkenntnis, Ende der Unschuld. Der 12jährige Bürgersohn Leo Colston (Dominic Guard) verbringt die Ferien auf Brandham Hall, dem Anwesen der Familie eines adligen Schulfreunds. Nicht ganz unfreiwillig gerät der Gast in die Liebeshändel zwischen Marian, der schönen (und mit einem sympathischen Viscount verlobten) Tochter des Hauses (divine: Julie Christie), und dem benachbarten Farmer Ted Burgess (down-to-earth: Alan Bates). Leo trägt Briefe hin und her, übermittelt – anfangs eifrig-naiv, später mißtrauisch-widerstrebend – zärtliche Botschaften, deren substantiellen Inhalt er dunkel ahnt, ohne ihn noch benennen zu können. Harold Pinters Drehbuch, die Adaption eines autobiographisch inspirierten Romans von L. P. Hartley, erforscht eine gleichermaßen verlockende wie unwirtliche Welt aus der Perspektive eines Außenseiters, der, als Botschafter über Geschlechter- und Klassengrenzen hinweg, unweigerlich in Loyalitätskonflikte verwickelt wird. Regisseur Joseph Losey, ein in England gestrandeter Midwesterner, beschreibt das einerseits sorglos-luxuriöse, andererseits in Etikette und Ritual befangene Leben der britischen Oberklasse greifbar, anschaulich, lebendig, schafft eine helldunkle, von Michel Legrands neobarockem Klavierscore kongenial verstärkte Atmosphäre von Bedrohung und Glanz, Nervosität und Sehnsucht. Letztlich erweist sich die immer wieder von subtil irritierenden Vorausblenden unterbrochene (Coming-of-age-)Erzählung als Erinnerung an eine Vergangenheit, die (mehr als) ein ganzes Leben düster überschattet hat.

R Joseph Losey B Harold Pinter V L. P. Hartley K Gerry Fisher M Michel Legrand A Carmen Dillon S Reginald Beck P John Heyman, Norman Priggen D Dominic Guard, Julie Christie, Alan Bates, Margaret Leighton, Michael Gough, Edward Fox, Michael Redgrave | UK | 116 min | 1:1,85 | f | 25. Mai 1971

# 1046 | 16. Februar 2017

21.12.67

Rheinsberg (Kurt Hoffmann, 1967)

Die Welt von gestern in einem Film von vorgestern. Kurt Hoffmann und Herbert Reinecker entkleiden Kurt Tucholskys ironisch-zärtliches ›Bilderbuch für Verliebte‹ von jeder kritischen Anzüglichkeit, konzentrieren sich stattdessen aufs illustrativ-episodische Abfeiern der guten alten Zeit. Die Kamera (Richard Angst) schlägt dabei die eine oder andere Kapriole, ein perlender Samstagabendsound (Hans-Martin Majewski) und diverse Schnittfrivolitäten mühen sich redlich, den befreiten Ton der späten 1960er Jahre zu treffen. Die Akteure bieten im besten Falle solides Kabarett, nur Cornelia Froboess (deren Talent deutsche Filmregisseure unverzeihlicherweise kaum je mit angemessenen Rollen zu würdigen wissen) leistet mehr: Ihre hochkultivierte Kodderschnauze hält die ganze Chose souverän zusammen.

R Kurt Hoffmann B Herbert Reinecker V Kurt Tucholsky K Richard Angst M Hans-Martin Majewski A Werner Schlichting S Gisela Haller P Heinz Angermeyer D Cornelia Froboess, Christian Wolff, Werner Hinz, Agnes Windeck, Ehmi Bessel | BRD | 88 min | 1:1,66 | f | 21. Dezember 1967

22.2.67

Le voleur (Louis Malle, 1967)

Der Dieb von Paris 

Georges Randal (Jean-Paul Belmondo) ist ein Dieb. Er nimmt keine großen Rücksichten, wenn er auf Beutezug geht: »Je fais un sale métier, mais j’ai une excuse. Je le fait salement.« Nach dem Tod der Eltern von seinem habsüchtig-philiströsen Onkel ums Erbe und, schlimmer noch, um die Liebe zur entzückenden Cousine Charlotte (Geneviève Bujold) gebracht, entdeckt Georges seine kriminelle Berufung – und die Lust, die Autonomie, die nackte Wahrheit, die sie ihm bringt. Louis Malle erzählt den pikaresken Belle-Époque-Roman ganz aus der Perspektive der Hauptfigur, verzichtet dabei auf die emotionalisierende Beigabe von Musik, senkt die äußere Dramatik auf ein beinahe bressonsches Minimum, meidet jede Form von Robin-Hood-Romantik: Georges stiehlt nicht, um die sozialen Verhältnisse zu verändern, er stiehlt, weil er lebt, wenn er stiehlt. Seine Arbeit erledigt er diszipliniert, planvoll, zielstrebig, mit elementarer Begierde nach fremdem Geld und Gut, mit lässiger Verachtung für das Eigentum an sich. Der Dieb ein Anarchist? Eher ein radikaler Individualist – aber auch ein Schatten des Bourgeois. Tragische Ironie: Die Gesellschaft der Diebe erscheint als seitenverkehrtes Ebenbild der bürgerlichen Welt. Oder wie es Georges’ Lehrmeister, der weltkluge Abbé La Margelle (Julien Guiomar), poetisch ausdrückt: »Le voleur est le clair de lune de l’honnête homme.«

R Louis Malle B Jean-Claude Carrière, Louis Malle, Daniel Boulanger V Georges Darien K Henri Decaë A Jacques Saulnier S Henri Lanoë P Hubert Mérial D Jean-Paul Belmondo, Geneviève Bujold, Jean Guimoar, Marie Dubois, Paul Le Person | F & I | 120 min | 1:1,66 | f | 22. Februar 1967

8.7.66

Operazione paura (Mario Bava, 1966)

Die toten Augen des Dr. Dracula

Um die Jahrhundertwende. Dr. Eswai wird in ein abgelegenes Dorf gerufen, wo sich merkwürdige Selbstmordfälle häufen. Der Mediziner gelangt an einen verwunschenen Ort, auf dem ein unnennbarer Fluch liegt. Das Klima aus Angst, Schuld, Verzweiflung und Sterbensmüdigkeit, die unlösbare Kettung ans Gestern, die nicht zu lokalisierende Geographie, die nicht einordenbaren Namen (Kruger, Schuftan, Hollander, Graps) – all dies läßt die kleine Gemeinde mit ihren moosbedeckten Ruinen, ihren labyrinthischen Gäßchen, ihrer von unsichtbarer Hand geläuteten Glocke wie eine Modellkulisse des alten, von der Bürde einer schrecklichen Geschichte bedrückten Europa erscheinen. »Operazione paura« präsentiert ein Kind als Inkarnation dieses Unglücks, den ruhelosen Geist der kleinen blonden Melissa, deren Ball immer wieder unheilverkündend durch die Szenen hüpft, deren gickerndes Lachen baldigen Tod verheißt … Mario Bavas spinnverwebte Elegie der (Selbst-)Zerstörung und des Zerfalls ist ein feingeschliffenes (Kino-)Juwel der Schwarzen Romantik, eine fantastische Wundertüte, vollgestopft mit Symbolen der Vergänglichkeit, ein dramatisches Renkontre von Ratio und Wahn, ein heimtückisches Familienstück, ein Hexentanz durch endlos vervielfachte Salons, in denen der Mensch sich selbst verfolgt, und – nicht zuletzt – ein kreativer Kratzfuß vor Hitchcock und Cocteau. Schwebende Kamerafahrten wechseln mit messerstichartigen Zooms, trostlose Kammern kontrastieren mit barocken Farbräumen, das Innen fällt ins Außen, und eine Wendeltreppe wird zum Auge, das ins Grauen blickt.

R Mario Bava B Romano Migliorini, Roberto Natale, Mario Bava K Antonio Rinaldi M Carlo Rustichelli A Alessandro Dell’Orco S Romano Fortini P Luciano Cantenacci, Nando Pisani D Giacomo Rossi-Stuart, Erika Blanc, Fabienne Dali, Piero Lulli, Giovanna Galletti | I | 85 min | 1:1,85 | f | 8. Juli 1966

22.12.65

Doctor Zhivago (David Lean, 1965)

Doktor Schiwago

»This is an awful time to be alive.« Ein Mann zwischen zwei Frauen – und als wäre das nicht schon kompliziert genug, müssen die drei Protagonisten der ausschweifenden Erzählung sich auch noch (in verschiedenen Kombinationen) durch Weltbrand, Revolution und Bürgerkrieg schlagen: Jurij (Omar Sharif) schaut glutvoll, Lara (Julie Christie) schaut sehnsüchtig, Tonya (Geraldine Chaplin) schaut tapfer aus der epochalen Wäsche. David Lean bestreicht die russischen Weiten mit Blut und Schmalz und Tränen, Maurice Jarre läßt die Balalaikas flirren, Freddie Young träumt in Panavision von Steppe und Wäldern und Eis. Das Alte stirbt in epischer Breite, das Neue wird unter Schmerzen geboren, der (und die) Einzelne geht verloren im Zeitalter der (roten) Massen – aber im Frühjahr blühen wieder (leuchtend gelb) die Narzissen …

R David Lean B Robert Bolt V Boris Pasternak K Freddie Young M Maurice Jarre A John Box S Norman Savage P Carlo Ponti D Omar Sharif, Julie Christie, Geraldine Chaplin, Rod Steiger, Alec Guinness | USA & I | 197 min | 1:2,20 | f | 22. Dezember 1965

10.12.65

Viva Maria! (Louis Malle, 1965)

Viva Maria!

Umsturz und Froufrou: Höchst charmante Revolutionsoperette um zwei aufgerüschte Tingeltangel-Diseusen, die Anfang des 20. Jahrhunderts das darbende Volk einer lateinamerikanischen Bananenrepublik zum Aufstand führen. Wer Brigitte Bardot (Maria I) und Jeanne Moreau (Maria II) beim sexy Freiheitskampf zusieht, bekommt bald schon selber Lust, einmal ans Maschinengewehr zu treten, um schwitzenden Exploiteuren und ihren elenden Schergen gehörig eins vor den Latz zu knallen.

R Louis Malle B Louis Malle, Jean-Claude Carrière K Henri Decaë M Georges Delerue A Bernard Evein S Kenout Peltier, Suzanne Baron P Oscar Dancigers D Brigitte Bardot, Jeanne Moreau, George Hamilton, Gregor von Rezzori, Paulette Dubost | F & I | 120 min | 1:2,35 | f | 10. Dezember 1965

1.7.65

The Great Race (Blake Edwards, 1965)

Das große Rennen rund um die Welt

Eine Ouvertüre! (Wie vor einem Monumentalfilm.) Dann die Widmung: »To Mr. Laurel and Mr. Hardy«. Was folgt, ist, wie nach diesem Auftakt zu erwarten, der Versuch eines endgültigen Lustspiels, ein überdimensionales Slapstick-Epos, vergleichbar vielleicht nur mit Stanley Kramers ebenfalls völlig aus den gestalterischen Fugen geratener Superklamotte »It’s a Mad, Mad, Mad, Mad World«: ein Belle-Époque-Wagenrennen – (fast) rund um den Globus – von New York nach Paris, ein perlweiß funkelnder Siegertyp (›The Great Leslie‹: Tony Curtis), ein Antagonist, so schwarz wie die Bombe eines Anarchisten (›Professor Fate‹: Jack Lemmon), dazu ergebene Helfer (Keenan Wynn und Peter Falk) sowie eine selbstbewußte Suffragette (›Maggie Du Bois‹: Natalie Wood), die das Primat der männlichen Helden(-figuren) mit allen ihr zu Gebote stehenden körperlichen und intellektuellen Reizen in Frage stellt. Stummfilmfan und Kontrollfreak Blake Edwards schafft mit seinem besessen-minutiösen Nach- und Durchdeklinieren populärer Leinwandstandards – heulenden Indianer-Attacken und klirrenden Mantel-&-Degen-Duellen, romantischen Komplikationen und schwelgerischen Zerstörungsorgien, einer titanischen Saloonschlägerei und einer Tortenschlacht (natürlich handelt es sich nicht um »eine« Tortenschlacht, sondern um »the pie fight of the century«) – eine exaltiert-exorbitante roadshow, das Komödienäquivalent zu den hypertrophen Musicals der Epoche. Daß die Komik, trotz konsequent cartoonhafter Charakterzeichnung und kompromißlos überzeichneter Situationen, hin und wieder auf der (langen) Strecke bleibt, liegt wohl in der Natur der (aufgeblasenen) Sache: Subversion und Gigantismus gehen selten Hand in Hand. PS: »Push the button, Max!«

R Blake Edwards B Arthur A. Ross, Blake Edwards K Russell Harlan M Henry Mancini A Fernando Carrere S Ralph E. Winters P Martin Jurow D Jack Lemmon, Tony Curtis, Natalie Wood, Peter Falk, Keenan Wynn | USA | 160 min | 1:2,35 | f | 1. Juli 1965

15.2.65

Lord Jim (Richard Brooks, 1965)

Lord Jim

»Maybe cowards and heroes are just ordinary men who, for a split second, do something out of the ordinary. That’s all.« Eher breites als großes Abenteuerkino nach Joseph Conrad, das vom offenen Meer in den realen und in den inneren Dschungel führt. Die Erzählung dreht sich um Versagen und Mut, um Ehre und Stolz, um die Hoffnung auf die zweite Chance. Peter O’Toole in der zwiespältigen Titelrolle des Seemannes, dem aufgrund einer Übersprungshandlung das Patent entzogen wird, vergißt auch in dramatischen Situationen nicht, Eyeliner aufzutragen, und bebt ansonsten allzu sichtbar vor moralischer Anspannung. Richard Brooks’ Regie ist stellenweise überraschend ungeschickt, während der wagnerianische Score von Bronislau Kaper mit seinem Schicksalsrauschen nicht nur die Protagonisten an ihre Grenzen treibt. Getragen wird »Lord Jim« allein von seinen prachtvollen Schurken: Eli Wallach als brutaler Ausbeuter, Curd Jürgens als versoffener Raffzahn, Akim Tamiroff als schwitzender Hehler des Todes, James Mason als bibelfester Auftragsmörder, der die Problematik der tragischen Hauptfigur wie folgt erklärt: »His Lordship has pretensions to heroism – a form of mental disease induced by vanity.«

R Richard Brooks B Richard Brooks V Joseph Conrad K Freddie Young M Bronislau Kaper A Geoffrey Drake S Alan Osbiston P Richard Brooks D Peter O’Toole, Eli Wallach, Curd Jürgens, Akim Tamiroff, James Mason | UK & USA | 154 min | 1:2,20 | f | 15. Februar 1965

21.10.64

My Fair Lady (George Cukor, 1964)

My Fair Lady

Die Tatsache, daß an George Cukor kein großer Musicalregisseur verlorengegangen ist, wird durch ein fideles Ensemble, durch die unausrottbaren Ohrwürmer von Lerner und Loewe, vor allem aber durch Gene Allens künstlich-elegante Bauten und Cecil Beatons parodistisch-exaltiertes Kostümbild halbwegs kaschiert. Die soziale Veredelung des Cockney-Blumenmädchens Eliza (»I'm a good girl, I am!« – Audrey Hepburn) durch den arrogant-eigenbrötlerischen Stimmbildner Professor Higgins (»Why can't a woman be more like a man?« – Rex Harrison) entbehrt jeder gesellschaftssatirischen Schärfe, stattdessen wirft sich »My Fair Lady« ganz auf das gemächliche Herzeigen nostalgischer production values und die Entwicklung einer eher unglaubwürdigen love story. Höhepunkte des Film sind – neben den visuell imposanten Tableaus der Ascot Gavotte – die Auftritte von Elizas Vater, des Müllkutschers Alfred P. Doolittle (Stanley Holloway), eines immer leicht angetüterten Rinnstein-Philosophen mit gesundem Vorbehalt gegen jede Form von middle-class morality, der das überlange Geschehen (leider zu selten) mit flotten Weisheiten aufmischt: »The Lord above made man to help his neighbor – but / With a little bit of luck, with a little bit of luck / When he comes around you won't be home!«

R George Cukor B Alan Jay Lerner V George Bernard Shaw K Harry Stradling M Frederick Loewe A Gene Allen, Cecil Beaton S William H. Ziegler P Jack L. Warner D Audrey Hepburn, Rex Harrison, Stanley Holloway, Wilfrid Hyde-White, Gladys Cooper | USA | 170 min | 1:2,35 | f | 21. Oktober 1964

31.8.64

Tonio Kröger (Rolf Thiele, 1964)

Künstler-Bürger-Problematik, unfreiwilliges Außenseitertum, Sehnsucht nach den Wonnen der Gewöhnlichkeit, die Enge der Heimat, die trügerischen Versprechungen der Fremde, Komik und Elend – Thomas Mann hat seine großen Themen in »Tonio Kröger« geradezu kontormäßig korrekt durchgearbeitet. Daß sich die Novelle nicht nur zur Quälerei unschuldiger Deutschschüler eignet, sondern auch die Vorlage zu einem gelungenen Film liefern kann, beweist Rolf Thiele: Seine formalen Gespreiztheiten (die sich hier gleichwohl in verträglichem Rahmen halten) bilden ein nicht unpassendes Pendant zu Manns fast possenhafter sprachlicher Überfeinerung. Die schwarzweiße Kameraarbeit (Wolf Wirth) und die elegische Komposition (Rolf A. Wilhelm) bewegen sich auf hohem Niveau; Jean-Claude Brialy in der Titelrolle tut einfach gar nichts, verzieht keine Miene, bleibt als Tonio (Mathieu Carrière spielt ihn als Jungen) Zaungast seines bourgeoisen Dichter-Lebens – uns taugt so paradoxerweise nicht schlecht als Medium zur Einfühlung in die schwierige Figur. Des weiteren trumpft »Tonio Kröger« mit sympathisch-manierierten schauspielerischen Kabinettstückchen: Gert Fröbe (als eine Art Wachtmeister Dimpfelmoser), Theo Lingen (als französelnd-effeminierter Tanzlehrer), Günther Lüders (als beflissener Volksbibliothekar), Walter Giller (als seekranker Kaufmann mit Weltschmerz), Rudolf Forster (als serviler Hoteldirektor) und Beppo Brem (als lebensvoller Literat). Einzig Nadja Tiller (als russischstämmiges Malweib mit rrrollendem R) trifft hier nicht ganz den richtigen Ton.

R Rolf Thiele B Erika Mann, Ennio Flaiano V Thomas Mann K Wolf Wirth M Rolf A. Wilhelm A Wolf Englert S Ingeborg Taschner, Heidi Genée P Franz Seitz D Jean-Claude Brialy, Mathieu Carrière, Nadja Tiller, Werner Hinz, Rudolf Forster | BRD & F | 90 min | 1:1,66 | sw | 31. August 1964

15.6.64

För att inte tala om alla dessa kvinnor (Ingmar Bergman, 1964)

Ach, diese Frauen

Ingmar Bergmans manieriert-bonbonbuntes Satyrspiel zum harten Schwarzweiß seiner »Kammerspiel-Trilogie«: Der Starkritiker (und Hobbykomponist) Cornelius will die Biographie des berühmten Cellisten Felix schreiben, dringt zum (unsichtbar bleibenden) Meister jedoch nicht vor – und verliert sich stattdessen in den Liebeshändeln und Ränkespielen des künstlerischen Hofstaates, der neben Impressario und Chauffeur einen siebenköpfigen Harem umfaßt. In ultrakünstlich-zuckerbäckerigen Kulissen (P. A. Lundgren) wird ein weitgehend blutleerer Retorten-Slapstick abgespult, eine ungalante Marivaudage, die als mokanter Racheakt an inkompetent-parasitären Kunstrichtern noch am ehesten nachzuvollziehen ist. Vor dem (meist starren) Auge von Sven Nykvists formal meisterlicher Kamera hampeln und chargieren die Akteure und Aktricen, daß die dünnen Wände wackeln. Für die provozierende Verweigerung von Ernst und Tiefgründigkeit gebührt Bergman (zumal nach einem so ernsten und tiefgründigen Werk wie »Tystnaden«) allerdings ein gewisser Respekt.

R Ingmar Bergman B Ingmar Bergman, Erland Josephson K Sven Nykvist M Erik Nordgren A P. A. Lundgren S Ulla Ryghe P Allan Ekelund D Jarl Kulle, Bibi Andersson, Harriet Andersson, Eva Dahlbeck, Gertrud Fridh | S | 80 min | 1:1,37 | f | 15. Juni 1964

4.12.63

Judex (Georges Franju, 1963)

Judex

Poetische Reanimation eines Stummfilm-Mythos: Georges Franju läßt Louis Feuillades rächenden Serienhelden ›Judex‹ als romantischen Richter von eigenen Gnaden wiederauferstehen (die Titelrolle spielt der amerikanische Magier Channing Pollock, der für Präsidenten und Königinnen zauberte). Die Handlung verwickelt einen bösen Bankier und seine ätherische Tochter, ein gieriges Frauenzimmer und ihren verschlagenen Liebhaber, einen vorwitzgen Bengel und einen gutmütigen Detektiv in ein naiv-spukhaftes Abenteuer voller Camouflagen (u. a. falsche Nonnen) und Enthüllungen (z. B. verlorene Söhne), voller doppelter Böden und ungestorbener Tode. »Judex« sucht die Atmosphäre einer verlorenen Zeit (»qui ne fut pas heureuse – 1914«) und findet sie wieder als zärtlichen Alptraum, als schwarz-weiße Dichtung über Rache und Gerechtigkeit sowie (indirekt) über das Geld, jene dämonische Kraft, die alles bewegt und vieles zerstört. Franju, ein später Surrealist, nimmt gestalterischen Bezug auf die unheimliche Klarheit des ganz frühen Kinos, auf die Collagen von Max Ernst, in der sich die Gespenster der Vergangenheit zu beklemmenden Gegenwarten formieren, und auf die animalisch-anthropomorphen Figurationen des Illustrators Grandville: In der vielleicht schönsten und geheimnisvollsten des Szene dieses schönen und geheimnisvollen Werks werden, anläßlich eines festlichen Kostümballs, die Protagonisten mittels realistischer Vogelmasken in phantastische Tierwesen verwandelt – das Sichtbare (die Gestalt) und das Unsichtbare (der Gehalt) verschmelzen bildhaft zu filmischer Einheit.

R Georges Franju B Jacques Champreux, Francis Lacassin V Louis Feuillade K Marcel Fradetal M Maurice Jarre A Robert Giordani S Gilbert Natot P Robert de Nesle D Channing Pollock, Francine Bergé, Edith Scob, Michel Vitold, Jacques Jouanneau | F & I | 104 min | 1:1,66 | sw | 4. Dezember 1963

7.6.62

Lulu (Rolf Thiele, 1962)

Ehrgeizige Erotikposse (man könnte auch sagen: Sexklamotte ohne Sex) in elaboriertem Stummfilm-Look: Lulu, von Männern gemacht, bringt Männer zur Strecke – »Laß sie nicht entkommen! Du bist der nächste!« –, bis sie schließlich von Jack the Ripper geschlitzt wird. Nadja Tiller in der Titelrolle ist – wie immer bei Rolf Thiele – eher teilnahmslose Projektionsfläche von Begierden denn gestaltende Akteurin. An ihrer Seite: Rudolf Forster als greiser Strippenzieher Schigolch, O. E. Hasse als kultivierter Alphamann Schön, Leon Askin als altersgeiler Fettsack Goll, Mario Adorf als weltläufiger Strizzi Rodrigo, Hilde Knef als melancholische Lesbe Geschwitz, Charles Regnier als Conférencier und Vollstrecker von Lulus Schicksal – alle tanzen sie zur vulgär-dissonanten Jahrmarktsmusik von Carl de Groof. Vielleicht mehr Edgar Wallace als Frank Wedekind – aber vergnüglich allemal.

R Rolf Thiele B Rolf Thiele, Herbert Reinecker V Frank Wedekind K Michel Kelber M Carl de Groof A Fritz Mögle, Heinz Ockermüller S Eleonore Kunze P Otto Dürer D Nadja Tiller, O. E. Hasse, Hildegard Knef, Mario Adorf, Charles Regnier | A | 100 min | 1:1,66 | sw | 7. Juni 1962

28.10.58

Wir Wunderkinder (Kurt Hoffmann, 1958)

»Leute, genießt bloß die Nachkriegszeit / denn bald wird sie wieder zur Vorkriegszeit!« Wenn der bundesdeutsche Film der 1950er Jahre gesellschaftskritisch sein will, greift er gerne zu den Mitteln des Kabaretts; so auch Kurt Hoffmann, der das Duo Neuss/Müller als singende Conférenciers einer flotten Epochenrevue besetzt. Die beiden Wolfgangs erzählen launig die Lebensgeschichte zweier Klassenkameraden, die sich – der eine recht, der andere schlecht – durch die Zeitläufte lavieren. Hans (zahnlos: Hansjörg Felmy) – anständig und duckmäuserisch (= gut deutsch) – und Bruno (dynamisch: Robert Graf) – einnehmend und mitlaufend (= böse deutsch) – machen jeweils ihren Weg, wie sie können und wie es ihnen charakterlich gegeben ist. »Wir Wunderkinder« (der so heißt »weil es nach allem, was wir erlebt haben, ein Wunder ist, daß wir Kinder dieses Jahrhunderts überhaupt noch leben«) unterhält auf hohem visuellen und musikalischen Niveau, vermeidet jedoch konsequent den Blick in die historischen Abgründe.

R Kurt Hoffmann B Heinz Pauck, Günter Neumann V Hugo Hartung K Richard Angst M Franz Grothe A Franz Bi, Max Seefelder S Hilwa von Boro P Hans Abich D Hansjörg Felmy, Robert Graf, Johanna von Koczian, Wera Frydtberg, Elisabeth Flickenschildt | BRD | 107 min | 1:1,66 | sw | 28. Oktober 1958

15.5.58

Gigi (Vincente Minnelli, 1958)

Gigi

Paris um 1900: Gigi (Leslie Caron), ein knuspriger Backfisch, wird, der familiären Tradition folgend, zur Luxuskokotte herangebildet; am Ende triumphiert die wahre Liebe über die Ware Liebe. Die dünne Story aus der Abenddämmerung der Belle Époque liefert dem Hollywood des ausgehenden golden age noch einmal den Vorwand, die große Illusionsmaschine anzuwerfen. Vincente Minnelli zeigt sich dabei weniger an seinen Figuren, ihren Hoffnungen und Zweifeln, ihrer Melancholie und Leidenschaft interessiert, als am Eintauchen in die Magie des Kinos selbst. »Gigi« schwelgt in Cecil Beatons opulenter Neuerschaffung von Interieurs und Kostümen der Jahrhundertwende, in den musikalischen Kreationen von Lerner und Loewe, in der Beschwörung von zweckfreier Schönheit und zeitloser Heiterkeit. Freilich sind auch die Zeichen von Ermüdung am Ende der Ära nicht zu übersehen: die Inszenierung bleibt weitgehend statisch, sie gleicht weniger einem schäumenden Fluß von Bewegung denn einer Abfolge von exquisiten Illustrationen. Das Lächeln scheint immer wieder zu gefrieren, ganz so, als würde der kühle Hauch des Abschieds durch das Luftschloß wehen. Maurice Chevalier singt und spielt einen vitalen Lustgreis (»Thank heaven for little girls!«), Louis Jourdan einen gelangweilten Lebemann (»It’s a bore!«), Hermione Gingold eine zielbewußte Matriarchin (»Gigi, you are absurd! / Now not another word!«).

R Vincente Minnelli B Alan Jay Lerner V Colette K Joseph Ruttenberg M Frederick Loewe A Cecil Beaton S Adrienne Fazan P Arthur Freed D Leslie Caron, Maurice Chevalier, Louis Jourdan, Hermione Gingold, Eva Gabor | USA | 115 min | 1:2,35 | f | 15. Mai 1958

24.4.57

Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull (Kurt Hoffmann, 1957)

»Eine der hoffnungsreichsten Lebenslagen ist die, wenn es uns so schlecht geht, daß es uns nicht mehr schlechter gehen kann.« Thomas Manns sprachlich hochgestelzter, die Grenzen der Selbstparodie immer wieder fröhlich überschreitender Schelmenroman über den glücksritterlichen Sohn eines fallierten Schaumweinfabrikanten aus dem Rheingau wird von Kurt Hoffmann zu einer charmant-harmlosen Komödie verarbeitet, die sich weniger für die gesellschaftlichen als für die amourösen (und von Drehbuchautor Robert Thoeren dazuerfundenen kriminalistischen) Abenteuer des attraktiven Sonntagskindes in Grand Hotels, Nachtlokalen und Luxuszügen der Belle Époque interessiert. Horst Buchholz (in der Titelrolle) gibt rein äußerlich weiß Gott keinen Thomas-Mann-Helden ab – andererseits ist es gut vorstellbar, daß der durchkultivierte hanseatische Patrizier genau für so einen bildungsfernen, wohlge­form­ten Jungen glühend geschwärmt hätte … Zudem sorgt eine stattliche Zahl im­posanter Chargen für gehobenes Amüsement: Paul Henckels (Pate Schimmelpreester) und Paul Dahlke (Professor Kuckuck), Liselotte Pulver (Zaza) und Ingrid Andree (Zouzou) sowie Walter Rilla als Lord Kilmarnock (das krypto-schwule Wunsch-Alter-Ego des Dichters), der den hübschen Felix nur zu gerne in seine Dienste nehmen würde.

R Kurt Hoffmann B Robert T. Thoeren, Erika Mann V Thomas Mann K Friedl Behn-Grund M Hans-Martin Majewski A Robert Herlth S Caspar van der Berg P Hans Abich D Horst Buchholz, Liselotte Pulver, Ingrid Andree, Susi Nicoletti, Paul Dahlke | BRD | 107 min | 1:1,37 | sw | 24. April 1957

16.8.56

Der Hauptmann von Köpenick (Helmut Käutner, 1956)

»Nu lach doch nich immer, dit is doch ernst!« Ohne Arbeit keine Aufenthaltsgenehmigung, ohne Aufenthaltsgenehmigung keine Arbeit – ein »deutsches Märchen« über den Teufelskreis von Korrektheit und Gesetz: »Bei uns geht Recht und Ordnung über alles.« Und darüber steht die Uniform … Die Kritik an Untertanengeist und Gleichschritt (in Zeiten der west- und ostdeutschen Wiederbewaffnung) bleibt in Helmut Käutners beschaulicher Adaption der ewigen wilhelminischen Militärposse um den gebeutelten Schuster Wilhelm Voigt (Heinz Rühmann), den erst der Offiziersrock zum Menschen macht, indes recht dekorativ (die illusionistischen Dekorationen schufen Herbert Kirchhoff und Albrecht Becker) – der sarkastische Beiklang im sentimentalen Berliner Schnodderton liegt wohl weder dem rheinischen Regisseur noch dem Essener Hauptdarsteller im Blut. Bevor die Entlarvung von subalterner Gesinnung schallend weggelacht wird (»Dit is ja unmöchlich!«), darf allerdings eine ganze Kompanie ausgezeichneter Nebendarsteller – unter anderem: Friedrich Domin (als säbelrasselnder Gefängnisdirektor), Walter Giller (als ungerader Schneidersohn), Edith Hancke (als tuberkulöse Untermieterin), Martin Held (als unterwürfiger Oberbürgermeister), Willy A. Kleinau (als kreuzbrave Beamtenseele), Siegfried Lowitz (als serviler Stadtkämmerer), Wolfgang Neuss (als unbelehrbarer Zuchthäusler), Erich Schellow (als reinrassiger Hauptmann) – aufmarschieren und in pointierten Darbietungen mannigfach Talent entfalten.

R Helmut Käutner B Helmut Käutner, Carl Zuckmayer V Carl Zuckmayer K Albert Benitz M Bernhard Eichhorn A Herbert Kirchhoff, Albrecht Becker S Klaus Dudenhöfer P Walter Koppel D Heinz Rühmann, Martin Held, Hannelore Schroth, Erich Schellow, Willy A. Kleinau | BRD | 93 min | 1:1,37 | f | 16. August 1956