Goto, Insel der Liebe
Vielleicht war es so… Eine stickige, schwarzweiße Nacht. Die Luft vibriert vom Summen der Fliegen. Beckett, Kafka und Jarry kommen aus dem Kino. Der Film hat ihnen nicht gefallen. Nur den Hauptdarsteller, einen gewissen Pierre Brasseur, den mochten sie. Die drei setzen sich auf die Terrasse eines Cafés, bestellen Absinth und beschließen, zusammen ein Drehbuch zu schreiben. Die Geschichte sollte auf einer Insel spielen, die nach einem Erdbeben vom Rest der Welt abgeschnitten wäre. Ein Gouverneur, gütig und sadistisch, herrschte über die kleine Welt. Und eine schöne Frau hätte er. Die liebte aber einen anderen: ihren Reitlehrer. Außerdem gäbe es Fliegen, jede Menge Fliegen. Und da wäre ein Aufzug, mit dem Verurteilte auf eine Bühne gefahren würden, wo sie gegeneinander kämpfen müßten – der Gewinner würde begnadigt, der Verlierer käme aufs Schafott. Der Kellner serviert noch drei Absinth. Und einer, der begnadigt worden wäre, wollte unbedingt die Frau des Despoten für sich haben, und die Macht wollte er auch. Deswegen ginge alles kaputt. Und das Meer rauschte in der Ferne. Und da wären Hunde. Die würde man erschießen, wenn ihr Herr stürbe. Und es gäbe einen Alten, der geniale Fliegenfallen baute. Und alle Namen begännen mit G. Warum G? Warum nicht? Pierre Brasseur müßte die Hauptrolle spielen. Wer aber könnte Regie führen? Der Kellner kennt einen, einen verrückten Polen. Der habe zwar bisher nur Trickfilme gemacht, aber die seien nicht schlecht. Walerian Borowczyk heiße er, und eine schöne Frau habe er auch. Die könne ja die schöne Frau des Herrschers spielen. Beckett, Kafka und Jarry sind begeistert. Der Kellner bringt eine weitere Runde Absinth. Die Fliegen fliegen um den Tisch.
R Walerian Borowczyk B Walerian Borowczyk, Dominique Duvergé K Guy Durban M Georg Friedrich Händel A Walerian Borowczyk S Charles Bretoneiche P Louis Duchesne, René Thévenet D Pierre Brasseur, Ligia Branice, Jean-Pierre Andréani, Ginette Leclerc, Fernand Bercher | F | 93 min | 1:1,66 | sw | 29. Januar 1969
29.1.69
22.1.69
La femme infidèle (Claude Chabrol, 1969)
Die untreue Frau
»Je me sens bien comme ça. Le moindre changement dans ma mode de vie pourrait troubler cette harmonie.« Ein Portrait der kultivierten bürgerlichen (Ehe-)Hölle, ganz ohne Heulen und Zähneklappern, stattdessen mit Manieren und Mord. Charles (gefährlich-beherrscht: Michel Bouquet) macht seiner Frau Hélène (kalt-lodernd: Stéphane Audran) wegen ihrer Untreue keine Szene – dafür ist er viel zu gut erzogen. Er tötet den Rivalen Victor (epikureisch-quallig: Maurice Ronet) ganz en passant, nach einem kleinen Plausch unter Männern. Hélène versteht Charles (wortlos) und entdeckt, infolge der Bluttatt, die Hochachtung vor und die Liebe zu ihrem Gatten wieder … Die oszillographische Akkuratesse, mit der Claude Chabrol den diskreten Wahn der Bourgeoisie – ihre abgezirkelten Rituale, ihre versteckten Begierden, ihre codierte Kommunikation, ihren genießerischen Ekel vor sich selbst – nachzeichnet, verrät nicht nur eine tiefe Kenntnis der beschriebenen Lebenswelt, sondern auch eine Art zynisches Erbarmen mit ihren entseelten Helden. Die letzte Einstellung des Films, eine Kombination von Distanzierung (Kamerafahrt) und gleichzeitiger Annährung (Zoom), bringt das inszenatorische Programm auf den Punkt: (sachlichen) Abstand wahren bei ungeschönter Betrachtung aller (verräterischen) Details.
R Claude Chabrol B Claude Chabrol K Jean Rabier M Pierre Jansen A Guy Littaye S Jacques Gaillard P André Genovès D Stéphane Audran, Michel Bouquet, Michel Duchaussoy, Maurice Ronet, Louise Rioton | F & I | 98 min | 1:1,66 | f | 22. Januar 1969
»Je me sens bien comme ça. Le moindre changement dans ma mode de vie pourrait troubler cette harmonie.« Ein Portrait der kultivierten bürgerlichen (Ehe-)Hölle, ganz ohne Heulen und Zähneklappern, stattdessen mit Manieren und Mord. Charles (gefährlich-beherrscht: Michel Bouquet) macht seiner Frau Hélène (kalt-lodernd: Stéphane Audran) wegen ihrer Untreue keine Szene – dafür ist er viel zu gut erzogen. Er tötet den Rivalen Victor (epikureisch-quallig: Maurice Ronet) ganz en passant, nach einem kleinen Plausch unter Männern. Hélène versteht Charles (wortlos) und entdeckt, infolge der Bluttatt, die Hochachtung vor und die Liebe zu ihrem Gatten wieder … Die oszillographische Akkuratesse, mit der Claude Chabrol den diskreten Wahn der Bourgeoisie – ihre abgezirkelten Rituale, ihre versteckten Begierden, ihre codierte Kommunikation, ihren genießerischen Ekel vor sich selbst – nachzeichnet, verrät nicht nur eine tiefe Kenntnis der beschriebenen Lebenswelt, sondern auch eine Art zynisches Erbarmen mit ihren entseelten Helden. Die letzte Einstellung des Films, eine Kombination von Distanzierung (Kamerafahrt) und gleichzeitiger Annährung (Zoom), bringt das inszenatorische Programm auf den Punkt: (sachlichen) Abstand wahren bei ungeschönter Betrachtung aller (verräterischen) Details.
R Claude Chabrol B Claude Chabrol K Jean Rabier M Pierre Jansen A Guy Littaye S Jacques Gaillard P André Genovès D Stéphane Audran, Michel Bouquet, Michel Duchaussoy, Maurice Ronet, Louise Rioton | F & I | 98 min | 1:1,66 | f | 22. Januar 1969
Abonnieren
Posts (Atom)