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28.9.77

La menace (Alain Corneau, 1977)

Lohn der Giganten

Beschrieb »Police Python 357« die verzweifelte Bemühungen eines unter Mordverdacht Geratenen, seine Unschuld zu beweisen, schildert »La menace« (≈ die Bedrohung) den Versuch eines Mannes, seine Geliebte von dem Verdacht zu entlasten, ein Verbrechen begangen zu haben, das nie stattgefunden hat ... Nachdem sich der Ex-Trucker Henri Savin (Yves Montand) von seiner wohlhabenden Lebensgefährtin Dominique (Marie Dubois) getrennt hat, fällt diese in eine Depression und bringt sich schließlich um – ein Suizid, der wie ein Mord aussieht, für den Savins neue Freundin Julie (Carole Laure) zur Rechenschaft gezogen werden soll. Savin, Alleinerbe der Verstorbenen, legt Spuren, die ihn als Täter ausweisen, und setzt sich nach Kanada ab, um dort, in einem risikoreichen Befreiungsmanöver, seinen Tod zu inszenieren und ein neues Leben zu beginnen … Alain Corneau knüpft zunächst mit geduldiger Akribie das fatale Netz der irreführenden Hinweise, der falschen Schlüsse, der schicksalhaften Bedrängnisse, um im letzten Viertel des Films ein furioses Actionfinale zu entfesseln, das einen Vergleich mit kinematographischen Vorbilder wie Henri-Georges Clouzots »Le salaire de la peur« und Steven Spielbergs »Duel« nicht zu scheuen braucht. Gerry Mulligans bald lyrisch-introspektiver, bald fiebrig-nervöser Jazz-Soundtrack begleitet und treibt das heikle Geschehen bis zur sarkastischen Pointe.

R Alain Corneau B Daniel Boulanger, Alain Corneau K Pierre-William Glenn M Gerry Mulligan A Jean-Pierre Kohut-Svelko S Henri Lanoë P Denise Petitdidier, Léo L. Fuchs D Yves Montand, Carol Laure, Marie Dubois, Jean-François Balmer, Jacques Rispal | F & CDN | 117 min | 1:1,66 | f | 28. September 1977

# 1059 | 22. Juni 2017

31.3.76

Police Python 357 (Alain Corneau, 1976)

Im tödlichen Kreis

In und um Orléans (der Heimatstadt des Regisseurs Alain Corneau) jagt Inspektor Marc Ferrot (Yves Montand) den Mörder seiner Geliebten, die (was er nicht weiß) auch die Geliebte seines Chefs, Kommissar Ganey (François Périer), war, der (ohne seinerseits die Identität des Nebenbuhlers zu kennen) aus Eifersucht zum Gewaltverbrecher wurde; das fatale Problem des Inspektors: Spuren, Hinweise, Aussagen lassen ihn selbst unter Tatverdacht geraten ... Basierend auf Kenneth Fearings Roman »The Big Clock« (der schon die Vorlage zu John Farrows gleichnamigem film noir von 1948 lieferte), mit gestalterischen Anklängen an die eisige Stilübungen von Jean-Pierre Melville, aber auch an die kriminalistischen Sozialstudien eines Claude Chabrol, untermalt von Georges Delerues düster-dissonanten Chorälen, gestaltet Corneau nicht nur ein intensives Spannungsdrama sondern vor allem eine Galerie eindrücklicher Charakterporträts: Ferrot, ehemaliger Heimzögling, ein Waffenfetischist, der für seinen Colt Python hingebungsvoll die .357er-Kugeln gießt, ein Loner (»tout seul, toujours«), dem die Begegnung mit der offensiven Sylvia (Stefania Sandrelli) unversehens eine Ausflucht aus seiner unpersönlichen Existenz zu eröffnen scheint; Ganey, nach außen hin das Musterbild des korrekten Beamten, ein kultivierter Schizophrener, der sich im Gefühlslabyrinth seines Doppellebens verliert; schließlich Ganeys gelähmte Gattin Thérèse (Simone Signoret), Erbin eines stattlichen Vermögens, die nolens volens alle Geheimnisse ihres Mannes teilt, erbarmungswürdiges Symbol einer seelisch und emotional versteinerten Bourgeoisie. »Police Python 357«: Protokoll einer vertrackten Ermittlung, kalt-obsessives Sittenbild, Darstellung eines erbitterten Kampfes, der keinen Gewinner kennt.

R Alain Corneau B Daniel Boulanger, Alain Corneau V Kenneth Fearing K Étienne Becker M Georges Delerue A Jean-Pierre Kohut-Svelko S Marie-Josèphe Yoyotte P Albina du Boisrouvray D Yves Montand, François Périer, Simone Signoret, Stefania Sandrelli, Mathieu Carrière | F & BRD | 120 min | 1:1,66 | f | 31. März 1976

# 1058 | 22. Juni 2017

27.10.67

La route de Corinthe (Claude Chabrol, 1967)

Die Straße von Korinth

»Je ne vous demande pas d’y croire, je vous propose d’y rêver.« Die Schweiz bei Hitchcock, das sind Berge, Seen und Schokolade. Claude Chabrol macht es ähnlich: Griechenland, das sind Marmor und Tempel, das blaue Meer und der zirpende Klang der Bouzouki. Die amüsant-nichtige Handlung seiner visuell recht attraktiven kleinen Spy-spoof-Etüde dreht sich um irgendwelche schwarzen Kästchen, die auf mysteriöse Weise die in der Ägäis stationierten NATO-Raketen stören. Ein Abwehrmann geht tot. Dessen naiv-beherzte Witwe Shanny (Jean Seberg) klärt den Fall auf – mehr oder weniger gegen den Willen des aalglatten Sektionschefs Sharps (Michel Bouquet), der lieber seiner Loukoum-Sucht frönt als den nachrichtendienstlichen Pflichten nachzukommen, dafür unterstützt von Dex (Maurice Ronet), einem Kollegen des Verstorbenen und baldigen love interest der Hinterbliebenen … Zum zweiten Mal nach »Marie-Chantal contre Dr. Kha« stellt Chabrol eine Frau, die wie ein schutzengelbehütetes Kind durch die Traumlandschaften des Verrats wandelt, in den Mittelpunkt einer parodistischen Spionageerzählung, und wiederum geht das Konzept auf. Zwar entwickelt der Regisseur die filmische Spannung bestenfalls theoretisch, schafft aber, vermittels dubioser Zauberkünstler und mörderischer Popen, weißer Kaninchen und Gräbern mit Telefonanschluß, verstreuter Rosenblätter, die den richtigen Weg weisen, und Statuen, die dunkle Geheimnisse bergen, eine Atmosphäre von lyrischer Absurdität.


R
Claude Chabrol B Daniel Boulanger, Claude Brulé V Claude Rank K Jean Rabier M Pierre Jansen A Marilena Aravantinou S Jacques Gaillard P André Genovès D Jean Seberg, Maurice Ronet, Michel Bouquet, Christian Marquand, Saro Urzì | F & I & GR | 105 min | 1:1,66 | f | 27. Oktober 1967

22.2.67

Le voleur (Louis Malle, 1967)

Der Dieb von Paris 

Georges Randal (Jean-Paul Belmondo) ist ein Dieb. Er nimmt keine großen Rücksichten, wenn er auf Beutezug geht: »Je fais un sale métier, mais j’ai une excuse. Je le fait salement.« Nach dem Tod der Eltern von seinem habsüchtig-philiströsen Onkel ums Erbe und, schlimmer noch, um die Liebe zur entzückenden Cousine Charlotte (Geneviève Bujold) gebracht, entdeckt Georges seine kriminelle Berufung – und die Lust, die Autonomie, die nackte Wahrheit, die sie ihm bringt. Louis Malle erzählt den pikaresken Belle-Époque-Roman ganz aus der Perspektive der Hauptfigur, verzichtet dabei auf die emotionalisierende Beigabe von Musik, senkt die äußere Dramatik auf ein beinahe bressonsches Minimum, meidet jede Form von Robin-Hood-Romantik: Georges stiehlt nicht, um die sozialen Verhältnisse zu verändern, er stiehlt, weil er lebt, wenn er stiehlt. Seine Arbeit erledigt er diszipliniert, planvoll, zielstrebig, mit elementarer Begierde nach fremdem Geld und Gut, mit lässiger Verachtung für das Eigentum an sich. Der Dieb ein Anarchist? Eher ein radikaler Individualist – aber auch ein Schatten des Bourgeois. Tragische Ironie: Die Gesellschaft der Diebe erscheint als seitenverkehrtes Ebenbild der bürgerlichen Welt. Oder wie es Georges’ Lehrmeister, der weltkluge Abbé La Margelle (Julien Guiomar), poetisch ausdrückt: »Le voleur est le clair de lune de l’honnête homme.«

R Louis Malle B Jean-Claude Carrière, Louis Malle, Daniel Boulanger V Georges Darien K Henri Decaë A Jacques Saulnier S Henri Lanoë P Hubert Mérial D Jean-Paul Belmondo, Geneviève Bujold, Jean Guimoar, Marie Dubois, Paul Le Person | F & I | 120 min | 1:1,66 | f | 22. Februar 1967

4.12.65

Les tribulations d’un Chinois en Chine (Philippe de Broca, 1965)

Die tollen Abenteuer des Monsieur L.

Jean-Paul Belmondo als poor little rich boy Arthur Lempereur, der von seinem sorgenfreien aber glücklosen Leben zu Tode gelangweilt ist und einfach nur sterben möchte. Weil alle Suizidversuche kläglich scheitern, beauftragt der Daseinsmüde einen wohlmeinenden Freund, die Vollstreckung seines letalen Wunsches zu organisieren. Just zu diesem Zeitpunkt verliebt sich Arthur in die hinreißende Alexandrine (Ursula Andress als unternehmungs­lustige Stripteasetänzerin) – wodurch sich dem Milliardär Wert und Sinn der menschlichen Existenz urplötzlich erschließen. Die nun folgende halsbrecherische Flucht (bzw. Jagd) vor (bzw. nach) den Killern, die ihn von seinem Seelenleiden befreien sollten, führt den Todeskandidaten – nebst taffer Flamme und würdevollem Butler Léon (Jean Rochefort) – von Hongkong nach Indien, hoch hinauf in den Himalaya und tief in den asiatischen Dschungel, hinaus aufs Meer zu tropi­schen Inseln und wieder zurück in den heimischen Hafen. Frei nach einem Roman von Jules Verne (und mit reichlich Anspielungen auf die gefahrvollen Abenteuer von Tim und Struppi versehen) entzündet de Philippe de Broca ein chinesisches Feuerwerk des tollkühnen Slapstick und der possenhaften Nervenkitzel, ohne allerdings die saloppe Leichtigkeit des brillanten Vorgängers »L’homme de Rio« noch einmal zu erreichen.

R Philippe de Broca B Daniel Boulanger V Jules Verne K Edmond Séchan M Georges Delerue A François de Lamothe S Françoise Javet P Georges Dancigers, Alexandre Mnouchkine D Jean-Paul Belmondo, Ursula Andress, Jean Rochefort, Valéry Ikijinoff, Mario David | F & | 104 min | 1:1,85 | f | 4. Dezember 1965

25.8.65

Marie-Chantal contre Dr. Kha (Claude Chabrol, 1965)

M. C. contra Dr. Kha

»Vous êtes comme Alice. Vous êtes passées de l’autre côté du miroir.« Auf einer Zugfahrt erhält Marie-Chantal (Marie Lafôret) von einem Mitreisenden ein Schmuckstück zur vorübergehenden Aufbewahrung. Im Moment, da sie den blauen Pantherkopf mit den Rubinaugen annimmt, betritt das maliziöse Lebefräulein ein wundersames Land hinter den Spiegeln, eine Sphäre des tödlichen Wettstreits feindlicher Organisationen. Claude Chabrol erzählt (mit Anleihen bei Langs »Dr. Mabuse« und Hitchcocks »The Man Who Knew Too Much«) eine bizarre Farce um ein Killervirus, das seinen Besitzer zum Herren der Welt machen würde. Der Film, eine märchenhafte Reise von den Alpen nach Marokko, lebt vor allem von seinen Darstellern: Serge Reggiani und Charles Denner als grenzdebile Comicspione Ivanov und Johnson; Stéphane Audran als schwarze Witwe Olga, die den ganzen Horror des Lebens an der unsichtbaren Front schildert: dauernd Mord, Entführung, Sabotage, und dann noch die Sexpartys mit den Ministern; Akim Tamiroff als doppelbödiger Dr. Kha, genialischer Spieler gegen alle und gegen sich selbst. Die Heldin engagiert sich weniger aus Überzeugung denn aus Renitenz: la petite snob will das Kleinod, das man ihr überlassen hat, einfach nicht wieder hergeben. Im übrigen findet sie die Agenda des Superschurken bedauernswürdig: Absolute Macht bedeute nichts anderes als absoluten Tod. Und während die junge Frau zur Ablenkung ihr Nonnenschulen-Programm von Liebe, Zärtlichkeit und Vertrauen entwickelt, nestelt sie einen Revolver aus der Bluse … Die angelegte Fortsetzung von Marie-Chantals phantastischen Abenteuern wird Chabrol der Filmgeschichte leider schuldig bleiben.

R Claude Chabrol B Claude Chabrol, Christian-Yve, Daniel Boulanger V Jacques Chazot K Jean Rabier M Pierre Jansen A Guy Litaye S Jacques Gaillard P Georges de Beauregard D Marie Lafôret, Francisco Rabal, Stéphane Audran, Akim Tamiroff, Serge Reggiani, Roger Hanin, Charles Denner | F & I & E | 110 min | 1:1,66 | f | 25. August 1965

5.2.64

L'homme de Rio (Philippe de Broca, 1964)

Abenteuer in Rio 

»Quelle aventure!« Die Mutter aller Abenteuerkomödien: Jean-Paul-Belmondo zu Lande, zu Wasser und in der Luft auf der Jagd nach dem sagenumwobenen Schatz der Malteken. Die von Philippe de Broca fröhlich entfesselte Hatz beginnt in Paris, führt den Soldaten Adrien Dufourquet über Rio und Brasília (das sich gerade als weißer Traum der Moderne aus dem roten Staub des Nirgendwo erhebt) an den Amazonas und in den (noch) dichten südamerikanischen Regenwald – um, genau nach einer Woche (»huit jours de perme«), dort zu enden, wo alles begann: auf einem Bahnhof in der französischen Kapitale. »L’homme de Rio« ist der schönste Comic, den Hergé nie gezeichnet hat, ist ein fröhlicher Alptraum aus glücklicher Zeit, ist ein Schau- und Staunstück der ungedrosselten filmischen Phantasie, ist eine fulminante Schnitzeljagd durch alle Klischees des Genres – eine exaltierte Frau und ein überrumpelter Held, ein polternder Superreicher und ein verschlagener Professor, tödliches Pfeilgift und gefräßige Krokodile, eine romantische Nacht am Strand und ein millionenschweres Geheimnis – kurzum, »L’homme de Rio« gleicht einem Assortiment luftiger Macarons: süß und verlockend, künstlich bunt und unwiderstehlich lecker; und als Himbeere obendrauf gibt es die einzigartige (auf ewig in der überschwenglichen Schönheit ihrer zwanziger Jahre bewahrte) Françoise Dorléac. Für die kinematographischen Zuckerbäcker (für Regisseur, Schauspieler, Autoren und nicht zuletzt für den verträumt-aufgekratzten Kom­ponisten George Delerue) sollte man ein Monument errichten: in rosa mit grünen Sternen.

R Philippe de Broca B Philippe de Broca, Daniel Boulanger, Ariane Mnouchkine, Jean-Paul Rappeneau K Edmond Séchan M Georges Delerue A Mauro Monteiro S Françoise Javet P Alexandre Mnouchkine, Georges Dancigers D Jean-Paul Belmondo, Françoise Dorléac, Jean Servais, Adolfo Celi, Simone Renant | F & I | 112 min | 1:1,66 | f | 5. Februar 1964

7.3.62

Cartouche (Philippe de Broca, 1962)

Cartouche, der Bandit

»Vivre vite et heureux!« Die Aktivitäten des ausgebufften Langfingers Dominique (Hansdampf in allen Gassen: Jean-Paul Belmondo), der sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts unter dem Namen Cartouche zum Anführer der Pariser Unterwelt aufschwingt, lassen eine Vorahnung der großen Revolution aufscheinen. Cartouche, der mit seiner bunten Truppe – darunter die treuen Hauptleute La Douceur (bärig: Jess Hahn) und La Taupe (pfiffig: Jean Rochefort) sowie die schöne Diebin Vénus (Claudia Cardinale) – von den Reichen nimmt, während er die Armen verschont, geht es freilich weniger um gesellschaftliche denn um finanzielle Partizipation, vor allem aber um die Unterminierung von Herrschaftssystemen, egal ob es sich um die raffgierige Despotie des Bandenchefs Malichot oder um das sadistische Regime des Polizeipräfekten de Ferrussac handelt. Nachdem er in der ersten Hälfte des Films die galanten Unverschämtheiten des anarchistischen Rebellen mit viel Lust an akrobatischer Körperkomik und ironischen Sottisen gegen jede Form von Obrigkeit ausgemalt hat, wechselt Philippe de Broca fast unmerklich die Tonlage der Erzählung: In zunehmender Verdüsterung wandelt sich das flotte Mantel-und-Degen-Stück zur melancholischen Romanze in Moll (in die auch die ätherische Madame de Ferrussac verwickelt ist). Nach einer bitteren Schlußwendung geht der Held nicht nur seiner großen Liebe verlustig, er muß auch die Unmöglichkeit einer spielerischen Systemveränderung erkennen. Vor ihm und seinen Getreuen liegen kalte Nächte und ein vorhersehbares Ende: »Dans les mains du bourreau.« – »Oui, et que ça aille vite.«

R Philippe de Broca B Daniel Boulanger, Philippe de Broca, Charles Spaak K Christian Matras M Georges Delerue A François de Lamothe S Laurence Méry-Clark P Alexandre Mnouchkine, Georges Dancigers D Jean-Paul Belmondo, Claudia Cardinale, Jean Rochefort, Jess Hahn, Odile Versois, Marcel Dalio, Noël Roquevert | F & I | 114 min | 1:2,35 | f | 7. März 1962

# 1005 | 16. Mai 2016

20.1.61

Le farceur (Philippe de Broca, 1961)

Wo bleibt die Moral, mein Herr?

Édouard (Jean-Pierre Cassel) flieht fröhlich hüpfend vor dem Ehemann einer Geliebten über die Dächer von Paris und landet erst im Vorgarten, dann im Schlafzimmer von Hélène (Anouk Aimée), der so hinreißenden wie gelangweilten Gattin eines faden Industriellen; sofort glaubt der (an-)mutige Filou – der zusammen mit Onkel, Bruder, Schwägerin, Neffen und (niedlichem) Hausmädchen in einer aus der Gegenwart gefallenen, mit allerhand verschlissenen Kulturgütern und liebenswertem Ramsch vollgestopften Villa Kunterbunt lebt –, in der kapriziösen Schönen die Frau seines Lebens gefunden zu haben … Philippe de Broca läßt in »Le farceur« – halb burleske Romanze, halb sentimentale Posse – die Kulturverschiedenheit zwischen prinzipiell hochgestimmtem Bohèmien und ewig fröstelnder Bourgeoise nur zart anklingen; ihm ist es nicht um Problematisierung von Gefühlen zu tun sondern um das Einhüllen der schnöden Realität in die Zuckerwatte filmischer Illusion: Das Leben als ausgelassenes Spiel von Liebe und Zufall, als Tanz zur Musicbox des Glücks – sollte die Melodie einmal verstummen, so wirft man eine Münze nach, und weiter geht's…

R Philippe de Broca B Philippe de Broca, Daniel Boulanger K Jean Penzer M Georges Delerue A Jacques Saulnier S Laurence Méry P Claude Chabrol, Roland Nonin D Jean-Pierre Cassel, Anouk Aimée, Geneviève Cluny, Georges Wilson, François Maistre | F | 88 min | 1:1,66 | sw | 20. Januar 1961

1.6.60

Les jeux de l’amour (Philippe de Broca, 1960)

Liebesspiele

Philippe de Brocas leichtfüßiges Debüt, eine romantische Pariser Farce zwischen Panthéon und den Kellerbars von Saint-Germain-des-Prés: Suzanne, reizende Besitzerin eines idyllisch verkramten Trödelladens, lebt mir Victor (Jean-Pierre Cassel), der, wenn er nicht gerade voller Akribie und Hingabe Rosen malt, aufgekratzt durch die Welt tanzt. Sie will heiraten und ein Kind – er nicht unbedingt. François, der nette Nachbar, ein (etwas zu) patenter Immobilienmakler, würde liebend gerne einspringen, um die Gatten- und Vaterrolle zu übernehmen … Jean-Luc Godard wird die gleiche Geschichte ein Jahr später in »Une femme est une femme« noch einmal erzählen, besser gesagt: fachkundig fragmentieren und anspielungsreich wieder zusammensetzen; de Broca dagegen, der kein intellektueller film buff ist sondern das Honigkuchenpferd der Nouvelle Vague, dreht einen charmant-abschweifigen, sorgenfrei um sich selbst kreisenden Film über das Glück zu zweit – und zu dritt.

R Philippe de Broca B Philippe de Broca, Daniel Boulanger K Jean Penzer M Georges Delerue A Jacques Saulnier, Bernard Evein S Laurence Méry P Claude Chabrol, Roland Nonin D Jean-Pierre Cassel, Geneviève Cluny, Jean-Louis Maury, Lud Germain, Mario David | F | 86 min | 1:1,66 | sw | 1. Juni 1960