9.7.53

The Band Wagon (Vincente Minnelli, 1953)

Vorhang auf!

»The world is a stage / The stage is a world of entertainment.« Vincente Minnelli, meisterhafter Erzeuger glanz-, stil-, und schwungvoller Traumfabrikate, bietet mit seiner Show über Entstehung und Geburtswehen einer Show intelligenten MGM-Technicolor-Glamour: »The Band Wagon« ist selbstreferentiell, selbstbewußt und selbstironisch – die Metamorphose einer leichten musikalischen Komödie in eine rotglühend-dramatische »Faust«-Adaption (und wieder zurück) hält für die Beteiligten Verunsicherung und Begeisterung, Reinfälle und Höhenflüge, Wut und Liebe bereit. Es spielen: Fred Astaire als famous star of yesteryear, der noch einmal zu großer Form aufläuft; Cyd Charisse als up-and-coming Primaballerina, die ihre Neigung zu einer lebenden Legende entdeckt; Jack Buchanan als mephistophelischer Produzent, der die Revue mit seinen brillanten Ideen fast ruiniert; Nanette Fabray & Oscar Levant (»We’re not fighting! We’re in complete agreement! We hate each other!«) als geistreiches Autorenpaar, ein Selbstportrait des geistreichen Autorenpaares Betty Comden & Adolph Green, die sich nach »Singin’ in the Rain«, ihrer mokanten Hommage an den frühen Tonfilm, die Exzentriker vom Broadway vorknöpfen. »Everything that happens in life / Can happen in a show!«

R Vincente Minnelli B Betty Comden, Adolph Green K Harry Jackson M diverse A Preston Ames, Cedric Gibbons S Albert Akst P Arthur Freed D Fred Astaire, Cyd Charisse, Oscar Levant, Nanette Fabray, Jack Buchanan | USA | 112 min | 1:1,37 | f | 9. Juli 1953

1.7.53

Gentlemen Prefer Blondes (Howard Hawks, 1953)

Blondinen bevorzugt

»Well, it’s no trick to make a lot of money ... if what you want to do is make a lot of money«, heißt es in »Citizen Kane«. Es ist auch keine Kunst, postuliert »Gentlemen Prefer Blondes«, einen reichen Mann zu heiraten, vorausgesetzt es das ist, was man will – jedenfalls wenn man auf so clevere Art beschränkt ist und auf so flagrante Weise gut aussieht wie Lorelei Lee (Marilyn Monroe). Die blonde Revuesängerin – gleich ihrer brünetten (und bodenständigeren) Partnerin Dorothy Shaw (Jane Russell) »a little girl from Little Rock« (aufgewachsen »on the wrong side of the tracks«) – läßt (fast) nichts unversucht, ihr Gefühlsglück in pekuniärer Erfüllung zu finden. Die ökonomische Potenz der Männer bildet für Lorelei das natürliche Äquivalent zur physischen Attraktivität der Frauen. Howard Hawks scheint dieser Idee von Tauschbeziehung (wie auch Dorothy) durchaus kritisch gegenüberzustehen. Möglicherweise bezeugen die parodistisch übersteigerte Erotik, der nicht sonderlich feingeschliffene Humor und die quietschbunte Künstlichkeit der Inszenierung – die eher an den billigen Glanz von Strass als an das feurige Funkeln der von Lorelei lüstern besungenen Diamanten (»a girl’s best friend«) denken läßt – seine ironische Distanz zum Geschehen: entschlossene filmische Vulgarität als Bloßstellung eines brachialen Turbomaterialismus

R Howard Hawks B Charles Lederer V Anita Loos, Joseph Fields K Harry J. Wild M diverse A Lyle Wheeler, Joseph C. Wright S Hugh S. Fowler P Sol C. Siegel D Marilyn Monroe, Jane Russell, Charles Coburn, Elliott Reid, Tommy Noonan, Marcel Dalio | USA | 91 min | 1:1,37 | f | 1. Juli 1953

# 989 | 8. März 2016

Genevieve (Henry Cornelius, 1953)

Die feurige Isabella

»I don’t know what it is about these silly old cars. The moment people get into them, they start behaving like idiots.« Alle Jahre wieder findet der Veteran Car Run des königlich Automobilclubs statt: von London nach Brighton und zurück. Und wie immer nehmen zwei alte Freunde (und Konkurrenten) mit ihren betagten Fahrzeugen (beide Jahrgang 1904) und jungen Frauen an der Traditionsrallye teil: Alan McKim (John Gregson) mit seinem Darracq (genannt ›Genevieve‹) und Ehefrau Wendy (Dinah Sheridan) sowie Ambrose Claverhouse (Kenneth More) mit seinem Spyker und Freundin Rosalind (Kay Kendall) … Ein Wochenende im Herbst: frische Luft und Abgasgestank, Sonne und Regen, Kameradschaft und Rivalität, Zärtlichkeit und Niedertracht, Streit und Versöhnung. »Genevieve« nimmt das Rennen – das eigentlich keine Wettfahrt ist, aber, aufgrund einer Wette, in eine solche ausartet – zum Anlaß, den verschiedenen Charakteren (wozu auch die beteiligten Oldtimer zählen) freien Lauf zu lassen, ihre Beziehungen zu erkunden, ihre Stärken und Schwächen auszuloten. Henry Cornelius entwickelt die erzbritische Exzentrik dieser von einem Amerikaner geschriebenen Komödie mit französischer Ungezwungenheit – spielerisch bewegt sich das Roadmovie von einer vergnüglichen Situation zur nächsten; und Larry Adlers Mundharmonikaklänge verbinden virtuos die fein abgestuften Stimmlagen dieser überaus charmanten (in bilderbogenbuntem Technicolor fotografierten) romantischen Farce: Nostalgie und Naturalismus, Klamauk und Ironie, schrille Übertreibungen und lyrische Zwischentöne.

R Henry Cornelius B William Rose K Christopher Challis M Larry Adler A Michael Stringer S Clive Donner P Henry Cornelius D Dinah Sheridan, John Gregson, Kay Kendall, Kenneth More, Joyce Grenfell | UK | 86 min | 1:1,37 | f | 1. Juli 1953

# 911 | 14. September 2014

The 5,000 Fingers of Dr. T. (Roy Rowland, 1953)

Die 5000 Finger des Dr. T.

»Ten happy little fingers and they're mine all mine.« Das Musical entwickelte aus sich selbst heraus den höchsten Surrealismus-Gehalt aller Hollywood-Genres, und das surrealste aller Musicals dürfte wohl »The 5,000 Fingers of Dr. T.« sein. Basierend auf einem Szenarium des mit absurdem Witz gesegneten Kinderbuchautoren und Cartoonisten Dr. Seuss, wird die Geschichte des kleinen Bart (Tommy Rettig) erzählt, der in die Fänge des größenwahnsinnigen Klavierlehrers Dr. Terwilliker gerät – der missionarische Zuchtmeister versklavt 500 Knaben (= 5000 Finger) an einem monströsen Piano und verwandelt darüberhinaus Barts Mutter in seine willenlose Gehilfin: »The work for the happy finger method must go on.« Mit Unterstützung des befreundeten Klempners Mr. Zapladowski konstruiert der clevere Junge einen Schallschlucker, der das Riesenklavier unschädlich machen und so die gezwiebelten Kinder aus der pianistischen Leibeigenschaft befreien soll … Die comichaft stilisierten Kulissen sehen aus, als hätte sich der Ausstatter von »Broadway Melody« im Vollrausch an »Metropolis« erinnert, und kein Geringerer als Friedrich Hollaender komponierte die Musik für dieses exaltierte Vergnügen in Technicolor und Wonderama: »Is it atomic?« – »Yes, Sir, very atomic!«

R Roy Rowland B Dr. Seuss, Allan Scott V Dr. Seuss K Franz Planer M Friedrich Hollaender A Rudolph Sternad S Al Clark P Stanley Kramer D Tommy Rettig, Hans Conried, Peter Lind Hayes, Mary Healy, Jack Heasley | USA | 89 min | 1:1,37 | f | 1. Juli 1953