9.11.72

Der Todesrächer von Soho (Jess Franco, 1972)

Das Kino wurde erfunden, um A) akklamierten Genies wie Fellini, Hitchcock oder Ophüls eine große Bühne respektive eine silberne Leinwand zu bieten und um B) immer wieder wundervoll konfusen, grandios kindischen, unentbehrlich überflüssigen Zelluloid-Tinnef, der sich, wie etwa »Der Todesrächer von Soho«, als staunenswert surreale cinématographie automatique entpuppt, in die Annalen der Kulturgeschichte zu schummeln. Handlung? Irgendwie schon. Form? So könnte man es auch nennen. Ist es ein Krimi? Ist es ein Drogentrip? Ist es London? Ist es Barcelona? Ist es nicht völlig egal? Schon die erste Einstellung, in der ein (natürlich!) blinder Drehorgelmann in einer (natürlich!) dunklen Gasse seinem Instrument einen leiernden marche funèbre entlockt und damit (natürlich!) einen unmittelbar bevorstehenden gewaltsamen Tod annonciert, setzt Maßstäbe für das Kommende, das in exaltierten Weitwinkelbildern und willkürlicher Psychedelik um Rauschgift und Rache kreist. Es gibt kaum ein »Was«, kein nachvollziehbares »Wie« in dieser benebelt-hispanischen Bryan-Edgar-Wallace–Phantasie (einem ausgetickten Remake des »seriösen« Groschenfilms »Das Geheimnis der schwarzen Koffer« von 1962) – dazu paßt, daß der einmalige Jess Franco den gestandenen Darstellern (Horst Tappert, Barbara Rütting, Wolfgang Kieling, Siegfried Schürenberg) gestattet, alle Seriosität fahren zu lassen, daß er ihnen erlaubt, zu spielen wie Kinder. Wie Kinder, die schon viel gesehen haben.

R Jess Frank (= Jess Franco) B Jess Frank, Art Bernd (= Artur Brauner) V Bryan Edgar Wallace K Manuel Merino M Rolf Kühn A Hans-Jürgen Kiebach S Renate Engelmann P Artur Brauner, Arturo Marcos D Horst Tappert, Fred Williams, Elisa Montés, Barbara Rütting, Siegfried Schürenberg | BRD & E | 87 min | 1:1,66 | f | 9. November 1972