21.12.51

Hanna Amon (Veit Harlan, 1951)

Affektfilmer Veit Harlan erklimmt einen weiteren Gipfel seines hanebüchenen Schöpfertums: Die Kombination von schicksalsschwerem Heimatdrama, biblischer Metaphorik und ägyptischer Totenmythologie muß nicht nur aus dem Nebel eines umwitterten Geistes aufsteigen, es braucht auch die künstlerische Radikalität, diese atemberaubende Melange auf Zelluloid zu bannen … Vor Jahren spendete Hanna (Kristina Söderbaum) ihr Blut, um das Leben des jüngeren Bruders Thomas (Lutz Moik) zu retten – seither sind die aus uraltem Bauernadel stammenden Geschwister Amon einander (allzu?) eng verbunden. Der gepfefferte Auftritt der männerfressenden, rothaarigen, (nicht nur welt-)läufigen Schlange/Hexe/Megäre Vera Colombani (Ilse Steppat) beendet die paradiesischen (wenn auch inzestuös angehauchten) Zustände auf dem Amonshof, und nur durch neuerliches Blutvergießen kann das Unheil gebannt, das Gleichgewicht wiederhergestellt werden. Liebe, die über das Leben (und den Tod) hinausweist, Sünde, die sich in Segen verwandelt, Schuld, die wunderbarer­weise zur Glückseligkeit wird – Harlan, das muß der Neid ihm lassen, kümmert sich nicht um Fragen der Proportion oder des sogenannten guten Geschmacks; er erspart sich und seinem Publikum nichts: keine Platitüde, keine Übertreibung, keinen billigen Effekt. Da glüht das Rot, da jauchzen die Chöre, da tanzt der Schnee, da krächzen die Krähen – »Hanna Amon« ist impulsives Agfacolor-Kino weit jenseits von klarem Sinn und strenger Form. »Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist es nur ein Schritt«, sagte einst ein Kaiser, der auf einer winzigen Insel mitten im Atlantik endete. Vielleicht ist auch das Gegenteil wahr.

R Veit Harlan B Veit Harlan, Richard Billinger K Werner Krien, Georg Bruckbauer M Hans-Otto Borgmann A Rochus Gliese, Hans Berthel S Walter Boos P Willi Zeyn jun. D Kristina Söderbaum, Lutz Moik, Ilse Steppat, Hermann Schomberg, Elise Aulinger | BRD | 106 min | 1:1,37 | f | 21. Dezember 1951

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