28.9.46

Cloak and Dagger (Fritz Lang, 1946)

Im Geheimdienst

»There was a time when I thought I wanted to be some kind of secret agent. I gave it up when I was eight.« Dennoch läßt sich der amerikanische Kernphysiker Alvah Jesper, von Gary Cooper mit kraftvollem Understatement gespielt, kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs überzeugen, in den Dienst des Office of Strategic Services einzutreten, um den Stand der großdeutschen Atom(bomben)forschung zu eruieren. Jespers Weg führt durch die (spionisch unterwanderte) Schweiz ins faschistische Italien, wo er nicht nur einen von braunen Schurken zur Mitarbeit gepreßten Wissenschaftler aufspürt, sondern auch der spröden Widerstandkämpferin Gina (Lilli Palmer) näherkommt; die (vom Produzenten geschnittene) Schlußetappe der Expedition hätte ihn das Herz der Finsternis, das unter Zurücklassung von zigtausend toten Zwangsarbeitern geräumte (mutmaßlich nach Südamerika verlegte) deutsche Nuklearlabor, entdecken lassen sollen ... Die Figur des geheimdienstlichen Laien erinnert an die unheldischen Helden der frühen Romane von Eric Ambler, Journalisten, Ingenieure, Geschäftsleute, die sich nolens volens in unübersichtlichen (und lebensgefährlicher) Umständen bewähren müssen. »The Dark Frontier«, »Uncommon Danger«, »Journey Into Fear« wären denn auch passende Titel für Fritz Langs (vierten und letzten) Anti-Nazi-Thriller, der seinen Protagonisten zumeist beobachtend, zuhörend, reagierend, in Momenten der Gefahr aber entschlossen handelnd zeigt: Mit der betont nüchtern gestalteten Szene des lautlosen Totmachens eines Verfolgers nimmt Lang gar die (ungleich kokettere) Darstellung eines ähnlichen Vorgangs in Alfred Hitchcocks vergleichbarem Amateuragentenstück »Torn Curtain« vorweg.

R Fritz Lang B Ring Lardner Jr., Albert Maltz, Boris Ingster, John Larkin V Corey Ford, Alastair MacBain K Sol Polito M Max Steiner A Max Parker S Christian Nyby P Milton Sperling D Gary Cooper, Lilli Palmer, Robert Alda, Vladimir Sokoloff, Marc Lawrence | USA | 106 min | 1:1,37 | sw | 28. September 1946

# 1112 | 18. Mai 2018

1.9.46

Unter den Brücken (Helmut Käutner, 1946)

»Auf der Brücke Tuledu / Gehn die Mädchen ab und zu.« Helmut Käutners dem Bombenkrieg abgetrotztes poetisch-realistisches Meisterwerk – eine hinreißende, zärtliche Dreiecksgeschichte, schwerelos und vollkommen ungekünstelt: zwei befreundete Binnenschiffer und eine Frau (Gustav Knuth, Carl Raddatz und Hannelore Schroth), eine bande à part im Gewoge der Liebe. Schauplätze sind die Havellandschaft – Flüsse, Seen, Kanäle, Wolken am weiten Himmel, flirrende Reflexe an Brückenbögen – und die Metropole Berlin: dunkle Wohnungen, enge Hinterhöfe, Ruderboote auf den Teichen im sonntäglichen Park … Eines Nachts an der Glienicker Brücke begegnen Willi und Henrik der jungen Anna, die mutterseelenallein am Geländer steht; beide verlieben sich in das feingliedrige Wesen, das widerstrebend zu ihnen auf den Schleppkahn steigt, um zurückzugelangen in die Stadt. Während sie, ein wenig verängstigt, den unbekannten Geräuschen lauscht, dem Wind im Schilf, dem Glucksen der Wellen am Schiffsrumpf, dem Knarren der Taue und des Ruders, denken die Männer schon weiter: »Wer mit ihr klarkommt, muß runter vom Kahn.« – »Ja, der müßte vom Kahn.« Trotz aller handfesten Probleme, die das Zueinander­finden mit sich bringt, unbeschadet der Konflikte, die sich zwischen den Kameraden entzünden, und auch wenn eine nette Gans dran glauben muß (»Gib Pfötchen, Vera!«), läßt Käutner das Schiff wie eine schwimmende Insel der Seligen erscheinen, wie ein Versprechen, daß Glück, gegen jede Wahrscheinlichkeit, möglich ist. »Wer mit ihr klarkommt, muß runter vom Kahn.« Wirklich? Am Ende bleiben die drei, wie sie sind: zu dritt – und der Kahn heißt nicht mehr ›Liese-Lotte‹ sondern ›Anna‹. »Da sprach da der Südwind / Muschemusch / Und langte in dein Haar.«

R Helmut Käutner B Helmut Käutner, Walter Ulbrich K Igor Oberberg M Bernhard Eichhorn A Anton Weber, Hans Ender S Wolfgang Wehrum P Walter Ulbrich D Carl Raddatz, Hannelore Schroth, Gustav Knuth, Margarete Haagen, Hildegard Knef | D (Überläufer) | 99 min | 1:1,37 | sw | 1. September 1946