»Erzählst du mir eine Geschichte?« – »Ich weiß keine Geschichte.« Ein Mann und ein Mädchen. Philip (Rüdiger Vogler) ist 31, Alice (Yella Rottländer) ist 9. Sie begegnen sich zufällig, am New Yorker Flughafen, in einer Drehtür. Die Umstände binden sie aneinander, schicken sie auf die Reise, von Amerika nach Amsterdam, weiter nach Wuppertal, durch das Ruhrgebiet (»Essen ist gut.«), den Rhein hinunter. Ein Journalist, der die geplante Reportage nicht zustande bringt, und ein Kind, dessen Mutter vorübergehend eigene Wege geht, gemeinsam unterwegs, er auf der Suche nach dem verlorenen Gefühl von sich selbst, sie auf der Suche nach dem Haus der Großmutter, von dem es ein verwaschenes Foto gibt, aber keine Adresse. Wim Wenders entwickelt mit zärtlicher Aufmerksamkeit die Chronik der laufenden Ereignisse eines schwierigen Kennenlernens, einer zaghaften Annährung, einer Expedition in die aufregend unbekannte Gegenwart: Tankstellen, Hotelzimmer, Telefonzellen, Imbißstuben, Hochhäuser, Schwimmbäder, Wohnsiedlungen. Dazu der minimalistische Soundtrack von »Can« und die Aufnahmen, die Philip mit seiner Polaroid SX-70 schießt: sich Bilder machen von der Welt, wenn schon die Worte fehlen, sie zu beschreiben … aber: »Es ist doch nie das drauf, was man gesehen hat.« Film als Registrieren von Oberflächenreizen – Fassaden, Neonschriften, TV-Programme –, als Kompendium von Verkehrsmitteln – Auto, Bus, U-Bahn, Flugzeug, Zug, Schwebebahn, Fähre –, als Erkundungstour ohne festes Ziel: sich verlaufen, um sich zu finden. »Und du? Was machst du?«
R Wim Wenders B Wim Wenders, Veith von Fürstenberg K Robby Müller M Can S Peter Przygodda P Peter Genée D Rüdiger Vogler, Yella Rottländer, Lisa Kreuzer, Edda Köchl, Hans Hirschmüller | BRD | 112 min | 1:1,37 | sw | 3. März 1974
# 1035 | 28. November 2016
Posts mit dem Label Amsterdam werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Amsterdam werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
3.3.74
16.4.71
Trafic (Jacques Tati, 1971)
Trafic – Tati im Stoßverkehr
Monsieur Hulot, Mitarbeiter der Pariser Automobil-Manufaktur ›Astra‹, die Serienmodelle zu Campingfahrzeugen umbaut, soll die neueste Kreation der Firma zur Messe nach Amsterdam überführen. Mit von der Partie sind der gemächliche Fahrer Marcel und die engagierte PR-Frau Maria, die weniger durch Kompetenz als durch Naßforschheit und ihre stets zur Gelegenheit passende Garderobe auffällt. Jacques Tatis Satire auf die autogerechte Welt – in der, wer nicht hinter dem Lenkrad sitzt, gottverlassen am (Schnell-)Straßenrand entlangstolpern oder sich submiß zwischen Stoßstangen hindurchquetschen muß – dokumentiert mit amüsiertem Grausen die Begleiterscheinungen des Fetischs Mobilität. »Im Fetischismus«, sagt Karl Marx, »hat nicht der Mensch Macht über die Sache, sondern die Sache hat Macht über den Menschen.« »Trafic« zeigt, daß der ungehinderte Verkehrsfluß nichts anderes ist als eine hochtourige Bewußtlosigkeit. Nur noch im Stau oder im Fall einer Panne kommt der Mensch (eher ungewollt) zu sich selbst (und zu anderen). Ansonsten erweist sich die allgemeine Motorisierung als gesellschaftlicher Totalschaden: immer auf Achse – egal wohin.
R Jacques Tati B Jacques Tati, Jacques Lagrange, Bert Haanstra K Eduard van der Enden, Marcel Weiss M Charles Dumont A Adrien de Rooy S Maurice Laumain, Sophie Tatischeff P Robert Dorfmann D Jacques Tati, Maria Kimberley, Marcel Favral, Honoré Bostel, Tony Knepper | F & B & NL | 96 min | 1:1,37 | f | 16. April 1971
# 931 | 9. Januar 2015
Monsieur Hulot, Mitarbeiter der Pariser Automobil-Manufaktur ›Astra‹, die Serienmodelle zu Campingfahrzeugen umbaut, soll die neueste Kreation der Firma zur Messe nach Amsterdam überführen. Mit von der Partie sind der gemächliche Fahrer Marcel und die engagierte PR-Frau Maria, die weniger durch Kompetenz als durch Naßforschheit und ihre stets zur Gelegenheit passende Garderobe auffällt. Jacques Tatis Satire auf die autogerechte Welt – in der, wer nicht hinter dem Lenkrad sitzt, gottverlassen am (Schnell-)Straßenrand entlangstolpern oder sich submiß zwischen Stoßstangen hindurchquetschen muß – dokumentiert mit amüsiertem Grausen die Begleiterscheinungen des Fetischs Mobilität. »Im Fetischismus«, sagt Karl Marx, »hat nicht der Mensch Macht über die Sache, sondern die Sache hat Macht über den Menschen.« »Trafic« zeigt, daß der ungehinderte Verkehrsfluß nichts anderes ist als eine hochtourige Bewußtlosigkeit. Nur noch im Stau oder im Fall einer Panne kommt der Mensch (eher ungewollt) zu sich selbst (und zu anderen). Ansonsten erweist sich die allgemeine Motorisierung als gesellschaftlicher Totalschaden: immer auf Achse – egal wohin.
R Jacques Tati B Jacques Tati, Jacques Lagrange, Bert Haanstra K Eduard van der Enden, Marcel Weiss M Charles Dumont A Adrien de Rooy S Maurice Laumain, Sophie Tatischeff P Robert Dorfmann D Jacques Tati, Maria Kimberley, Marcel Favral, Honoré Bostel, Tony Knepper | F & B & NL | 96 min | 1:1,37 | f | 16. April 1971
# 931 | 9. Januar 2015
5.5.66
Modesty Blaise (Joseph Losey, 1966)
Modesty Blaise – Die tödliche Lady
»She is the shadow on your bedroom wall, / she is the dream you never found.« Hätte Michelangelo Antonioni jemals einen James-Bond-Film inszeniert, wäre das Ergebnis vielleicht ähnlich sonderbar ausgefallen wie Joseph Loseys trivial-traumverlorene Adaption eines zeitgeistigen ›Evening Standard‹-Comics. Monica Vitti als vollblütig-zweifelhafte Weltklassesagentin Modesty Blaise, Terence Stamp als lässig-zupackender Sidekick Willie Garvin, Dirk Bogarde als arglistig-geschmäcklerischer Schurke Gabriel, Rossella Falk als gelangweilt-sadistische Schergin Mrs. Fothergill – der Cast ist quintessentiell sixties; das Design schillert vielfarbig zwischen Op und Pop; die Regie verweigert nicht nur konsequent jede dramatische Sensation in dieser läppischen Spionagestory um Diamanten, Ölscheichs und verspielte Folter, in diesem artifiziellen Abenteuer zwischen London, Amsterdam und Mittelmeer, sie unterläßt auch genüßlich das herkömmliche Erzählen: Es reiht sich einfach nur Moment an Moment, Panel an Panel. Damit ist »Modesty Blaise« in gewisser Weise wieder dort angekommen, wo ihre ästhetischen Wurzeln liegen – beim daily strip.
R Joseph Losey B Evan Jones V Peter O’Donnell K Jack Hildyard M John Dankworth A Richard Macdonald S Reginald Beck P Joseph Janni D Monica Vitti, Terence Stamp, Harry Andrews, Dirk Bogarde, Rosella Falk | UK | 119 min | 1:1,66 | f | 5. Mai 1966
»She is the shadow on your bedroom wall, / she is the dream you never found.« Hätte Michelangelo Antonioni jemals einen James-Bond-Film inszeniert, wäre das Ergebnis vielleicht ähnlich sonderbar ausgefallen wie Joseph Loseys trivial-traumverlorene Adaption eines zeitgeistigen ›Evening Standard‹-Comics. Monica Vitti als vollblütig-zweifelhafte Weltklassesagentin Modesty Blaise, Terence Stamp als lässig-zupackender Sidekick Willie Garvin, Dirk Bogarde als arglistig-geschmäcklerischer Schurke Gabriel, Rossella Falk als gelangweilt-sadistische Schergin Mrs. Fothergill – der Cast ist quintessentiell sixties; das Design schillert vielfarbig zwischen Op und Pop; die Regie verweigert nicht nur konsequent jede dramatische Sensation in dieser läppischen Spionagestory um Diamanten, Ölscheichs und verspielte Folter, in diesem artifiziellen Abenteuer zwischen London, Amsterdam und Mittelmeer, sie unterläßt auch genüßlich das herkömmliche Erzählen: Es reiht sich einfach nur Moment an Moment, Panel an Panel. Damit ist »Modesty Blaise« in gewisser Weise wieder dort angekommen, wo ihre ästhetischen Wurzeln liegen – beim daily strip.
R Joseph Losey B Evan Jones V Peter O’Donnell K Jack Hildyard M John Dankworth A Richard Macdonald S Reginald Beck P Joseph Janni D Monica Vitti, Terence Stamp, Harry Andrews, Dirk Bogarde, Rosella Falk | UK | 119 min | 1:1,66 | f | 5. Mai 1966
16.8.40
Foreign Correspondent (Alfred Hitchcock, 1940)
Der Auslandskorrespondent
Sommer 1939: Der Herausgeber des ›New York Globe‹ hat genug von den abgewogenen Artikeln seiner Europakorrespondenten und schickt einen »good honest crime reporter« (Joel McCrea) in die alte Welt, der den heraufziehenden Krieg als packende Story schildern soll … Anders als politisch interessierte Autoren wie Graham Greene oder Eric Ambler, die in ihren Spionagethrillern Zeitgeschehen nicht nur als narrativen Brandbeschleuniger nutzen, bedient sich Alfred Hitchcock für seine in London und Amsterdam angesiedelte, leidlich fesselnde Räuberpistole (Untergrund-Nazis, entführte Staatsmänner, vertragliche Geheimklauseln) der historischen Katastrophe lediglich als dramatische Rückprojektion. Das aufwendige Set-Design (Alexander Golitzen), die ausgetüftelten Spezialeffekte (William Cameron Menzies) und die feinschattierte Fotografie (Rudolph Maté) der zahlreichen visuellen Kabinettstücke – ein Mordanschlag im Regen mit anschließender Verfolgung des Attentäters durch ein Gewirr von schwarzen Schirmen, ein Katz-und-Mausspiel in der Maschinerie einer Windmühle, ein Flugzeugabsturz in den aufgewühlten Atlantik – trösten über das fast durchweg farblose Spiel der Darsteller und die geschichtslose Einfalt der Handlung hinweg.
R Alfred Hitchcock B Charles Bennett, Joan Harrison, James Hilton, Robert Benchley K Rudolph Maté M Alfred Newman A Alexander Golitzen Ko I. Magnin & Co. S Dorothy Spencer P Walter Wanger D Joel McCrea, Laraine Day, Herbert Marshall, George Sanders, Albert Bassermann | USA | 120 min | 1:1,37 | sw | 16. August 1940
Sommer 1939: Der Herausgeber des ›New York Globe‹ hat genug von den abgewogenen Artikeln seiner Europakorrespondenten und schickt einen »good honest crime reporter« (Joel McCrea) in die alte Welt, der den heraufziehenden Krieg als packende Story schildern soll … Anders als politisch interessierte Autoren wie Graham Greene oder Eric Ambler, die in ihren Spionagethrillern Zeitgeschehen nicht nur als narrativen Brandbeschleuniger nutzen, bedient sich Alfred Hitchcock für seine in London und Amsterdam angesiedelte, leidlich fesselnde Räuberpistole (Untergrund-Nazis, entführte Staatsmänner, vertragliche Geheimklauseln) der historischen Katastrophe lediglich als dramatische Rückprojektion. Das aufwendige Set-Design (Alexander Golitzen), die ausgetüftelten Spezialeffekte (William Cameron Menzies) und die feinschattierte Fotografie (Rudolph Maté) der zahlreichen visuellen Kabinettstücke – ein Mordanschlag im Regen mit anschließender Verfolgung des Attentäters durch ein Gewirr von schwarzen Schirmen, ein Katz-und-Mausspiel in der Maschinerie einer Windmühle, ein Flugzeugabsturz in den aufgewühlten Atlantik – trösten über das fast durchweg farblose Spiel der Darsteller und die geschichtslose Einfalt der Handlung hinweg.
R Alfred Hitchcock B Charles Bennett, Joan Harrison, James Hilton, Robert Benchley K Rudolph Maté M Alfred Newman A Alexander Golitzen Ko I. Magnin & Co. S Dorothy Spencer P Walter Wanger D Joel McCrea, Laraine Day, Herbert Marshall, George Sanders, Albert Bassermann | USA | 120 min | 1:1,37 | sw | 16. August 1940
Abonnieren
Posts (Atom)