Ein politischer film noir aus Deutschland um Fragen von Gerechtigkeit in rechtloser Zeit: Robert Siodmak erzählt die (während des Zweiten Weltkriegs spielende) Geschichte des grenzdebilen Massenmörders Bruno Lüdke (triebhaft-intensiv: Mario Adorf), dem nach zehn Jahren ungestraften Tötens von einem engagierten Ermittler (aufrecht-steif: Claus Holm) das Hand(!)werk gelegt wird. Ein ambitionierter SS-Führer (aasig-schwarz: Hannes Messemer) will den Fall als Rechtfertigung für ein Gesetz zur Vernichtung geistig Behinderter nutzen, wird aber von ganz oben zurückgepfiffen. Ein Unschuldiger (präpotent-schwitzig: Werner Peters) springt über die Klinge … »Nachts, wenn der Teufel kam« zeigt nicht nur, wie unter der Herrschaft des Verbrechens die Willkür zum Führungsprinzip wird, sondern reflektiert auch (sehr zurückhaltend) die Möglichkeiten des Einzelnen in einer totalitaristischen Welt.
R Robert Siodmak B Werner Jörg Lüddecke V Will Berthold K Georg Krause M Siegfried Franz A Rolf Zehetbauer, Gottfried Will S Walter Boos P Walter Traut, Robert Siodmak, Ilse Kubaschewski D Claus Holm, Mario Adorf, Hannes Messemer, Annemarie Düringer, Werner Peters | BRD | 104 min | 1:1,37 | sw | 19. September 1957
19.9.57
12.9.57
A King in New York (Charles Chaplin, 1957)
Ein König in New York
»There are many things absurd these days.« Ist König Shahdov von Estrovia, den seine Untertanen vom Thron jagten, ein royaler Kommunist? Charlie Chaplins (autobiographisch inspirierte) gallige Komödie expediert einen gestürzten alteuropäischen Monarchen ins New Yorker Exil und stößt ihn in die bizarren Klüfte der (schönen?) neuen Welt (»This wonderful, wonderful America … its youth, its genius, its vitality!«) – bis hin zur Vorladung vor das Komitee für unamerikanische Umtriebe. Der König erlebt staunend allgegenwärtigen Konsumterror und tendenziösen Journalismus, Massenhysterie und Jugendwahn, Gesinnungszwang und Paranoia, awful plastic surgery und exklusive Dinnerparties, die sich unversehens ins Werbeprogramm des Lokalfernsehens verwandeln. Bei aller satirischen Bitterkeit ist »A King in New York« kein antiamerikanischer Film, eher ein zornig-mokanter Blick auf die pervertierten Gründungsideale einer großen Nation. Spätestens mit der tragischen Schlußpointe weicht die Belustigung vollends dem politischen Statement – dankenswerterweise unter Vermeidung der ansonsten üblichen chaplinesken Sentimentalität.
R Charles Chaplin B Charles Chaplin K Georges Périnal M Charles Chaplin A Allan Harris S John Seabourne P Charles Chaplin D Charles Chaplin, Dawn Addams, Sid James, Oliver Johnston, Michael Chaplin | UK | 110 min | 1:1,37 | sw | 12. September 1957
»There are many things absurd these days.« Ist König Shahdov von Estrovia, den seine Untertanen vom Thron jagten, ein royaler Kommunist? Charlie Chaplins (autobiographisch inspirierte) gallige Komödie expediert einen gestürzten alteuropäischen Monarchen ins New Yorker Exil und stößt ihn in die bizarren Klüfte der (schönen?) neuen Welt (»This wonderful, wonderful America … its youth, its genius, its vitality!«) – bis hin zur Vorladung vor das Komitee für unamerikanische Umtriebe. Der König erlebt staunend allgegenwärtigen Konsumterror und tendenziösen Journalismus, Massenhysterie und Jugendwahn, Gesinnungszwang und Paranoia, awful plastic surgery und exklusive Dinnerparties, die sich unversehens ins Werbeprogramm des Lokalfernsehens verwandeln. Bei aller satirischen Bitterkeit ist »A King in New York« kein antiamerikanischer Film, eher ein zornig-mokanter Blick auf die pervertierten Gründungsideale einer großen Nation. Spätestens mit der tragischen Schlußpointe weicht die Belustigung vollends dem politischen Statement – dankenswerterweise unter Vermeidung der ansonsten üblichen chaplinesken Sentimentalität.
R Charles Chaplin B Charles Chaplin K Georges Périnal M Charles Chaplin A Allan Harris S John Seabourne P Charles Chaplin D Charles Chaplin, Dawn Addams, Sid James, Oliver Johnston, Michael Chaplin | UK | 110 min | 1:1,37 | sw | 12. September 1957
Labels:
Chaplin,
Gesellschaft,
Justiz,
McCarthy-Ära,
Medien,
New York,
Politik,
Satire,
Werbung
Monpti (Helmut Käutner, 1957)
Helmut Käutner steht auf einem kleinen Platz in Paris und erzählt eine kleine Geschichte: »Sie ist ziemlich komisch und ziemlich traurig. Eine Liebesgeschichte.« Es ist die bittersüße Romanze um das arme Nähmädchen Anne-Claire (niedlich: Romy Schneider) und den brotlosen ungarischen Künstler ›Monpti‹ (auch niedlich: Horst Buchholz), die sich die erste Liebe so schwer wie möglich machen. Sie spinnt sich die ideale Biographie einer höheren Bürgertochter zurecht und träumt von einer Hochzeit in Weiß, er, der vor allem an »faire l’amour« denkt, weiß nicht, woran er mit ihr ist, und als es endlich zur Sache gehen könnte, nimmt die Sache eine schlimme Wendung … Das Helle neben dem Dunklen, das Glück neben dem Unglück, die schauerliche Hungervision neben dem siebten Himmel, die Alltagsbeobachtung am Originalschauplatz (Szenen auf dem Markt und im Park, am Seine-Kai und auf den Boulevards) neben der Künstlichkeit der Studiokulisse (Restaurants und Kellerbars, Absteigen wie beim frühen Carné und Monptis Hotelzimmer mit Blick über die Dächer von Saint-Germain-des-Prés auf die Kathedrale Notre-Dame), der stereotype Bohème-Kitsch neben der ironischen Verfremdung: Abgesehen von den (bisweilen etwas altherrenhaften) Kommentaren des Erzählers Käutner sorgt vor allem ein ennuyiert-versnobtes Jeunesse-dorée-Pärchen (Boy Gobert (noch ein ›Monpti‹) und Mara Lane), das sich immer wieder antipodisch in die Geschichte drängt, für feine V-Effekte.
R Helmut Käutner B Helmut Käutner, Gábor von Vaszary V Gábor von Vaszary K Heinz Pehlke M Bernhard Eichhorn A Herbert Kirchhoff, Albrecht Becker S Anneliese Schönnenbeck P Harald Braun D Romy Schneider, Horst Buchholz, Mara Lane, Boy Gobert, Helmut Käutner | BRD | 101 min | 1:1,66 | f | 12. September 1957
R Helmut Käutner B Helmut Käutner, Gábor von Vaszary V Gábor von Vaszary K Heinz Pehlke M Bernhard Eichhorn A Herbert Kirchhoff, Albrecht Becker S Anneliese Schönnenbeck P Harald Braun D Romy Schneider, Horst Buchholz, Mara Lane, Boy Gobert, Helmut Käutner | BRD | 101 min | 1:1,66 | f | 12. September 1957
6.9.57
Le notti bianche (Luchino Visconti, 1957)
Weiße Nächte
Hermetisches Melodram in sagenhafter Studiodekoration: Luchino Visconti läßt von seinem ingeniösen Architekten Mario Chiari das traumverwinkelte Konzentrat einer ganzen Stadt – mit Gassen und Plätzen, Kanälen und Brücken, Nachtbars und Tankstellen – in Cinecittà errichten und macht diese Szenerie zur Bühne einer Reihe von nächtlich-romantischen Begegnungen zwischen dem sehnsüchtigen Drifter Mario (Marcello Mastroianni) und der hysterischen Schwärmerin Natalia (Maria Schell); die junge Frau erwartet die Rückkehr eines inbrünstig verehrten (namenlosen) Fremden (Jean Marais), der ihr, bevor er sich für ein Jahr verabschiedete, ewige Treue versprochen hatte … Aus den (durch unterschiedliche Erwartungshaltungen und Wunschvorstellungen emotional aufgeladenen) Zusammentreffen zweier heimatloser Figuren (von Charakteren ist angesichts der forcierten Künstlichkeit der Inszenierung und des bewußt überspannten Verhaltens der Protagonisten kaum zu sprechen) entwickelt »Le notti bianche« ein theatrales Wechselspiel von Illusionen und Tatsachen, von Ideal und Wirklichkeit, von Erinnerung (≈ Gefangenschaft) und Gegenwart (≈ Unabhängigkeit), sowie – auf der kinematographischen Ebene – von Straßenfilm und Kammerspiel. Auch als (bald nebliger, bald regennasser, bald verschneiter) Ort an der Grenze von Diesseits und Jenseits könnte Viscontis magisch-realistische Kulissenwelt begriffen werden: Der zeitlos schöne, seltsam statuarische »Fremde« wäre dann ein Engel des Todes, der die Seelen der Lebenden (zärtlich) in seinen Besitz bringt und die Herzen der Liebenden (dramatisch) voneinander trennt.
R Luchino Visconti B Luchino Visconti, Suso Cecchi D’Amico V Fjodor M. Dostojewski K Giuseppe Rotunno M Nino Rota A Mario Chiari S Mario Serandrei P Franco Cristaldi D Marcello Mastroianni, Maria Schell, Jean Marais, Clara Calamei, Marcella Rovena | I & F | 107 min | 1:1,66 | sw | 6. September 1957
Hermetisches Melodram in sagenhafter Studiodekoration: Luchino Visconti läßt von seinem ingeniösen Architekten Mario Chiari das traumverwinkelte Konzentrat einer ganzen Stadt – mit Gassen und Plätzen, Kanälen und Brücken, Nachtbars und Tankstellen – in Cinecittà errichten und macht diese Szenerie zur Bühne einer Reihe von nächtlich-romantischen Begegnungen zwischen dem sehnsüchtigen Drifter Mario (Marcello Mastroianni) und der hysterischen Schwärmerin Natalia (Maria Schell); die junge Frau erwartet die Rückkehr eines inbrünstig verehrten (namenlosen) Fremden (Jean Marais), der ihr, bevor er sich für ein Jahr verabschiedete, ewige Treue versprochen hatte … Aus den (durch unterschiedliche Erwartungshaltungen und Wunschvorstellungen emotional aufgeladenen) Zusammentreffen zweier heimatloser Figuren (von Charakteren ist angesichts der forcierten Künstlichkeit der Inszenierung und des bewußt überspannten Verhaltens der Protagonisten kaum zu sprechen) entwickelt »Le notti bianche« ein theatrales Wechselspiel von Illusionen und Tatsachen, von Ideal und Wirklichkeit, von Erinnerung (≈ Gefangenschaft) und Gegenwart (≈ Unabhängigkeit), sowie – auf der kinematographischen Ebene – von Straßenfilm und Kammerspiel. Auch als (bald nebliger, bald regennasser, bald verschneiter) Ort an der Grenze von Diesseits und Jenseits könnte Viscontis magisch-realistische Kulissenwelt begriffen werden: Der zeitlos schöne, seltsam statuarische »Fremde« wäre dann ein Engel des Todes, der die Seelen der Lebenden (zärtlich) in seinen Besitz bringt und die Herzen der Liebenden (dramatisch) voneinander trennt.
R Luchino Visconti B Luchino Visconti, Suso Cecchi D’Amico V Fjodor M. Dostojewski K Giuseppe Rotunno M Nino Rota A Mario Chiari S Mario Serandrei P Franco Cristaldi D Marcello Mastroianni, Maria Schell, Jean Marais, Clara Calamei, Marcella Rovena | I & F | 107 min | 1:1,66 | sw | 6. September 1957
Labels:
Dostojewski,
Erinnerung,
Marais,
Maria Schell,
Mastroianni,
Melodram,
Nacht,
Romanze,
Visconti
3.9.57
Ferien auf Immenhof (Hermann Leitner, 1957)
»Wißt ihr, wo auf der Welt / Man von Sorgen gar nichts hält?« Aus dem Immenhof ist tatsächlich ein Ponyhotel geworden. Nur die Gäste fehlen noch. Jochen von Roth, mittlerweile unangefochtener Herr im Haus, versucht, ganz seriös, das wirtschaftliche Gelingen in Person eines einflußreichen Hamburger Reiseunternehmers herbeizulocken. Die jungen Leute improvisieren, in naßforschem Überschwang, einen werbezirzensischen Reiterkorso durch das nahegelegene Lübeck. Oma Jantzen, zur Grüßauguste des Fremdenverkehrsbetriebs degradiert, macht gute Knittermiene zum (hoffentlich) gewinnbringenden Ausverkauf ihres Holsteinischen Lebenswerkes. Der dritte Teil der Pony-und-Backfisch-Saga öffnet den stürmischen Kräften der Vermarktung alle Gatter. Mit Erfolg. Am Ende kommen Touristen. »Und wer da einmal war, / Der kommt immer wieder.«
R Hermann Leitner B Per Schwenzen, Hermann Leitner K Fritz Arno Wagner M Hans-Martin Majewski A Gabriel Pellon S Liesgret Schmitt-Klink P Gero Wecker D Heidi Brühl, Angelika Meissner, Matthias Fuchs, Margarete Haagen, Paul Klinger, Raidar Müller | BRD | 93 min | 1:1,37 | f | 3. September 1957
R Hermann Leitner B Per Schwenzen, Hermann Leitner K Fritz Arno Wagner M Hans-Martin Majewski A Gabriel Pellon S Liesgret Schmitt-Klink P Gero Wecker D Heidi Brühl, Angelika Meissner, Matthias Fuchs, Margarete Haagen, Paul Klinger, Raidar Müller | BRD | 93 min | 1:1,37 | f | 3. September 1957
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